Burgtheater widmet sich 2020/21 der "Politik der Körper"

Trotz aller Unsicherheiten hat man am Burgtheater Pläne für 2020/21 geschmiedet und sie heute der Presse vorgestellt. "Ich hoffe, dass die Zeit für uns arbeitet und dass wir im Herbst anfangen können zu spielen, mit möglichst wenig Einschränkungen", sagte Martin Kusej bei einem Pressegespräch im Kasino. Eröffnet werden soll am 11. September im Burgtheater mit Calderons "Das Leben ist ein Traum".

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Die ursprünglich vorgesehene Eröffnungspremiere "Maria Stuart" hätte heuer bei den Salzburger Festspielen herauskommen sollen. "Das war unter diesen Umständen nicht zu machen, das hätte man im April auf keinen Fall proben können. Deshalb habe ich rasch das Ruder umwerfen müssen", so der Burgtheaterdirektor, der nun mit seinen Schauspielern und dem Team "wie im Fußball" kleine Einheiten bilden möchte, die jeweils im Pool getestet werden. "Wir versuchen Eigenverantwortung ernst zu nehmen. Und küssen kann man dann auch im Herbst proben."

"Das Leben ist ein Traum" thematisiere Fragen der Freiheit und passe auf unsere Zeit - "wiewohl ich ungern behaupte, wir würden extra einen Corona-Spielplan gemacht haben. Im Theater sollte man im Grunde für jede Krise gewappnet sein. Daher ist vieles ohne eine Ahnung von der Krise geplant worden und passt natürlich trotzdem." Die Eröffnung nannte Kusej die "Flagship-Produktion zu der Frage 'Politik der Körper'. Das ist quasi die Überschrift über dem Spielplan."

Die Frage des politischen Zugriffs auf Körper findet sich in zahlreichen weiteren Stücken. Der Österreicher Thomas Köck stellt in "antigone. ein requiem", mit dem am 12. September im Akademietheater gestartet werden soll, Antigone in eine andere politische Situation. "Es werden zahllose tote Körper an den Strand von Theben angespült. Antigone schleppt die Toten in die Stadt und fordert die Verantwortung ein", schilderte die stellvertretende künstlerische Direktorin Alexandra Althoff. In "Das Himmelszelt" von Lucy Kirkwood (Kusej: "Ein spannender, gut gebauter Krimi für 14 Frauenrollen, angesiedelt irgendwo zwischen 'Die zwölf Geschworenen" und 'Hexenjagd' von Arthur Miller.") geht es um den Körper einer jungen Mörderin, in "Die Troerinnen" des Euripides "wird über die Körper der trojanischen Frauen verhandelt. Der Krieg geht weiter, das Schlachtfeld sind die Körper der Frauen", sagte Althoff und rühmte die Australierin Adena Jacobs, die erstmals in Kontinental-Europa inszeniert, "für ihre ungewöhnliche, bildmächtige Fortschreibungen antiker Stücke mit dezidiert feministischem Zugriff".

Jacobs zählt neben David Kramer (wirft "einen faszinierenden Blick" auf Maeterlincks Vorlage zur Oper "Pelleas und Melisande"), Antonio Latella (inszeniert Oscar Wildes "Bunbury"), Lucia Bihler (bringt einen "unkonventionellen Zugriff" auf Thomas Bernhards "Die Jagdgesellschaft") und dem Hamburger Trio "Kommando Himmelfahrt" (inszeniert "Die Zauberflöte" als "geistreiches Unterhaltungstheater mit Musik eher auf Rock'n'Roll Ebene") zu den Neuzugängen bei den Regiekräften. Insgesamt arbeiten in der nächsten Saison Regisseurinnen und Regisseure aus 14 Ländern am Burgtheater. Die in der ersten Saison stolz ausgestellte Vielsprachigkeit sei, was die Bühnensprachen angehe, "für die nächste Spielzeit ein bisschen in den Hintergrund geraten", aber bei der Probenarbeit sehr präsent, sagte Kusej: "Der Spirit dieser Idee ist erhalten geblieben."

Mit sechs Uraufführungen und zehn Erstaufführungen im Spielplan sei zeitgenössisches Theater weiterhin eine wichtige Säule des Burgtheaters, betonte Kusej. So habe die Theaterszene zehn Jahre auf das neue Stück von Rainald Goetz gewartet. Dieses "schildert die planmäßige Abschaffung der demokratischen Grundrechte bei der ersten großen Krise des 21. Jahrhunderts", nämlich nach 9/11: Robert Borgmann wird gegen Ende der Saison "Reich des Todes. Politische Theorie" im Akademietheater inszenieren.

"Eine besonders spannende Kombination aus Autor und Regisseur" ist Kusej bei einem weiteren neuen Stück gelungen: Frank Castorf inszeniert Peter Handkes "Zdenek Adamec". "Das sind nun wirklich zwei Widerspenstige", schmunzelte der Direktor, der sich "eine ganz besondere Kombination" erwartet. Falls das Stück nicht wie ursprünglich geplant in Salzburg heuer uraufgeführt wird, müsse man den Wiener Termin eventuell überdenken, so Kusej - denn das Burgtheater sei nach Salzburg die Nummer zwei, und von Frank Castorf sei ja wohl nicht wirklich eine werkgetreue Uraufführung zu erwarten...

Viele Regisseurinnen und Regisseure kommen wieder - von Mateja Koleznik (inszeniert "Fräulein Julie") über Johan Simons (mit Shakespeares "Richard II.") bis zu Simon Stone. Der Australier hat "seinen Gorki-Plan aus dieser Spielzeit umgeworfen ('Die Letzten', Anm.), hin zu einem neuen Gorki, der brandaktuell ist", sagte Althoff. "Kinder der Sonne" beschäftigt sich mit Cholera-Aufständen von Anfang des 18. Jahrhunderts rund um Verschwörungstheorien und Revolten gegen die Herrschenden. "Die Parallelen zur Coronakrise sind natürlich nicht zufällig."

Insgesamt acht Produktionen, die heuer aufgrund der Corona-bedingten Schließungen nicht gezeigt werden konnten, sollen nachgeholt werden. "Wir haben unsere erste Spielzeit jäh unterbrechen müssen, ich glaube, dass wir einen sehr guten Start hingelegt haben", sagte Kusej und nannte eine 80,4 prozentige Gesamtauslastung für 2019/20. "Ich bin froh, dass wir mit der Kurzarbeit allen Menschen eine gewisse Perspektive geben konnten. Ich merke, dass alle 540 Leute am Haus darauf brennen, dass wir spielen können."

Die neue Situation werde wohl schwierig, "aber wir werden lernen müssen, damit umzugehen". Um dem Publikum, das im Herbst vielleicht noch eine gewisse Scheu vor Theaterbesuchen haben könnte, Mut zu machen, werde er sich gerne auch selbst immer wieder unter die Zuschauer setzen. "Klar würde ich das machen. Ich persönlich hab überhaupt keine Angst. Manchmal muss der Käpt'n an Bord bleiben, wenn das Schiff untergeht." Dass es dazu aber nicht kommt, dafür sollen auch dringend notwendige Budgetverhandlungen sorgen. Denn die finanzielle Situation des Hauses, das stellte der Direktor klar, sei auch schon vor Corona alles andere als rosig gewesen.

(S E R V I C E - )