Bayreuths Festspielhügel im Krisenmodus

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In Bayreuth kriselt es: Nach der Absage des Sommerfestivals und der schweren Erkrankung von Festspielleiterin Katharina Wagner trennen sich die Wagner-Festspiele nun von ihrem Geschäftsführer.

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Eine harmonische Trias? Katharina Wagner, Holger von Berg und Christian Thielemann bei der Bayreuther Premierenpressekonferenz 2018 Foto: Kathrin Zeilmann

Unwillkürlich denkt man an den Titel des Buches, das die "rebellische" Richard-Wagner-Enkelin Friedelind Wagner über die Ränke und Verstrickungen ihrer Familie, insbesondere in den Nationalsozialismus, schon 1945 veröffentlicht hatte: "Nacht über Bayreuth". Finsternis umgibt die Bayreuther Festspiele rund 70 Jahre nach ihrer Neugründung 1951. Erst wurde Ende März die komplette Festspielsaison 2020 wegen der Corona-Pandemie abgesagt – ausgerechnet im Jahr der Neuinszenierung des wichtigsten Bayreuth-Werks, der Tetralogie "Der Ring des Nibelungen".

Dann kam, vier Wochen später, die Pressemitteilung, Festspielleiterin Katharina Wagner sei "längerfristig erkrankt", was manche Medien veranlasste, eine reichlich respektlose Nachfolgediskussion zu eröffnen. Für Wagner kam Heinz-Dieter Sense als kommissarischer Vertreter und somit dritter Geschäftsführer. Sense kennt Bayreuth – schon 2013 war er, damals 74-jährig, auf zwei Jahre befristet in das Amt des kaufmännischen Geschäftsführers berufen worden. Auf ihn folgte 2016 Holger von Berg. Dessen Zeit am Grünen Hügel läuft jetzt auch ab. Aus einer Stellenanzeige in der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende ging hervor: "Die Bayreuther Festspiele GmbH sucht zum 1. April eine erfahrene und engagierte Persönlichkeit als Kaufmännische Geschäftsführung (m/w/d)".

Am Montag erst folgte die Pressemitteilung, der zufolge die Festspiel-GmbH sich entschlossen habe, den bis April 2021 laufenden Vertrag mit von Berg nicht zu verlängern. Er werde "nach der Beendigung seiner Tätigkeit in Bayreuth eine neue Aufgabe beim Freistaat Bayern im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in München übernehmen." Das klingt wenn nicht nach gegenseitigem Einvernehmen, so doch nach einer Form von Übereinkunft. Berg teilte gestern mit, die Entscheidung habe nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Man habe sie ihm schon im November 2019 mitgeteilt. Da wurde bekanntlich die Entscheidung der Gesellschafterversammlung bekannt, den Vertrag mit der Urenkelin Richard Wagners um weitere fünf Jahre fortzusetzen. Vermutlich kein Zufall. Wie aus festspielnahen Kreisen zu vernehmen ist, stand es um das Verhältnis Katharina Wagners und Holger von Bergs seit langem nicht zum besten. Kritisiert werden sein Umgang mit den Mitarbeitern und sein Führungsstil.

Wie auch immer – die ältesten und bedeutendsten Festspiele Deutschlands stehen inmitten der Corona-Krise im Dunkeln. Zumal auch nicht klar ist, ob der Vertrag mit dem Dirigenten Christian Thielemann als Musikdirektor verlängert wird. So bleibt im Augenblick vor allem die Hoffnung auf den für seine Loyalität bekannten Heinz-Dieter Sense. Ob dieser sich gleichwohl an notwendige künstlerische Entscheidungen in Abwesenheit Katharina Wagners heranwagt, ist zweifelhaft. Zumal die Bayreuther Festspiele wie auch andere Institutionen unter vielen Ungewissheiten im Zusammenhang mit Covid-19 zu leiden haben. Das dürfte auch die Frage berühren, ob und unter welchen Bedingungen ein Spielbetrieb in dem 1876 eröffneten Festspielhaus mit seinen sehr engen Sitzreihen, dem fast verdeckten Orchestergraben – dem berühmten "mystischen Abgrund – und einer fehlenden Klimaanlage in Zukunft möglich sein kann.