Der Blick auf Wien: Corona-Hotspot oder doch in der Norm?
In Ballungsräumen ist die Ansteckungsgefahr größer. Im internationalen Vergleich steht Wien allerdings gut da.
Ist Wien gefährlich? Gar der Corona-Hotspot des Landes? Mit Stand Montag, 25. Mai, 9.30 Uhr, gab es in Wien 383 aktuell Sars-Cov2-infizierte Personen. Das sind um 47 weniger als noch am Sonntag.
Österreichweit sind 689 Personen infiziert (Stand Montagfrüh), das heißt 55,6 Prozent der Infizierten leben in Wien. In Wien leben wiederum 21,6 Prozent der österreichischen Bevölkerung.
Immer wieder war die Bundeshauptstadt in den vergangen Tagen Adressat für harsche Kritik, vor allem aus dem ÖVP-geführten Innenministerium. Der zuständige Minister Karl Nehammer sprach vorige Woche sogar „eine Mahnung an die Stadt Wien“ aus.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober erklärte quasi zeitgleich, dass es keine „Causa Wien“ gebe. Trotzdem dreht sich noch immer alles um Wien.
Im Vergleich mit den anderen Landeshauptstädten (Stand 25. Mai, 10 Uhr) liegt Wien bei den Corona-Infektionen auf Platz 5: Zu diesem Zeitpunkt gab es in Wien pro 100.000 Einwohner 161,3 Infizierte.
Am wenigsten Infizierte gab es in Salzburg (87,1), am meisten in Innsbruck (310,6) (Anmerkung: Bei jenen Landeshauptstädten, bei denen die Einwohnerzahl unter 100.000 liegt, wurden die Daten zum Vergleich hochgerechnet)
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Aber: Was zählt, ist die Entwicklung dieser Zahlen.
Und dabei zeigt sich: Die Anzahl der Corona-Infektionen steigt in 7 von 9 Landeshauptstädten. Nur in Graz und Klagenfurt nicht. In Wien ist dieser Wert am stärksten gestiegen. Doch Wien ist auch die Stadt mit der größten Bevölkerungsdichte.
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Der KURIER hat fünf Thesen zu Tests und Infektionen überprüft.
Städte miteinander zu vergleichen, ist sinnlos.
So kann man das nicht sagen. Wichtig ist, was verglichen wird: die Bevölkerungsdichte etwa ist wesentlich wichtiger als die Gesamtzahl der Bevölkerung. Aus diesem Grund lässt sich Wien auch nicht mit anderen Landeshauptstädten vergleichen. In Wien leben pro Quadratkilometer 4.574 Menschen, in Graz sind es 2.264.
Wien lässt sich besser international vergleichen. Da zeigt sich Folgendes: In München sind pro 100.00 Einwohner knapp 456 Menschen infiziert, in Wien liegt dieser Wert bei 161.
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Städte sind stärker vom Coronavirus betroffen als ländliche Regionen.
Grundsätzlich gilt: Zu Infektionen kann es überall dort kommen, wo infizierte Personen auf viele andere treffen. Das kann in einer Bar in der Stadt genauso passieren wie in einer Schule auf dem Land.
Aber: „Im Ballungsraum ist die Gefahr einer Übertragung größer, weil die Menschen näher bei einander sind“, sagt Gerald Gartlehner, klinischer Epidemiologe an der Donau Uni Krems.
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Dazu komme, dass Menschen in der Stadt weniger Wohnraum zur Verfügung steht als am Land. Dass Wien ein Ballungsraum ist, spielt also durchaus eine Rolle.
„Knapp zwei Millionen Einwohner würden sich am Land ganz anders verteilen“, sagt der Epidemiologe. Dieses Argument müsse bei einer Diskussion um Neuinfektionen berücksichtigt werden.
Wer mehr testet, findet mehr Infizierte.
In der Debatte um die Infizierten in einem Bundesland wird immer auch die Anzahl der Testungen ins Treffen geführt. Wien testet in absoluten Zahlen gesehen am meisten, Tirol hat den höchsten Wert an Tests – aufgerechnet auf die Bevölkerung.
Aktuell testet Wien in Pflegeheimen, Obdachlosen- und Asylheimen systematisch – also ohne konkreten Krankheitsfall. „Die vielen Tests können auch viele falsch positive und falsch negative Ergebnisse produzieren“, sagt Gartlehner.
Das sei gefährlich, weil dadurch eine vermeintlich negativ getestete Person Menschen anstecken könnte. Laut Gartlehner ist es sinnvoller, in Hochrisikogruppen flächendeckend zu testen.
Am wichtigsten sind ohnehin die Cluster und ihre Nachverfolgung.
Der sogenannte Post-Cluster, mit dem auch Infektionen in einem Asylheim und in einem Kindergarten in Zusammenhang stehen, zeigt, wie wichtig es ist, schnell zu handeln. Stichwort Contact Tracing.
In so einem Fall ist es auch notwendig, jene Personengruppen zu testen, die keine Symptome zeigen. In dem Fall etwa Leiharbeiter.
Niemand kontrolliert die Quarantäne.
Stimmt nicht. Wien kontrolliert stichprobenartig, andere Bundesländer, darunter Niederösterreich, holen sich die Polizei zur Unterstützung. In Wien wurden bisher 10.007 Quarantänebescheide ausgestellt. In NÖ waren es 22.045.
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