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An der Spitze von Polens Oberstem Gericht: Małgorzata Manowska war zuvor Untergebene des Justizministers und Generalstaatsanwaltes. Er trieb maßgeblich voran, dass die Regierungspartei Kontrolle über die Justiz gewinnt.
(Foto: Lukasz Szelag/imago)

Polen: Siegerin dank des Präsidenten

Das Oberste Gericht hat nun eine neue Vorsitzende, die nicht nach den Regeln ernannt wurde - aber der Regierung nahe steht.

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Polens Präsident Andrzej Duda hat entschieden, die der nationalpopulistischen Regierung nahestehende Juristin Małgorzata Manowska zur neuen Präsidentin des Obersten Gerichts (SN) zu ernennen. Das SN ist oberste Instanz in allen Zivil- und Strafprozessen und entscheidet in politisch kontrollierten Sonderkammern auch über die Aufhebung eigentlich rechtskräftiger Urteile, über die Entlassung von Richtern und Staatsanwälten und die Gültigkeit von Wahlen. Diese Vollmacht kann nach der trotz Corona-Krise anstehenden, hoch umstrittenen Präsidentschaftswahl schon bald entscheidend werden.

Małgorzata Manowska ist Spezialistin für Zivilrecht. Bekannt wurde die 56 Jahre alte Juristin in der ersten Regierungszeit der nationalpopulistischen Partei PiS von 2005 bis 2007. Damals war Manowska Staatssekretärin unter Justizminister Zbigniew Ziobro, der seit 2015 wieder Justizminister und Generalstaatsanwalt ist und einer der Architekten der Demontage des Rechtsstaats in Polen. Ein anderer Staatssekretär unter Ziobro war damals Andrzej Duda, Polens ebenfalls von der PiS gestellter heutiger Präsident.

Nach der Rückkehr der PiS an die Regierung Ende 2015 wurde Manowska zuerst Leiterin der Landesschule für Richter und Staatsanwälte und dann Richterin an einem Warschauer Berufungsgericht. 2018 löste die Regierung verfassungwidrig den für die Auswahl aller Richter zuständigen, bis dahin unabhängigen Landesjustizrat (KRS) auf und bildete ihn politisch abhängig neu. Nach ihrer Auswahl durch den "Neo-KRS" wurde Manowska im November 2018 Richterin am Obersten Gericht.

Ihr Richterstatus steht freilich ebenso wie der von mehr als 40 anderen "Neo"-SN-Richtern in Frage: Einem Urteil des Gerichtshofes der EU (EuGH) und Entscheidungen noch unabhängig ernannter Richter des Obersten Gerichts zufolge sind die neuen, politisch abhängig ernannten Richter womöglich sämtlich keine unabhängigen Richter im Sinne des EU-Rechts. Alle ihrer Entscheidungen können als nicht existent gelten und missachtet oder angefochten werden.

Gleiches gilt für das Verfahren, an dessen Ende Manowskas Ernennung zur SN-Präsidentin steht. Artikel 183,3 der polnischen Verfassung bestimmt, dass Polens Präsident den Vorsitzenden des Obersten Gerichts auf Vorschlag der Vollversammlung aller Richter dieses Gremiums ernennt. Der Präsident darf nur einen Kandidaten ernennen, der von der Mehrheit der SN-Richter gewählt und vorgeschlagen wurde, stellte etwa Ex-Verfassungsrichter Piotr Tuleja fest.

Ein Experte sagt, die Entscheidung habe "keinerlei Rechtsgrundlage"

Diese klare Mehrheit gab es: Am Samstag wählten in der SN-Vollversammlung 50 Richter Włodzimierz Wróbel zum Kandidaten für das Amt des Gerichstpräsidenten. Wróbel gehört zu den noch unabhängig berufenen Richtern und genießt als Strafrechtler und kompromissloser Vertreter juristischer Unabhängigkeit einen exzellenten Ruf. Małgorzata Manowska, die regierungsnahe Kandidatin dagegen, bekam in einem Ranking von Polens unabhängiger Richtervereinigung Iustitia nur einen von acht möglichen Punkten - und bei der Abstimmung nur 25 Stimmen der "Neo-Richter".

Polens Präsident hatte indes zuvor einen "amtierenden Gerichtspräsidenten" ernannt, den die Verfassung gar nicht vorsieht. Dieser saß nun der Kandidatenkür vor - und weigerte sich, die Vollversammlung nach ihrem Votum für Wróbel über einen entsprechenden formellen Vorschlag an den Präsidenten abstimmen zu lassen. Auf Grundlage eines der Verfassung, dem Gerichtsreglement und mutmaßlich auch EU-Recht widersprechenden neuen Gesetzes suchte Duda die neue Gerichtsvorsitzende dann unter fünf Kandidaten aus - und ernannte seine alte Kollegin Manowska zur neuen SN-Präsidentin.

Den 50 noch unabhängig ernannten Richter des Obersten Gerichts zufolge ist nach der verweigerten Abstimmung über den Siegerkandidaten die Auswahl nicht abgeschlossen, hätte der Präsident niemanden ernennen dürfen. Auch Ex-Verfassungsgerichtspräsident Andrzej Zoll kommentierte im Fernsehsender TVN, Manowskas Ernennung habe "keinerlei Rechtsgrundlage". Der Verfassungsrechtler Marcin Mactzak nannte ihre die Berufung den "nächsten groben Verfassungsbruch von Präsident Andrzej Duda". Den 50 noch unabhängig ernannten SN-Richtern zufolge stehe nicht nur jede Entscheidung der neuen Gerichtspräsidentin in Frage, sondern auch die Autorität des Obersten Gerichts generell.