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Im Juni 2019 gab es noch ein Lächeln: US-Präsident Donald Trump (73) und Chinas Präsident Xi Jinping (66) am Rande des G20-Gipfels in JapanFoto: BRENDAN SMIALOWSKI / AFP
Neuer Kalter Krieg?

Warum der Zoff China-USA gerade jetzt eskaliert

… und warum Trump als Sieger hervorgehen dürfte

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Die Beziehungen sind so schlecht wie lange nicht, die Rivalität zwischen den USA und China wächst. Und die Corona-Krise bringt eine weitere Eskalation!

Mit scharfen Attacken gegen die USA, ihre „Lügen und Verschwörungstheorien“, warnt Chinas Außenminister Wang Yi in Peking vor einem „neuen Kalten Krieg“ und damit einer Gefahr für den Weltfrieden.

„Es ist an der Zeit, dass die USA ihr Wunschdenken aufgeben, China zu verändern oder die 1,4 Milliarden Chinesen an ihrem historischen Marsch zur Modernisierung zu hindern.“ Mit dem Satz enthüllt der Außenminister, worauf China eigentlich hinaus will: Aufstieg als neue Macht in der Welt. Die USA verwehrten den Chinesen ihren rechtmäßigen Platz, so der Vorwurf.

Sind die Chinesen tatsächlich dabei, die USA als Weltmacht abzulösen?

▶︎ „Grundsätzlich nicht, weil die Chinesen nicht die soft-power haben, die Washington hat. Nur sieht es danach aus, weil Trump keine Allianzen gegen die Chinesen schmiedet, sondern immer alleine Front macht“, erklärt Andreas Falke, USA-Experte und Professor für Auslandswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg, gegenüber BILD.

Das autoritäre chinesische Modell sei im Westen nicht attraktiv, und selbst in Entwicklungsländer stoße die überhebliche Art an seine Grenzen. „Wenn die USA es richtig spielen, könnten sie viele andere Länder, vor allem im asiatischen Raum (Vietnam, Indien, Thailand) wieder voll auf ihre Seite ziehen“, ist sich Falke sicher.

Kein Zweifel, so schlecht waren die Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften noch nie und es geht weiter abwärts, auch weil China in den USA zum Feindbild von Republikanern und Demokraten gleichermaßen geworden ist.

Es gleicht einem Rennen, wer unnachgiebiger mit China umspringt. Donald Trump war Chinas wirtschaftlicher Erfolg schon lange ein Dorn im Auge. Doch nach seiner Wahl zum Präsidenten schlug er anfangs zurückhaltende Töne an, vor allem über seinen „Freund“ Xi Jinping, der ihn zu Beginn noch groß in Peking hofierte.

Bei diesen Themen kracht es zwischen den USA und China

Die Liste an der Streitthemen nimmt stetig zu!

Der anhaltende Handelskrieg, US-Sanktionen gegen Chinas Technologieriesen, der sich zuspitzende Konflikt um Hongkong, Chinas Druck auf das freiheitliche Taiwan, die Verfolgung von Bürgerrechtlern, Uiguren und Tibetern, die Ausweisungen von Journalisten, die umstrittenen Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer und nicht zuletzt die Modernisierung der chinesischen Streitkräfte, die die USA als wachsende Gefahr für ihre Sicherheitsinteressen ansehen.

▶︎ Hätten Experten erst vermutet, dass eine Krise wie die Corona-Pandemie helfen könnte, beide Mächte näher zusammenzubringen, sei genau das Gegenteil eingetreten, sagt die Asien-Expertin Elizabeth Economy von der Denkfabrik Council on Foreign Relations. „Sowohl Präsident Trump als auch Präsident Xi Jinping nutzen das jeweils andere Land, um die Aufmerksamkeit von den Herausforderungen ab- und umzulenken, denen sie an der Heimatfront gegenüberstehen.“

Die Pandemie ist für Trump die größte Krise seiner Amtszeit und er sieht damit mitten im Wahljahr nicht gut aus. Die Verantwortung für die zehntausenden Toten durch das Coronavirus in den USA sieht er nicht bei sich, sondern schiebt sie China und der angeblich von Peking kontrollierten Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu.

Es vergeht kaum ein Tag ohne Vorwürfe: China versuche, Profit aus der Pandemie zu schlagen. Poliere sein Image auf. Habe das Virus nicht am Ursprung gestoppt, obwohl das möglich gewesen wäre. Habe die ganze Welt infiziert und enormen Schaden angerichtet.

Kürzlich sagte Trump, er habe derzeit keine Lust, mit Xi Jinping zu sprechen, und schob nach: „Wir könnten die Beziehungen komplett abbrechen.“

Mitten in der Krise nimmt die Rivalität zu. Trump schafft mit seiner „America First“-Politik und dem Rückzug der USA vom internationalen Parkett ein Machtvakuum, das Xi Jinping auszufüllen versucht.

Ist damit zunächst ein Höhepunkt der Eskalation erreicht?

▶︎ „Ich glaube, das Eskalationspotenzial ist schon sehr weit ausgereizt. Das Handelsabkommen (phase one) muss umgesetzt werden, was aber wegen Corona schwierig ist, gerade im landwirtschaftlichen Bereich (Soya, Schweinefleisch). Wenn die Wirtschaft danieder liegt, kann man nicht mehr exportieren. Trump wird einen drauflegen, wenn die Ziele nicht erreicht werden", erklärt Falke BILD.

Wie heftig wird die Auseinandersetzung im US-Wahlkampf?

Die Konfrontation dürfte im US-Wahlkampf noch eskalieren. „Vieles von dem, was die Regierung außenpolitisch und innenpolitisch tut, berührt auf die eine oder andere Weise China“, sagt Expertin Economy.

„Angesichts der Innenpolitik in beiden Ländern, der wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen, und natürlich der im November anstehenden US-Wahl, sehe ich nicht, dass sich die harte Linie in beiden Ländern in absehbarer Zeit ändern wird.“

Sowohl Trump als auch sein demokratischer Rivale Joe Biden nutzen Bilder des jeweils anderen an der Seite von Xi Jinping für Kampagnen-Videos, um Stimmung zu machen. Die Pro-Trump-Geschichte lautet: Der frühere US-Vizepräsident sei zu seicht mit China umgegangen. Das Biden-Lager hingegen rechnet Trump vor, China 15 Mal für den Kampf gegen das Coronavirus gelobt zu haben.

„Die nächsten sechs Monate werden ein Wettbewerb zwischen den Republikanern und Demokraten darüber sein, wer China härter, effizienter niedermachen und zeigen kann, wer sich für die amerikanischen Interessen besser einsetzen kann als der andere“, sagt Bonnie Glaser vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien dem Nachrichtenportal „Politico“.

Thomas Christensen von der Denkfabrik Brookings warnt: Die politisch motivierten Anschuldigungen sowohl zwischen den beiden Mächten als auch zwischen beiden politischen Lagern in den USA könnten „katastrophale Folgen“ haben.

Der große Vorteil für Trump in Sachen China-Politik

▶︎ Politikwissenschaftler und US-Experte Christian Hacke ist sich ebenso sicher, dass China das beherrschende politische Thema im US-Wahlkampf sein wird.

„Trump kann für sich in Anspruch nehmen, dass er die dunklen Seiten der chinesischen Politik als Erster mutig aufgegriffen hat, während Biden als Vize-Präsident mitverantwortlich ist, für eine China-Politik der Obama-Administration, die von Zurückhaltung und Nachgeben gekennzeichnet war“, analysiert Hacke für BILD.

In anderen Worten: China ist also das Wahlkampfthema, mit dem Trump sehr gut punkten kann – Biden kann da nur verlieren oder hinterher stolpern. „Neben seinem Alter ist China die Achillesferse für Biden im Wahlkampf und Donald Trump weiß dieses Spiel zu spielen“, ist sich Hacke sicher.

Trump spiele zudem die anti-chinesische Karte in Sachen Corona, spricht vom „Wuhan-Virus“ und lenke damit von eigenem Versagen im Krisenmanagement ab. Insgesamt versuche Trump, China zum Sündenbock zu machen: „Er schiebt den ökonomischen Niedergang, also beispielsweise die Arbeitslosigkeit, den Chinesen in die Schuhe“, so Hacke.

Sein Fazit: „China als Feindbild Nr. 1 kommt an und lenkt von eigenem Versagen der Trump Regierung ab - in Sachen Corona sowie beim Wirtschaftseinbruch. Es würde mich nicht wundern, wenn die China-Karte über den Ausgang des Wahlkampfes entscheiden wird. Trump hat hier das Trumpf Ass, Biden hat nichts in der Hand.“

Allerdings könnte es für China mit Biden ungemütlicher werden, sollte er die Wahl gewinnen: „Dann werden Themen wie Menschenrechte, Demokratie und die geopolitische Rivalität zusätzlich auf der Tagesordnung stehen, die Trump nur wenig interessiert haben. Auch wird Biden versuchen eine multilateral Allianz gegen China zu schmieden, und das wird für China eine richtige Herausforderung“, so Falke.