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dpa/Sina Schuldt/dpabild

Unterstützung vom Staat: Wenn Kurzarbeitergeld nicht zum Leben reicht: Das ist beim Hartz-IV-Antrag zu beachten

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Deutschlands Unternehmen haben in der Corona-Krise für mehr als 10 Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet. Doch oft reichen die staatlichen Ausgleichszahlungen nicht aus. Betroffene können dann zusätzlich Hartz-IV-Leistungen beantragen – aber nur, wenn andere aufstockende Leistungen nicht reichen.

Das Kurzarbeitergeld stellt eines der zentralen Instrumente zur akuten wirtschaftlichen Krisenbekämpfung dar. Brechen Aufträge und Umsätze eines Unternehmens weg, kann es unter bestimmten Voraussetzungen Kurzarbeit für Mitarbeiter beantragen: Muss ein Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend reduzieren oder sogar vollständig einstellen, erhält er dann von der Bundesagentur für Arbeit zunächst 60 Prozent seines wegfallenden Nettogehalts (Haushalte mit Kindern 67 Prozent).

Der größte Vorteil von Kurzarbeit für Beschäftigte und Unternehmen ist die Jobsicherung. Dennoch reicht das vom Staat gezahlte Geld oft nicht aus. Viele Arbeitnehmer kommen kaum über die Runden, laufende Kosten können nicht mehr bedient werden.

Kurzarbeitergeld: Für Geringverdiener wird es jetzt besonders eng

Gewerkschaften und Betriebsräte haben daher per Tarifvertrag oder per Betriebsvereinbarung teilweise Erhöhungen ausgehandelt. Doch in vielen Branchen haben solche Abkommen Seltenheitswert. Aktuell erhalten rund dreiviertel der Kurzarbeiter keinerlei Aufstockungen. „Die Corona-Krise macht ein Grundübel auf dem Arbeitsmarkt besonders sichtbar: Jede und jeder Fünfte arbeitet für einen Niedriglohn. Reicht der normale Lohn schon kaum zum Leben, dann entsteht im Fall von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit große Not“, kritisiert etwa Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Das bedeutet im Klartext: Besonders eng wird es gerade für diejenigen, die eh schon jeden Cent verplant haben.

Zwar hat die Bundesregierung inzwischen reagiert und das Kurzarbeitergeld stufenweise erhöht: Wer vier Monate Kurzarbeitergeld bezieht, erhält ab dem fünften Monat 70 Prozent vom Netto (Haushalte mit Kindern 77 Prozent); ab dem siebten Monat sogar 80 Prozent (Haushalte mit Kindern 87 Prozent) – sofern der Arbeitgeber seine Arbeitszeit um mindestens 50 Prozent gekürzt hat. Die Not bleibt für viele Kurzarbeiter jedoch weiterhin groß.

Das verdeutlicht etwa das Schicksal der Kellnerinnen und Kellnern in Deutschland. Ihnen fehlt jetzt nicht nur der volle Lohn, sondern auch das zusätzliche Trinkgeld, wenn dieses steuerfrei ist. „Zwar gibt es im Gastgewerbe viele Beschäftigte, die keine Trinkgelder bekommen, weil sie nicht am Gast arbeiten. Aber je nachdem wo man arbeitet, können durch den Wegfall von Trinkgeldern zusätzlich einige hundert Euro im Monat fehlen“, sagte kürzlich der stellvertretende NGG-Vorsitzende Freddy Adjan.

Haben Sie selbst ähnliche Erfahrungen gemacht?

Sie sind Kurzarbeiter und das Geld reicht nicht? Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen per E-Mail mit dem Betreff "Kurzarbeit und Hartz IV" an meine-frage@focus.de.

Kurzarbeiter: Für viele bleibt derzeit nur Hartz IV

Doch was tun, wenn das Loch in der Haushaltkasse immer größer wird und es hinten und vorne nicht mehr reicht? Betroffene können eine andere Arbeit annehmen, um die Einkommensverluste zumindest vorübergehend auszugleichen – doch nicht jeder Arbeitssuchende wird derzeit auch fündig. So sei die Nachfrage nach Arbeitskräften parallel zum derzeitigen Rekord-Niveau bei der Kurzarbeit regelrecht eingebrochen, erklärte die Arbeitsagentur vergangenen Monat. Im April 2020 waren nur noch 626.000 unbesetzte Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet, 169.000 weniger als noch vor einem Jahr.

Viele Kurzarbeiter müssen daher aufstockende Leistungen wie Kinderzuschlag (KiZ, seit dem 1. April 2020 auch „Notfall-KiZ“), Wohngeld oder Hartz IV (Arbeitslosengeld II) beantragen, um das Existenzminimum für sich und die Familie zu sichern. Doch was steht den Betroffenen damit überhaupt zu?

Diese Unterstützungen können Kurzarbeiter jetzt beantragen, wenn es finanziell eng wird:

Kinderzuschlag: Bis zu 185 Euro pro Kind

Der Kinderzuschlag ist eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für Eltern, die zwar arbeiten gehen, aber deren Lohn beziehungsweise aktuell deren Kurzarbeitergeld nicht oder nur knapp für den Lebensunterhalt der gesamten Familie reicht. Pro Kind kann der Kinderzuschlag monatlich bis zu 185 Euro zusätzlich in der Familienkasse bedeuten. Dieses zusätzliche Geld soll zusammen mit dem Kindergeld den Bedarf eines Kindes decken.

Seit dem 1. April gibt es den sogenannten Notfall-KiZ: Seitdem muss nur das Einkommen des letzten Monats vor der Antragstellung nachgewiesen werden. Davor galt das Durchschnittseinkommen der letzten sechs Monate als Berechnungsgrundlage für den Kinderzuschlag. Einen Antrag auf den Notfall-KiZ kann online gestellt werden.

Kurzarbeiter können Wohngeld beantragen

Wer knapp bei Kasse ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen auch Wohngeld beantragen. Den staatlichen Zuschuss für Wohnraum erhalten Mieter, aber auch einkommensschwache Eigentümer, deren monatliches Gesamteinkommen unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt.

Die genaue Höhe des Wohngeldes hängt von mehreren Faktoren ab. Basis für die Berechnung ist das Haushaltsgesamteinkommen, die Miete und die Anzahl der Haushaltsmitglieder. Nach Angaben der Stiftung Warentest haben Wohngeld-Berechtigte in den vergangenen Jahren im Schnitt 150 Euro pro Monat als staatlichen Zuschuss bekommen.

Angesichts der Corona-Krise hat das Bundesinnenministerium die Wohngeld-Stellen angewiesen, das Prozedere zu vereinfachen. Um eine schnelle Entscheidung zu ermöglichen, verzichtet die Behörde bei Erstantragstellern darauf, deren Vermögen und die Wohnungsgröße zu prüfen. Beschäftigte in Kurzarbeit müssen ihre Verdienstbescheinigung einreichen oder Informationen, die darauf schließen lassen, wie viel Kurzarbeitergeld sie beziehen. Dabei gilt jedoch: Wer Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe bezieht, hat keinen Anspruch auf Wohngeld.

Kurzarbeitergeld und Hartz IV schließen sich nicht aus

Den Zugang zu Hartz-IV-Leistungen hat die Bundesregierung unterdessen erleichtert, um Menschen, die wegen der Corona-Pandemie in Existenznot geraten sind, besser und schneller helfen zu können. Vom 01. März bis zum 30. Juni 2020 wird auf die Prüfung des Vermögens verzichtet. Zudem werden in diesem Bewilligungszeitraum die Kosten der Unterkunft übernommen - ungeachtet dessen, ob sie angemessen sind oder nicht.

Die neue Regelung ist insbesondere für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer interessant. Sie haben in der Regel nur begrenzte finanzielle Rücklagen und sind nicht durch andere Hilfen, wie Arbeitslosen- oder Insolvenzgeld, abgesichert. Aber auch Erwerbstätige, die durch Kurzarbeit erhebliche Einkommenseinbußen haben, sollen den erleichterten Zugang nutzen können – sofern sie eine bestimmte Einkommensschwelle nicht überschreiten. Zum PDF-Ratgeber - Geldanlage: effizient und sicher

Dabei wird Kurzarbeitergeld auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet und wie ein reguläres Arbeitseinkommen behandelt. Entsprechend gelten auch dieselben Freibeträge. Das heißt, vom Kurzarbeitergeld werden monatlich bis zu 330 Euro nicht berücksichtigt, wenn Kurzarbeiter Hartz IV als zusätzliche Leistung beziehen.

Die Höhe des Arbeitslosengeld-II-Anspruchs ermitteln die Jobcenter, indem Bedarf und anrechenbares Einkommen gegenübergestellt werden. Der Hartz-IV-Anspruch lässt sich errechnen durch die Formel „Warmmiete plus Regelsatz“. 2020 beträgt der Regelsatz für Alleinstehende 432 Euro im Monat.

Das Ratgeberportal „gegen-hartz.de“ hat anhand von Beispielen ausgerechnet, was das konkret für Kurzarbeiter bedeuten kann: Demnach hat etwa ein Angestellter ohne Frau und Kinder einen Hartz-IV-Anspruch von etwa 350 Euro. Für seine Rechnung geht das Portal von einem Beschäftigen aus, der normalerweise 2300 Euro brutto verdient. Durch die Kurzarbeit bei 100 Prozent Arbeitsausfall („Kurzarbeit null“) bekommt der Betroffene nur noch 952 Euro überwiesen. Weil die Warmmiete von 600 Euro einen Großteil seines Einkommens verschlingt, stehen dem Kurzarbeiter unterm Strich zusätzlich etwa 350 Euro im Monat an Hartz IV zu.

Hartz IV: Vorrangig Kinderzuschlag und Wohngeld beantragen

Fazit: Die Arbeitsagentur informiert, dass Kurzarbeiter vorrangig Kinderzuschlag und Wohngeld beantragen sollten. Trotz dieser Zuschüsse bedeutet Kurzarbeit aber in jedem Fall finanzielle Abstriche. Um diese bestmöglich abzufedern, sollten sich Kurzarbeiter unbedingt von ihrem örtlichen Jobcenter beraten lassen - auch weil sich die Leistungen gegenseitig ausschließen können. 

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