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Christian Drosten: Der Virologe hat sich bei Twitter über die "Bild" geärgert – und viel Zuspruch erhalten.Quelle: Reiner Zensen/imago images
"Habe Besseres zu tun"  

Kritik an Studie: Drosten lässt die "Bild" abblitzen

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Er arbeitet an einer wichtigen Studie zur Ausbreitung des Coronavirus. Die "Bild" will darüber kritisch schreiben, gibt Virologe Drosten aber kaum Zeit, um auf Fragen zu antworten. Mit seiner Reaktion rechnete das Blatt vermutlich nicht. 

Es geht um die Viruslasten bei verschiedenen Altersgruppen: Die "Bild"-Zeitung will kontrovers über eine Studie von Christian Drosten und seinen Kollegen berichten, gibt dem Virologen allerdings nur eine Stunde Zeit, um Stellung zu nehmen zu Kritik an seiner Arbeit. Die Anfrage landete in einem kritischen Post auf Twitter. Drosten wirft der "Bild" darin vor, eine "tendenziöse Berichterstattung" zu planen und im Zuge dessen "Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang" bemüht zu haben. 

In dem Bericht erhebt das Blatt den Vorwurf, dass Methode und Ergebnis der Studie über das Ansteckungsrisiko durch Kinder sich widersprechen würden. Zu Wort kommt der Schweizer Epidemiologen Leonhard Held, dem zufolge die Erkenntnisse der Truppe um Drosten "mit einiger Vorsicht" zu interpretieren seien. Zitiert wird weiter ein US-Wirtschaftsprofessor mit der Aussage, dass die Studie zur Debatte um Schulöffnungen keinen Beitrag leiste. Das Blatt resümiert, dass Drosten "komplett daneben" liege. Es konfrontiert den Virologen mit Fragen, die dieser binnen 60 Minuten beantworten möge. Drosten ärgert das, er kommentiert: "Ich habe Besseres zu tun."

Drostens "Bild"-Kritik bekommt viel Zuspruch 

Der Springer-Verlag, zu dem die "Bild"-Zeitung gehört, äußerte sich auf Nachfrage von t-online.de nicht zu dem Fall. Der Chefredakteur der "Bild", Julian Reichelt, äußerte sich am Nachmittag auf Twitter. Drostens Reaktion zeige, schreibt Reichelt, wie angefasst der Wissenschaftler wegen der Recherche seines Blattes sei.

Allerdings distanzierte sich später auch einer der zitierten Forscher von dem "Bild"-Bericht. Der Mannheimer Statistik-Professor Christoph Rothe schreibt auf Twitter: "Niemand von "Bild" hat mit mir gesprochen, und ich distanziere mich ausdrücklich von dieser Art der Berichterstattung."

Für sein Vorgehen, die Anfrage der "Bild" zu veröffentlichen und zu kommentieren, erntet Drosten viel Zuspruch. So schreibt etwa die Schriftstellerin Hatice Akyün: "Was Spiegel-Titelgeschichten und Presserat-Rügen jahrelang nicht geschafft haben, erledigt Dr. Drosten mal eben mit einem Tweet. Chapeau!" Ein weiterer User kommentiert: "Auch mein erster Gedanke. Eine Email (!) mit der Frist um Beantwortung innerhalb einer Stunde ist absolut unrealistisch, bzw. absichtlich. Schon gar bei dem Sachverhalt."

SPD-Bundesvize Kevin Kühnert nahm die kurze Fristsetzung für einen Seitenhieb gegen den Reporter der "Bild" auf. Als dieser vor zwei Jahren eine Titelgeschichte über ihn schrieb, hätte man ihm noch drei Stunden zur Beantwortung gegeben. "Der Journalismus ist aber auch wirklich schnelllebig geworden", witzelte Kühnert. Der SPD-Politiker meinte einen Bericht des Blattes über eine angebliche "Schmutzkampagne bei der SPD" im Februar 2018. Es stellte sich heraus, dass die "Bild" auf eine Satire-Aktion des Magazins "Titanic" hereingefallen war.

Es gab aber auch Kritik am Vorgehen Drostens. Denn dieser hatte die Anfrage zunächst mit allen Kontaktdaten des "Bild"-Reporters veröffentlicht. Dazu schreibt etwa ein Twitter-User: "Ich finde ihre Reaktion richtig. Trotzdem sollten Sie die Kontaktdaten von Herrn Piatov wie seine Handynummer aus dem Screenshot löschen." Was Drosten anschließend auch tat. Er entfernte seinen Ursprungs-Tweet und postete die "Bild"-Anfrage noch einmal – diesmal ohne Kontaktdaten des Reporters.

Verwendete Quellen: