Corona-Affäre in Großbritannien: Boris Johnson steht schwer unter Druck 

Eklat um Chefberater

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Premier Boris Johnson verteidigt seinen Chefberater Dominic Cummings, der gegen Pandemie-Maßnahmen verstoßen haben soll. Nun haben beide mächtig Ärger.

London - In Großbritannien ticken die Uhren ein wenig anders. Das weiß man nicht erst seit dem Brexit. Auch in der Corona-Krise läuft auf der Insel manches ein wenig anders als im Rest der Welt. So musste vor wenigen Wochen der Wissenschaftler Neil Ferguson seinen Posten als Regierungsberater aufgegeben. Und warum? Weil der Epidemiologe die Regeln zur Eindämmung der Pandemie missachtet hatte.

Großbritannien: Wissenschaftler verstößt gegen Corona-Regeln 

Das war schon ein wenig erstaunlich, immerhin leitete Ferguson die Gruppe von Wissenschaftlern am Imperial College in London, deren Berechnungen die Regierung um Boris Johnson dazu veranlasst hatte, strenge Abstandsregeln, Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkzungen einzuführen.

Trotzdem setzte Ferguson seine Affäre mit einer 38-Jährigen fort, die ihn gleich mehrfach besucht haben soll. „Ich habe in dem Glauben gehandelt, dass ich immun bin“, so Ferguson. Das allerdings war er nicht. Er wurde positiv auf das Virus getestet und hat sich dann zwei Wochen in Isolation begeben.

Chefberater Dominic Cummings hält sich nicht an Ausgangsbeschränkungen 

Und nun ist Dominic Cummings an der Reihe. Dem Chefberater von Boris Johnson wird vorgeworfen, mit einer Reise von London zu Familienangehörigen ins rund 430 Kilometer entfernte Durham Ende März ebenfalls gegen die Ausgangsbeschränkungen verstoßen zu haben.  Der Wahlkampfstratege gilt als eine Art Strippenzieher in der Regierung, der hochintelligent und zugleich unberechenbar ist.

Die Aufregung ist entsprechend groß. so fürchtet die Polizei Folgen für ihre Arbeit: Cummings habe durch sein Verhalten die Durchsetzung der Pandemie-Maßnahmen zum Gespött gemacht, sagte ein Vertreter der Polizei in der südenglischen Grafschaft Gloucestershire. Derweil twitterte der Mediziner Dominic Pimenta ein Foto von sich in voller Schutzausrüstung und schrieb: „Wenn er (Cummings) nicht aus dem Dienst ausscheidet, dann mache ich das.“ 

Boris Johnson stärkt Cummings den Rücken

Cummings gab als Grund für seine Reise an, er habe keine andere Möglichkeit gehabt, die Betreuung seines vier Jahre alten Sohnes sicherzustellen. Er habe für die Betreuung seines Kindes sorgen wollen, weil seine Frau an Covid-19 erkrankt gewesen sei und er selbst auch mit einer Ansteckung habe rechnen müssen.

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Dominic Cummings soll trotz des Lockdowns mehr als 400 Kilometer zu seinen Eltern gereist sein, als er an Covid-19-Symptomen litt.© picture alliance/dpa/Aaron Chown

Boris Johnson selbst hat Cummings bisher den Rücken gestärkt. Cummings sei „den Instinkten eines jeden Vaters gefolgt“, sagte Johnson. Dafür könne er ihn nicht an den Pranger stellen. Nach den Worten Johnsons hat sein Chefberater „in jeder Hinsicht verantwortlich, legal und mit Integrität“ gehandelt.

Boris Johnson gerät nun selbst unter Druck

Doch nach dieser Rückendeckung gerät Johnson nun selbst immer mehr unter Druck. Außer der Opposition forderten inzwischen über ein Dutzend Parlamentarier aus Johnsons Konservativer Partei sowie Kirchenvertreter und Ärzte den Rücktritt Cummings. Der Premier behandle die Menschen „wie Trottel“ und „ohne Respekt“, twitterte der Bischof von Leeds, Nicholas Baines. Außer ihm kritisierten noch viele andere Geistliche der Kirche von England Johnsons und Cummings Verhalten. 

Die Zeitung „Daily Mail“ titelte am Montag zu Bildern von Johnson und Cummings: „Auf welchem Planeten leben die eigentlich?“ Der Chef der Oppositionspartei Labour, Keir Starmer, sagte der BBC: „Das war ein großer Test für den Premierminister und er ist gerade durchgefallen.“

Auch in der Tory-Partei bröckelt die Unterstützung. Der frühere Staatssekretär Paul Maynard nannte das Verhalten des Chefberaters „völlig unhaltbar“. Der Abgeordnete David Warburton sagte im BBC-Interview am Montag, Cummings „schädigt die Regierung und das Land“. 

cs mit Agenturen

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