In Gefängniszelle verbrannter Syrer

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Polizisten aus Kleve

Im Fall des verstorbenen Syrers Amad A. ist ein brisanter Vermerk aufgetaucht, der einen Polizisten aus Kleve belastet. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.

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Brand in Zelle 143 in der Klever Justizvollzugsanstalt
Markus van Offern (mvo)/ imago/Markus van Offern

Im Fall des syrischen Flüchtlings Amad A., der im Herbst 2018 nach einem Brand in einer Gefängniszelle in Kleve starb, hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen einen Polizisten eingeleitet. Das hat die Staatsanwaltschaft dem SPIEGEL bestätigt. Hintergrund ist ein brisanter Vermerk, der in der vergangenen Woche aufgetaucht war.

Amad A. wurde am 6. Juli 2018 festgenommen, die Behörden hatten ihn allerdings mit dem tatsächlich gesuchten Amed G. aus Mali verwechselt und zu Unrecht inhaftiert. Nach einem Brand in Amad A.s Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve erlag er Ende September 2018 seinen Verletzungen. 

Seit rund eineinhalb Jahren versucht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag aufzuklären, wie es zu der Verwechslung kam. Konkrete Belege, wonach Amad A.s Inhaftierung auf ein bewusst falsches Handeln der Behörden zurückzuführen ist, gab es bislang nicht. Nun liegt allerdings ein Dokument vor, das auf ein vorsätzliches Agieren hindeuten könnte. 

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte 2015 eine Anklage gegen Amed G. erhoben. Am 27. Juli 2018, rund drei Wochen nach Amad A.s Verhaftung, wies eine Staatsanwältin aus Braunschweig die Polizei Kleve in einem Telefonat auf die Verwechslung hin. Das geht aus einem entsprechenden Vermerk hervor, der damals von der Staatsanwältin angefertigt wurde. Das Dokument liegt dem SPIEGEL vor, der "Kölner Stadtanzeiger" hat zuerst darüber berichtet. 

"Nicht identisch"

Die Person, die in Kleve verhaftet wurde, sei "nicht identisch mit der Person Amed G., die in diesem Verfahren angeklagt ist", schrieb die Staatsanwältin. Die Worte "nicht identisch" sind unterstrichen. Die verhaftete Person sei laut der Polizei Kleve arabischer Herkunft, heißt es weiter, Amed G. stamme aber aus Subsahara-Afrika. Laut der Staatsanwältin habe sie den Polizisten G. in Kleve über den Sachverhalt informiert, auch die Telefonnummer des Beamten ist in dem Vermerk angegeben.

Doch offenbar hatte diese Information keine Konsequenzen.

Amad A. saß danach noch mehrere Wochen in Haft, bevor es schließlich zu dem Brand in seiner Zelle kam. Der Polizist G. bearbeitete im Sommer 2018 die Strafanzeige, die zu Amad A.s Inhaftierung führte. Am 26. November 2019 hatte der Kripo-Beamte G. im Untersuchungsausschuss als Zeuge ausgesagt, den Anruf der Staatsanwältin aus Braunschweig hatte er dabei nicht erwähnt.

"Eine völlig neue Dimension"

Auf Anfrage teilt die Staatsanwaltschaft Kleve mit, dass im Zusammenhang mit den neuen Erkenntnissen ein Ermittlungsverfahren gegen einen Polizeibeamten "wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung" eingeleitet worden sei. Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei diesem Beamten um den Polizisten G. handelt.  

Die Landtagsfraktionen von CDU und FDP sollen für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss bereits einen neuen Beweisantrag gestellt haben, das berichtet der "Kölner Stadtanzeiger". Die Staatsanwältin aus Braunschweig soll vernommen werden, der Polizist G. soll ein zweites Mal im Landtag aussagen.   

"Das ist ohnehin schon ein schlimmer Albtraum, zu Unrecht inhaftiert zu sein", sagt Sven Wolf, Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss. "Aber jetzt steht auch noch der Verdacht im Raum, dass ein Polizeibeamter darauf hingewiesen wurde, dass der Falsche in Haft sitzt." Der Fall bekomme nun "eine völlig neue Dimension".

Icon: Der Spiegel