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Die "New York Times" listet die Opfer namentlich auf.© imago/Richard B. Levine

Bilanz des Schreckens in den USA

US-Präsident Trump will in der Corona-Krise Normalität vermitteln. Die Zahl der Toten spricht eine andere Sprache.

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Die USA haben Corona nicht überstanden. Das öffentliche Leben war über Monate zum Erliegen gekommen, die Wirtschaft ist schwer getroffen, die Arbeitslosenzahlen sind auf Rekordhöhe.

Am Montag war die schaurige Zahl von 100.000 Toten annähernd erreicht - auch wenn die Zahl der neuen Virus-Fälle deutlich langsamer als in den Vortagen angestiegen ist. Nach Angaben des Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (CDC) legte die Zahl der Infizierten um 15.342 auf 1.637.456 zu. Am Sonntag hatte der Zuwachs noch 26.229 betragen.

Dennoch kommen täglich weitere Todesopfer hinzu. Die Flaggen wurden auf Halbmast gesetzt, die "New York Times" widmete ihre Aufmacherseite den Opfern der Pandemie. Die Zeitung hat in sechs Spalten ganzseitig die Namen hunderter Verstorbener abgedruckt, insgesamt sind 1000 Personen aus veröffentlichten Nachrufen angeführt. Ein "unermesslicher Verlust", wie die Zeitung schreibt, eine unglaubliche Anzahl tragischer Einzelschicksale.

So ist etwa "Joseph W. Hammond (64)" aus Chicago, Illinois erwähnt, der seinen Beruf aufgegeben habe, "um sich um seine Eltern zu kümmern". Oder "Lynne Sierra (68)" aus dem Ort Roselle in Illinois, "eine Großmutter, die immer voller Ideen war".

US-Präsident Donald Trump versucht unterdessen, die Krise auf seine Art zu meistern. Der Republikaner muss angesichts der Katastrophe um seine Wiederwahl im November bangen. Er weiß, dass die Wirtschaftsdaten und die Zahl der Arbeitslosen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden werden.

"Zurück ins Leben"

Trump will den Eindruck von Normalität vermitteln und war am Wochenende auf dem Golfplatz, um seinem Hobby zu frönen. Ein Steckenpferd, dem er seit März nicht mehr nachgegangen war. "Fälle, Zahlen und Todesfälle gehen im ganzen Land zurück!", jubelte Trump via Twitter. Er will der sein, den die Amerikaner mit dem Hochfahren der Wirtschaft in Verbindung bringen. Die Durchsetzung der unpopulären Corona-Maßnahmen hatte er zuvor den Gouverneuren überlassen.

Lindsey Graham, Republikaner und außenpolitischer Experte im Senat, verteidigte die sportlichen Aktivitäten des Präsidenten. Es sei jetzt an der Zeit, die Wirtschaft "auf schlaue Weise wieder anzukurbeln und zu einem normaleren Leben zurückzukehren", befand der Senator. Für die Demokraten hat das demonstrativ gelassene Verhalten Trumps angesichts der steigenden Totenzahlen etwas Obszönes an sich.

Die Ambitionen des US-Präsidenten und die Sicherheit der Amerikaner lassen sich nicht so ohne weiteres unter einen Hut bringen. Die Berater Trumps weisen öffentlich immer wieder darauf hin, dass es nach wie vor wichtig sei, Abstand zu halten und Zusammenkünfte mit anderen zu vermeiden. Auch müssten die Corona-Tests landesweit ausgebaut werden, um die Dunkelziffer an Infizierten zu erheben.

Trumps Krisenmanagement ist im besten Fall ambivalent. Die Demokraten bezeichnen sein zögerliches, oft widersprüchliches Verhalten als Katastrophe und machen ihn für einen großen Teil der Todesfälle verantwortlich.

Trump schiebt unterdessen seinen "Lieblingsfeinden" den Schwarzen Peter zu und droht. In erster Linie bekommt das China zu spüren, das jetzt vordergründig für seine harte Linie in der Hongkong-Frage abgestraft werden soll. Die Versuche Pekings, Hongkong an die kurze Leine zu nehmen, werden in Washington scharf verurteilt, Konsequenzen angedroht. In den Wochen davor hatte Trump stets betont, dass Peking für die Pandemie verantwortlich sei. Die Verdächtigung, China habe das Virus in einem Labor gezüchtet, stand im Raum. Der Weltgesundheitsorganisation WHO wurden ebenfalls Fehler unterstellt, die Zahlungen würden jetzt reduziert, so die Ankündigung Trumps.

Damit kann der Präsident seine Wählerbasis stabil halten, was für einen Sieg im November aber nicht ausreichen wird. Er ist auf Wechselwähler in den "Swing states" angewiesen, auf ältere, weiße Männer, die beim letzten Mal das Pendel zugunsten Trumps ausschlagen ließen. Genau diese Wählergruppe hat sich in den letzten Wochen vom Präsidenten abgewandt. Die Kritik lautete, dass Trump angesichts der Pandemie zu zögerlich agiere.

Krieg der Ratten

Eine unkomfortable Situation, die aber im November nicht unbedingt wahlentscheidend sein muss. Ausschlaggebend ist, wie sich die wirtschaftlichen Daten bis dahin entwickeln. Bleibt die Lage so, wie sie ist, sieht es für Trump schlecht aus. Der Republikaner wehrt sich, malt den Teufel an die Wand und prognostiziert einen automatischen Börsen-Absturz, sollten die Demokraten das Match gewinnen. Im Unterschied zu Österreich haben in den USA viele Menschen ihr Geld in Aktien investiert.

Jetzt greift Trump zusätzlich auf jene Strategie zurück, mit der er bei der letzten Wahl großen Erfolg hatte: Bullying. So meinte er zuletzt in einem TV-Interview, sein Herausforderer Joe Biden sei "nie als schlauer Mensch aufgefallen". Die Frage nach etwas Positivem an Biden ließ Trump demonstrativ unbeantwortet. Auf die Frage nach Schwächen des Demokraten wiederum sagte Trump: "Ich könnte den ganzen Tag über Schwachstellen reden."

Der Wahlkampf dürfte schmutzig werden.

Wobei momentan angesichts der Lokalschließungen überall viel an Unrat und Abfall wegfällt. US-Forscher beobachten, dass unter anderem die Ratten nun weniger Nahrung vorfinden, zunehmend aggressiv werden und sich regelrechte "Straßenschlachten" liefern. Ein Indiz unter vielen dafür, wie es derzeit um die USA bestellt ist.