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Bei den Kitas zeichnet sich in den Bundesländern kein einheitliches Bild ab (picture alliance/dpa/Sebastian Kahnert)

Kinderbetreuung in der CoronakriseBitte keinen Länder-Wettbewerb um schnellste Kita-Öffnung

Die Bundesländer können sich nicht auf eine einheitliche Linie beim Kita-Restart einigen. Es gebe gute Gründe dafür, Kitas und Schulen bald wieder zu öffnen, kommentiert Christiane Habermalz. Doch Kinderbetreuung dürfe nicht zur Experimentierwiese in der Coronakrise werden.

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) konnte es kaum abwarten. Kaum hatten die Universitätskliniken in Heidelberg, Freiburg und Tübingen erste Zwischenergebnisse ihrer Studie bekannt gegeben, wonach Kinder sich weniger häufig anstecken als Erwachsene, da hatte er auch schon seine Schlussfolgerungen gezogen: Damit sei belegt, dass Kinder bei der Übertragung des Virus nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Als Folge, kündigte er an, würden Kitas und Grundschulen in Baden-Württemberg bis Ende Juni wieder in den Normalbetrieb zurückkehren. Dass es sich bei der Studie erstmal nur um vorläufige Ergebnisse handelte, war da schon nur noch eine Fußnote.

Offenbar sind Kinder nicht die Superspreader

Auch der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, hatte sich vor zwei Wochen durch öffentlichen Druck hinreißen lassen, noch nicht wissenschaftlich überprüfte Ergebnisse eine eigenen Studie zu veröffentlichen, deren Ergebnisse allerdings eher das Gegenteil belegten: Die Ansteckungsgefahr, die von infizierten Kindern ausgehe, sei fast so hoch sei wie bei Erwachsenen, vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kitas müsse daher gewarnt werden.

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(laif / Andreas Pein)

Die "Bild"-Zeitung greift in die unterste Schublade
Mit gutem Journalismus habe der jüngste "Bild"-Artikel über Christian Drosten nichts zu tun, kommentiert Ralf Krauter. Das Blatt liefere Verschwörungstheoretikern Futter und unterstelle methodische Fehler – ohne sie zu benennen. Dass der führende Corona-Forscher ins Visier gerät, sei alarmierend.

Dass öffentlicher Druck in der Wissenschaft nicht immer ein guter Ratgeber ist, das zeigt sich dieser Tage. Noch immer gibt es offenkundige Wissenslücken. Offenbar sind Kinder nicht die Superspreader, für die man sie zu Beginn der Corona-Pandemie hielt. Doch darüber hinaus ist vieles noch unbekannt. Für die Ministerpräsidenten der Länder spielt das aber offenbar ohnehin keine Rolle. Mehr denn je drängt sich der Eindruck auf, dass sich jeder die Studie herauspickt, die seine ohnehin schon festgelegte Linie bestätigt.

Das Ergebnis ist ein Flickenteppich, zu dem das Treffen der Familienminister heute nur noch die Begleitmusik spielen konnte. Ähnlich sieht das Bild bei den Schulen aus. Sachsen und Thüringen haben bereits ihren Kurs angekündigt, so bald wie möglich zum normalen Schulbetrieb zurückkehren zu wollen – was bedeuten würde, auch auf die Abstandregelungen in den Klassenräumen zu verzichten.

Gefahr durch das Virus - und durch überforderte Eltern

Nordrhein-Westfalen will ab dem 8. Juni seine Kitas wieder öffnen, Schleswig-Holstein den Unterricht in den Grundschulen wieder anlaufen lassen. Kein Zweifel, es gibt es viele gute Gründe dafür, dass die Kitas und Schulen so bald wie möglich wieder öffnen. Nicht umsonst weisen kinder- und jugendmedizinischen Fachverbände daraufhin, dass die Gefahr für Kinder durch überforderte Eltern womöglich größer ist, als die, die vom Coronavirus ausgeht – ganz abgesehen von der Schere der Chancengleichheit, die immer weiter auseinanderklafft.

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Übersicht zum Thema Coronavirus (Imago/Rob Engelaar/Hollandse Hoogte)

Doch ein Länderwettbewerb um die schnellste Rückkehr zum Normalbetrieb kann nicht die Antwort sein. Denn dann würden Kitas und Schulen am Ende zur Experimentierwiese – zum Testfeld für die Auswirkungen von Corona auf Kinder, Eltern und Lehrer.

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Christiane Habermalz ((c) Deutschlandradio/Bettina Straub)Christiane Habermalz, geboren 1968, studierte Romanistik, Publizistik, Geschichte und Politik an der FU Berlin. Sie absolvierte ein Volontariat beim Deutschlandradio, verbrachte mehrere längere Aufenthalte in Lateinamerika, wo sie u.a. als Journalistin arbeitete. Heute ist sie als Korrespondentin für Kultur- und Bildungspolitik im Hauptstadtstudio des Deutschlandradios tätig.