Verfassungsrichter dringen auf Besserstellung geschiedener Frauen
Benachteiligung bei Versorgungsausgleich zur Betriebsrente
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Altersversorgung geschiedener Frauen sehen Experten viel Arbeit auf die Familiengerichte zukommen. Diese müssten in Zukunft im Scheidungsverfahren wesentlich umfangreichere Prüfungen vornehmen, sagte Klaus Weil vom Deutschen Anwaltverein am Dienstag nach der Verkündung in Karlsruhe.
Das werde eine "enorme Aufgabe für die Familiengerichte, die mit dem Massengeschäft Versorgungsausgleich sowieso schon sehr belastet sind". Er gehe davon aus, dass dies nicht jeder Richter so ohne Weiteres gewährleisten könne und künftig häufig Sachverständige hinzugezogen werden müssten.
Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht ein Ende der Benachteiligung geschiedener Frauen bei der Altersversorgung angemahnt. Diese entstehe bisher in vielen Tausend Fällen durch die spezielle Art und Weise, wie Betriebsrenten zwischen den Eheleuten aufgeteilt werden.
Das Verfahren selbst ist nicht verfassungswidrig
Das Verfahren ist an sich nicht verfassungswidrig, wie die Karlsruher Richter mit dem am Dienstag verkündeten Urteil entschieden. Sie verpflichten aber die Familiengerichte, künftig im konkreten Fall dafür zu sorgen, dass vor allem die Frauen bei der Berechnung ihrer Ansprüche nicht mehr zu schlecht wegkommen. (Az. 1 BvL 5/18)
Lässt sich ein Paar scheiden, werden die Rentenansprüche prinzipiell miteinander verrechnet. Das nennt sich Versorgungsausgleich und soll Ungerechtigkeiten beseitigen. Denn bei vielen Paaren bekäme der Mann als Hauptverdiener sonst viel mehr Rente als seine Frau, die sich möglicherweise jahrelang zu Hause um die Kinder gekümmert hat.
In dem Karlsruher Verfahren ging es speziell um Betriebsrenten. Dort erhält die Frau - anders als bei allen anderen Renten - ihr Geld nicht automatisch vom selben Versorgungsträger, bei dem der Mann seine Rente hat. Die Ansprüche dürfen ausgelagert und an eine andere Unterstützungskasse übertragen werden - auch gegen den Willen der Frau. Fachleute sprechen von externer Teilung. Der Gesetzgeber wollte damit die Träger der betrieblichen Altersversorgung entlasten.
Bis zu einige hundert Euro Differenz im Monat
Das Problem: Bei der Übertragung kommt es wegen der Zinsentwicklung der letzten Jahre oft zu deutlichen Verlusten. Der Mann verliert also die Hälfte seines Rentenanspruchs, bei der Frau kommt aber nur ein Teil davon an. Das kann mehrere hundert Euro im Monat ausmachen.
Um solche Ungerechtigkeiten zu vermeiden, müssen die Familienrichter ihren Entscheidungsspielraum künftig voll ausschöpfen und eine faire Lösung finden. Dabei sind die Interessen des Mannes, der Frau und des Arbeitgebers zu berücksichtigen, wie der künftige Gerichtspräsident Stephan Harbarth bei der Verkündung sagte. Übermäßige Transferverluste müssten verhindert werden. Als vertretbare Obergrenze nennt das Urteil Verluste von maximal zehn Prozent.
Die Prüfung angestoßen hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Die Richter dort hielten Paragraf 17 im Versorgungsausgleichsgesetz für verfassungswidrig. Sie hatten deshalb ein Scheidungsverfahren ausgesetzt und die Frage in Karlsruhe vorgelegt.
dpa-afx/dpa/rei