Die Bahn weitet ihr wegen der Pandemie reduziertes Angebot wieder aus
by Wolfgang Mulke,dpaAb Pfingsten soll der Bahnverkehr in Deutschland sich normalisieren: Über das Wochenende soll die Zahl der zur Verfügung stehenden Sitzplätze in ICEs verdoppelt werden.
Die Deutsche Bahn baut ihr zuletzt reduziertes Angebot zum Pfingstfest jetzt aus. "Wir fahren wieder an die Berge, wir fahren wieder an die See", sagt Personenverkehrsvorstand Berthold Huber. Auch werden die ICE nach und nach wieder in der sogenannten Doppeltraktion eingesetzt, bei der zwei Züge aneinandergekoppelt werden. So solle genügend Platz für eine Verteilung der Fahrgäste im Zug entstehen, erläutert er. Unter dem Strich verdoppelt sich die Zahl der Sitzplätze im ICE ab dem kommenden Wochenende.
Warnung, wenn Züge schon zur Hälfte gefüllt sind
In den kommenden Tagen schaltet die Bahn in ihrer Online-App eine Neuerung frei. Bei der Buchung zeigt sie an, wenn 50 Prozent der Plätze bereits reserviert sind. Die Reisenden haben so die Möglichkeit, sich schwächer ausgelastete Züge zu suchen. Verstärken will das Unternehmen auch die Städteverbindungen. Zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin fahren die ICE bereits in Doppeltraktion. Zwischen Dortmund und den Städten im Süden und Südwesten wird dies nun auch der Fall sein. Im Regionalverkehr sind nach Bahn-Angaben bereits 95 Prozent des regulären Betriebs wieder erreicht. Auch ins benachbarte Ausland fahren die Züge wieder. Nach Österreich und in die Schweiz werde ab sofort wieder nahezu das vollständige Angebot gefahren. Somit seien im Sommer wieder sämtliche Nachbarländer Deutschlands im Fernverkehr erreichbar. "Spätestens Mitte Juni werden wir alle europäischen Länder wieder ans Netz anschließen", kündigt Huber an.
Trotz wieder steigender Fahrgastzahlen hat Corona tiefe Spuren im Schienenverkehr hinterlassen. Laut Huber lag die Zahl der Fahrgäste an Himmelfahrt mit 750 000 nur bei der Hälfte des Vorjahreswertes. Auch Pfingsten rechnet die Bahn etwa mit diesem Rückgang. Das ist jedoch schon ein deutlicher Aufwärtstrend. In der harten Zeit der Krise war gerade einmal jeder zehnte Platz im Fernverkehr besetzt. Huber verteidigt die Entscheidung, den Verkehr weitgehend aufrechtzuerhalten. Einerseits seien viele Pendler auf das Angebot angewiesen. Andererseits bringe selbst die geringe Auslastung noch gut 700 Millionen Euro Umsatz ein.
Klimaanlagen sollen kein Risiko darstellen
Das große Thema ist die Sicherheit. 4300 Reinigungskräfte sind unterwegs und desinfizieren und säubern die Waggons. Huber ist sich sicher, dass die Gefahr einer Infektion im Zug gering ist. Bei den Zugbegleitern seien Virusinfektionen seltener als in Vergleichsgruppen der Bevölkerung. Von den Klimaanlagen gehe kein bekanntes Risiko der Verbreitung von Covid-19 aus. Das Gegenteil sei der Fall, weil die Anlagen die frische Luft zuführen, "so dass sich Aerosole nicht ausbreiten können", sagt Huber. In den Fernzügen gibt es die dringliche Empfehlung, Mund-Nase-Bedeckungen zu tragen.
Eine Reservierungspflicht wie in Frankreich lehnt die Bahn ab und verweist auf unterschiedliche Systeme. Im Nachbarland ist der Fernverkehr vom Nahverkehr getrennt. In Deutschland fahren viele Pendler wahlweise mit dem Fern- oder dem Nahverkehr zur Arbeit. Müsste ein ICE bei der Buchung wegen zu vieler Passagiere geschlossen werden, würden die Reisenden sich verstärkt in den Regionalbahnen drängen. Damit würde das Gegenteil von einer gleichmäßigen Verteilung der Kunden erreicht, warnt Huber.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte, dass die Auslastungsanzeige nicht immer gut funktioniere. Sie beziehe sich nur auf die Gesamtstrecke, nicht aber auf Teilstrecken, teilte der Verband mit. Das habe teilweise zu falschen Anzeigen geführt: "Hoch ausgelastete Züge waren teilweise leer und umgekehrt."
Außerdem forderte der Verband eine Ausweitung der Kulanzregeln für die Kunden. Seit Anfang Mai gibt es bei der Bahn für Fahrten, die aufgrund der Corona-Krise nicht angetreten wurden, keine Reisegutscheine mehr, sondern die Möglichkeit, die Reise bis Ende Oktober nachzuholen. "Für viele zu kurzfristig und nicht möglich", hieß es von der Verbraucherzentrale.