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Boris Johnsons Chefberater Dominic Cummings.© AP

Reise von Johnson-Chefberater Dominic Cummings stellt Geduld der Briten auf die Probe

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Der strittige Einflüsterer des Regierungschefs fuhr trotz des Lockdowns quer durchs Land. Das Vertrauen in die Regierung ist dahin. Sechs Fragen zur britischen Krise.

Dominic Cummings, der Chefberater von Premierminister Boris Johnson, hat die konservative Regierung Grossbritanniens in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise gestürzt. Sie kommt zur absoluten Unzeit.

1) Was hat Johnsons Berater Dominic Cummings gemacht, dass jetzt alle so wütend sind?

Dominic Cummings, ehemaliger Chefstratege der Brexit-Kampagne und aktuell Chefberater von Premierminister Boris Johnson, war Ende März mit seiner Familie mehr als 400 Kilometer von London aus ins nordenglische Durham gereist. Während das ganze Land zum Hausarrest verdammt war, hatte Cummings mit seiner Privatreise gegen den Lockdown verstossen. Kam dazu, dass seine Frau schon vor der Fahrt offenbar an Covid-19-Symptomen litt und sich eigentlich in Selbstquarantäne hätte befinden müssen. Auch Cummings selbst infizierte sich laut seiner eigenen Darstellung. «Ich glaube nicht, dass ich die Regeln gebrochen habe», sagte er gestern. Er habe nur seinen Sohn zu dessen Tante in Sicherheit bringen wollen.

2) Welche Konsequenzen hat die Affäre für das Land?

Während Kabinettsmitglieder dem Chefstrategen ihre Loyalität zusicherten, forderten mehrere Tory-Abgeordnete Cummings’ Rücktritt. Führende Wissenschaftler sorgen sich um den Fortbestand des Coronalockdowns. Cummings sei mit seiner Reise quer durchs Land ein schlechtes Vorbild für die Briten. Die Nachahmungsgefahr sei gross. Auch die Öffentlichkeit ist wütend. Umfragen zufolge verlangen 52 Prozent der Briten Cummings’ Rücktritt. Die Affäre droht die eh schon angekratzte Glaubwürdigkeit der Regierung weiter zu untergraben.

3) Wieso hält Boris Johnsons trotz all dem an seinem Berater fest?

Boris Johnson, der selbst an Covid-19 erkrankt war und mehrere Tage auf einer Londoner Intensivstation verbracht hatte, verteidigte seinen Chefberater mit dem Argument, dieser habe ja «nicht etwa eine Geliebte besucht» – eine Anspielung auf einen Wissenschaftler des berühmten Imperial College, der wegen zweier illegaler Besuche seiner Freundin im Lockdown seinen Sitz im Wissenschaftsrat der Regierung aufgeben musste. Johnson sagte, Cummings habe integer gehandelt und gemacht, was jeder Vater machen würde, der um die Betreuung seines Kindes fürchte.

4) Wie hart trifft die Coronapandemie Grossbritannien?

Grossbritannien hat erst spät auf die Pandemie reagiert und hat von allen europäischen Ländern am meisten Tote zu beklagen. 36793 Briten sind an Covid-19 verstorben, 259559 haben sich infiziert (Stand Montagabend). Nach wie vor gibt es täglich mehr als Tausend Neuinfektionen. Laut der britischen Denkfabrik Resolution Foundation ist die Wirtschaftsleistung alleine im April um einen Fünftel eingebrochen. Seit Mitte März haben sich mehr als zwei Millionen Briten als arbeitslos gemeldet.

5) Wie will das Land aus der Coronakrise rausfinden?

Die eigenen vier Wände dürfen nur für Arzt- und Apothekenbesuche, dringende Einkäufe sowie eine Stunde Sport täglich verlassen werden. Die Regierung will den Lockdown aus Angst vor einer zweiten Ansteckungswelle vorerst nur langsam lockern. Eine Kabinettssitzung, bei der die Minister über weitere Schritte hätten beraten wollen, wurde gestern kurzfristig verschoben.

6) Welche Probleme kommen jetzt auf Grossbritannien zu?

Die Regierung hat ein grosses Vertrauensproblem. Anders als etwa in der Schweiz oder in Deutschland, wo die Zustimmung für den Coronakurs der Regierung gross ist, vertrauen die Briten ihren politischen Führern nicht wirklich. So will laut Umfragen rund die Hälfte ihre Kinder nicht – wie es die Regierung vorsieht – ab kommender Woche wieder in die Schule schicken. Das Misstrauen mitverursacht hat die unklare Kommunikation der Regierung. Ein anderes Beispiel für das britische Misstrauen: Die Empfehlung zum Tragen von Gesichtsschutz wird in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln nur sehr eingeschränkt befolgt.

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