"Politik der Körper": Neues Burgtheater-Programm
by Norbert MayerDirektor Martin Kušej hoffte bei der Vorstellung des Spielplans auf die Wiedereröffnung am 11. September. Zentrales Thema ist der Körper, menschlich wie auch gesellschaftlich. Geplant sind sechs Ur- und zehn Erstaufführungen.
Am 11. September soll es soweit sein: Das Burgtheater, seit März wegen Pandemie geschlossen, soll wieder eröffnet werden. Dies gaben Direktor Martin Kušej und seine Stellvertreterin Alexandra Althoff am Montag auf der Bühne im Kasino vor der Presse – vorschriftsmäßig im kleinen Kreis – bekannt. Bei der ersten Premiere im Burgtheater führt der Chef selbst Regie: Pedro Calderóns „Das Leben ist ein Traum“.
Schillers „Maria Stuart“, eine unter Kušejs Regie für diesen August ausgemachte Koproduktion mit den Salzburger Festspielen, die dann in Wien als Saisonauftakt übernommen worden wäre, wird heuer nicht stattfinden. Man erwägt eine Verschiebung auf die Saison 2021. „Die Proben hätten im April beginnen sollen“, sagte der Direktor: „Das war unmöglich, also musste ich rasch das Ruder herumwerfen und mir eine andere Eröffnung einfallen lassen.“ Also Calderóns Meisterwerk. Der Stoff, mit dem Kušej durch seine Inszenierung von Grillparzers „Der Traum ein Leben“ (1992 in Graz) vertraut ist, scheint zu passen, obwohl man „nicht extra einen Corona-Spielplan“ machen wolle. Zentrales Thema einiger Produktionen wird jedenfalls die „Politik der Körper“ – auch als gesellschaftlicher Begriff.
Castorf inszeniert Handkes neues Stück
Etwa am 12. September. Da wird das Akademietheater mit der österreichischen Erstaufführung von Thomas Köcks „antigone. ein requiem“ eröffnet. Regie führt Lars-Ole Walburg. Das Kasino folgt am 13. September mit „Stolz und Vorurteil“, einer deutschsprachigen Erstaufführung. Isobel McArthur hat Jane Austens Roman dramatisiert, Lily Sykes führt Regie. Ein ambitioniertes Programm (siehe Grafik) wurde angekündigt, mit Regisseuren aus 14 Ländern, mit einem hohen Anteil an zeitgenössischer Theater-Literatur, mit acht weiteren Erst- und sechs Uraufführungen. Zu erwarten sind spannende Kombinationen. So werden Autor Franzobel und Regisseur Nikolaus Habjan zusammengespannt, Peter Handke und Frank Castorf, Rainald Goetz und Robert Borgmann. Itay Tiran, Barbara Frey, Johan Simons, Mateja Koležnik, Moukarzel & Kidd, Simon Stone, Thorleifur Örn Arnarsson und nach langer Zeit Katie Mitchell werden wieder in Wien inszenieren. Neu hinzu kommen u. a. Adena Jacobs, David Kramer, Antonio Latella, Lucia Bihler und Kommando Himmelfahrt.
Die Termine aber sind noch nicht fixiert. Aus verständlichen Gründen, wie der Direktor erläuterte. Noch wusste man zu wenig über die Bedingungen, unter denen geprobt werden kann. Es werden wohl Kleingruppen von zirka zehn Personen bei regelmäßigen Viren-Tests. Er habe bereits mit der neuen Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer telefonischen Kontakt gehabt, demnächst sollte es ein persönliches Treffen geben. Derzeit werde heiß gerechnet und diskutiert über Bedingungen. Seine Schmerzgrenze bei den Sitzplätzen: Reduktion auf 50 Prozent. Die Auslastung aller vier Spielstätten habe in der Spielzeit 2019/20 bis Ende Februar 80,4 % betragen. Man lag also über dem Plan, es lief laut Direktor insgesamt sehr gut. Die Kurzarbeit seither „hat uns nicht gerettet, sondern gerade so am Laufen gehalten“. Das wahre Problem sei die (stagnierende) Basisabgeltung des Bundes (bei steigenden Kosten).
„Ohne Theater geht es nicht!“
Er habe sich seine erste Saison anders vorgestellt, sagte Kušej zum Lockdown, „das ist sicher historisch“. Die Erkenntnis der letzten Wochen: „Ohne Theater geht es nicht!“ Das analoge Theater sei das Theater der Zukunft. Live-Erlebnis und Austausch seien wichtig, Streaming sei nur ein partieller Ersatz. „Ich hoffe, dass die Zeit für uns arbeitet, dass wir im Herbst spielen können.“ Er merke, dass alle 540 Leute des Hauses darauf brennen.
Wie hat Kušej die Zeit der Pandemie bisher erlebt? „Ich bin mit ihr nicht wirklich gut zurecht gekommen.“ Öfters habe er in den vergangenen Wochen antworten müssen: „Es geht mir nicht gut.“ Im Haus am Land sei er sich wie im Gefängnis vorgekommen: „Die Paralyse hat mich überrascht.“ Die Pandemie bringe alle im Theater an die Grenzen. „Schneller als die Krise mussten wir die Dinge verändern.“ Sie sei aber auch eine Chance. Einige Projekte würden nachgeholt, manches bleibe weg: „Wir verabschieden uns von Dingen, die uns nichts gebracht haben. Ich musste für kommenden Herbst noch einmal anfangen wie im ersten Jahr.“