Personalplanung nach Corona
Wie Unternehmen um die schlausten Köpfe buhlen
by Céline MeierHohe Löhne und spannende Tätigkeiten – damit punkten Unternehmen bei den Arbeitnehmern nach wie vor. Doch Millennials erwarten von ihren Arbeitgebern weit mehr als nur das.
60-Stunden-Woche und keine Zeit für Familie und Hobbys – für viele Arbeitnehmende ist das heutzutage ein No-Go. Gut ausgebildete Millennials wollen Arbeit und Privatleben gut unter einen Hut bringen. Gerade nach der Corona-Pandemie, wo Familie an Stellenwert gewonnen hat, ist von den Unternehmen Flexibilität gefragt.
Mit Elternzeit punkten
Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Familienplanung hat der Elternurlaub hohe Priorität. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé reagiert auf dieses Bedürfnis und baut rückwirkend auf Anfang 2020 den Elternurlaub aus. Mütter sollen neu 18 statt 16 Wochen voll bezahlte Elternzeit erhalten. Sekundäre Betreuungspersonen sollen vier Wochen anstelle von fünf Tagen beziehen können.
Wir wissen, dass gerade bei jüngeren Eltern Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders wichtig sind.Sonia Studer
Personalchefin, Nestlé Schweiz
Rund 300'000 Angestellte weltweit können von dieser Anpassung profitieren. Laut Sonia Studer, Personalchefin von Nestlé Schweiz, soll diese Massnahme aber auch die Attraktivität des Unternehmens für neue Fachkräfte steigern: «Wir wissen, dass gerade bei jüngeren Eltern Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders wichtig sind.»
Gemäss Wirtschaftsprofessorin Gudrun Sander von der Hochschule St. Gallen folgt Nestlé damit einem Trend, der noch viel weiter geht, als nur Elternurlaub. Sie beobachtet, dass Familien immer mehr zusammen sein wollen, weshalb zeitliche und örtliche Flexibilität an Stellenwert gewinne. Homeoffice sei stark gefragt, aber auch Teilzeitstellen, damit Betreuungsverpflichtungen bewältigt werden können.
Auch Gesundheitswesen reagiert
Gerade im Gesundheitswesen, wo Fachkräfte knapp sind, besteht ein grosser Wettbewerb um die besten Talente. Kleinere Spitäler wie das Kantonsspital Baden oder das Spital Zollikerberg haben erkannt, dass sie durch flexible Angebote bei angehenden Ärzten punkten können.
Gerade für diese Spitäler ist das besonders wichtig, weil sie mit den grossen Universitätsspitälern um die besten Talente buhlen. Die Spitäler abseits der grossen Städte bieten normale Arbeitswochen, also 50- statt 80-Stunden-Wochen an. Auch gibt es Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit, damit nebenbei andere Lebensbereiche gepflegt werden können.
Mehr Verantwortung
Nebst mehr Flexibilität im Beruf fordern jüngere Arbeitskräfte von ihren Arbeitgebern noch etwas anderes: mehr Verantwortung. Gudrun Sander beobachtet, dass junge Absolventen einer Universität nicht zuerst zwei Jahre «Folien basteln» wollen, ohne etwas Sinnstiftendes dahinter zu sehen.
Die junge Generation sei leistungsorientiert und bereit, viel einzubringen. Aber dafür erwarteten sie auch eine entsprechende Haltung vom Unternehmen. Namentlich wollen sie mehr Verantwortung: Früh bei wichtigen Treffen dabei sein, im Austausch mit Kunden stehen oder Ergebnisse selbst präsentieren, sagt Sander.
Flexibilität und gleichzeitig Verantwortung: In der Praxis zeigt sich, dass nur wenige Führungskräfte tatsächlich die Angebote der Unternehmen für flexibleres Arbeiten nutzen. Damit sich das in Zukunft ändert, dürfen Leistungsschemata nicht nur physische Präsenz belohnen, sondern die gelieferten Resultate der Mitarbeitenden.