Trotz Corona-Krise zu den Eltern
Johnsons Berater Cummings bereut nichts
by n-tv NACHRICHTENMitten in der Corona-Krise fährt der britische Regierungsberater Cummings 430 Kilometer durch England, obwohl er davon ausgehen musste, selbst infiziert zu sein. Nun erklärt sich der Vertraute von Premier Johnson erstmals dazu. Die Wogen dürfte das kaum glätten.
Der britische Regierungsberater Dominic Cummings hat die massive Kritik an seiner Reise zu Verwandten mitten in der Coronakrise zurückgewiesen. "Ich bedaure nicht, was ich getan habe", sagte Cummings im Rosengarten des Regierungssitzes in London. Er gilt als zweitmächtigster Mann nach Premierminister Boris Johnson in London. Seinen Rücktritt habe er nicht angeboten.
Cummings begann seinen Auftritt mit etwa halbstündiger Verspätung und erschien mit hochgekrempeltem Hemd. Er habe den Umständen entsprechend "vernünftig und angemessen" gehandelt, sagte Cummings. Er habe nur einmal Ende März seine Eltern mit seiner Familie besucht. Britische Zeitungen hatten berichtet, dass Cummings mehrfach während der Pandemie von London ins rund 430 Kilometer entfernte Durham zu seinen Verwandten gefahren war.
Cummings hatte als Grund für eine Reise Ende März zu seinen Eltern angegeben, er habe keine andere Möglichkeit gehabt, die Betreuung seines vier Jahre alten Sohnes sicherzustellen. Er habe für die Betreuung sorgen wollen, weil seine Frau an Covid-19 erkrankt gewesen sei und er selbst auch mit einer Ansteckung habe rechnen müssen.
Nach den Richtlinien der Regierung waren damals Reisen nur aus zwingenden Gründen erlaubt. Der ehemalige Polizeichef der Grafschaft Durham, Mike Barton, hatte dem Sender BBC gesagt: "Lasst uns nicht um den heißen Brei reden, er hat die Regeln gebrochen, das ist sehr klar." Der "Guardian" und der "Daily Mirror" hatten am Sonntagabend von weiteren Verstößen berichtet: Ein Augenzeuge, der Cummings am 12. April an einem Ausflugsziel rund 50 Kilometer vom Wohnhaus seiner Eltern entfernt gesehen haben will, hat demnach inzwischen Anzeige erstattet.
Auch Kritik aus Johnsons Partei
Johnson hatte sich zwar noch am Sonntag hinter seinen Berater gestellt, war dadurch aber selbst massiv in die Kritik geraten - auch in seiner eigenen Partei. Außer der Opposition forderten inzwischen über ein Dutzend Parlamentarier aus Johnsons Konservativer Partei sowie Kirchenvertreter und Ärzte den Rücktritt Cummings. Die Affäre dürfte Thema einer Kabinettssitzung sein. Der Premier behandle die Menschen "wie Trottel" und "ohne Respekt", twitterte der Bischof von Leeds, Nicholas Baines. Außer ihm kritisierten noch viele andere Geistliche der Kirche von England Johnsons und Cummings Verhalten. Auch in der Tory-Partei bröckelt die Unterstützung. Der frühere Staatssekretär Paul Maynard nannte das Verhalten des Chefberaters "völlig unhaltbar". Der Abgeordnete David Warburton sagte dem Sender BBC, Cummings "schädigt die Regierung und das Land".
Geboren wurde Cummings im nordenglischen Durham. Sein Vater arbeitete als Projektmanager einer Ölplattform, seine Mutter war Sonderpädagogin. Vor der Aufnahme des Geschichtsstudiums in Oxford besuchte er eine örtliche Privatschule. Nach einigen gescheiterten Projekten im post-sowjetischen Russland wandte er sich der britischen Politik zu und eröffnete den Kampf gegen die Europäische Union und das britische Establishment.
Der Brexit wurde sein persönlicher Durchbruch: War Johnson das Gesicht der Anti-EU-Kampagne, so war Cummings das Hirn: Als Kampagnenchef setzte er auf Halbwahrheiten und gab sein Geld vor allem für datengestützte personalisierte Anzeigen im Internet aus. Dabei brach Cummings zwar die Regeln für Wahlkampfausgaben und handelte sich eine Geldstrafe ein - doch er gewann das Referendum 2016. Seine Rolle wurde von Schauspieler Benedict Cumberbatch in dem Fernsehdrama "Brexit: Chronik eines Abschieds" verewigt.
Der unterlegene Ex-Premierminister David Cameron bezeichnete ihn daraufhin als "Karriere-Psychopathen". Als Johnson vergangenes Jahr Nachfolger der glücklosen Premierministerin Theresa May wurde, zog Cummings mit ihm in den Regierungssitz Downing Street 10 ein.