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Der Mund- und Nasenschutz war vor allem im März und April ein sehr knappes Gut.© David Gannon/afp
Corona

Cash dank Corona

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Die Pandemie produziert viele Verlierer, aber es gibt auch Profiteure – Produzenten krisenwichtiger Güter oder findige Börsenspekulanten. Und auch in der Halb- und Unterwelt läuft das Geschäft.

Es gibt Gesetzmäßigkeiten, die sich in jeder Krise wiederholen. Zum Beispiel die, dass viele verlieren, wenige gewinnen. Die Corona-Krise ist da keine Ausnahme. Allerdings treten beide Effekte schneller und heftiger als bei früheren Krisen auf. Während Millionen Menschen um ihre Gesundheit oder wirtschaftliche Existenz bangen, können einige wenige ihr Glück kaum fassen. Manche haben es sich erarbeitet, anderen helfen nach – und andere nutzen die Situation schamlos aus. Ein Überblick über die Gewinner der Krise.

Die Lebensretter

Manche Unternehmen profitieren von der Krise, weil sie Produkte herstellen, die in Pandemiezeiten besonders dringend benötigt werden und mitunter sogar Leben retten. Dagegen ist nichts zu sagen. Der Lübecker Medizintechnik-Produzent Drägerwerk etwa gehört zu dieser Gruppe, ein weltweit führender Hersteller von Beatmungsgeräten für die Intensiv- und Notfallmedizin. Seit Beginn der Corona-Krise kann sich das Unternehmen vor Bestellungen kaum retten, der Auftragseingang hat sich mehr als verdoppelt. Auch an der Börse ging es steil nach oben: Von gut 50 Euro Anfang des Jahres verdoppelte sich der Aktienkurs auf zeitweilig über 100 Euro. Inzwischen wird das Papier für etwa 70 Euro gehandelt.

Auch Pharma-Unternehmen gehören zu den Gewinnern. Der US-Konzern Gilead, ein führender Anbieter von Aids-Medikamenten, produziert den Wirkstoff Remdesivir, der bei Corona-Patienten ausweislich erster Studien lindernd wirken könnte. Gilead ist an der Börse inzwischen mehr wert als das Dax-Schwergewicht Siemens. Das liegt an den Produkten, es liegt aber auch daran, dass das Unternehmen bei der Preisgestaltung seiner Medikamente nicht gerade zimperlich vorgeht. Gilead hatte vor Jahren Schlagzeilen gemacht, weil es ein Hepatitis-C-Medikament für 1000 Dollar pro Tablette vermarktete. Auch der Wirkstoff Remdesivir hatte ursprünglich gegen Hepatitis C und dann gegen Ebola helfen sollen, was beides nur leidlich funktionierte. Dass das Medikament nun gegen Corona helfen könnte, ist im Grunde Zufall – dürfte den Patienten aber egal sein. Und den Aktionären auch.

Die Tech-Nerds

Die Kontaktbeschränkungen in der Krise haben der Digitalisierung einen kräftigen Schub verliehen. Kaum ein Unternehmen hat davon so sehr profitiert wie die Softwarefirma „Zoom“, die eine Plattform für digitale Konferenzen anbietet. Freunde und Familien verwenden Zoom zum Kontakthalten; Unternehmen nutzen den Dienst, um ihre Mitarbeiter im Homeoffice miteinander zu verbinden. Zehn Millionen Nutzer hatte Zoom im Dezember vergangenen Jahres, inzwischen sind es mehr als 200 Millionen. Unternehmensgründer Eric Yuan konnte sein Vermögen in dieser Zeit auf mehr als sieben Milliarden Euro verdoppeln.

Yuan mag der größte Profiteur der Krise sein, aber auch andere Online-Unternehmen haben einen regelrechten Boom erlebt. Facebook legte an der Börse um 60 Prozent zu, Netflix um 46, Amazon um 45 und Appel um 31 Prozent. Die Besitzer der Tech-Firmen sind ein ganzes Stück reicher geworden. Amazon-Chef Jeff Bezos gewann rund 35 Milliarden Dollar hinzu, Facebook-Chef Mark Zuckerberg 25 Milliarden. Auch Ex-Microsoft-Chef Steve Ballmer und Oracle-Chef Larry Ellison profitierten kräftig. Laut einer Berechnung des Magazins „Forbes“ wuchs das Vermögen der 600 reichsten Amerikaner zwischen dem 18. März und dem 19. Mai um insgesamt 434 Mrd. Dollar, was einem Plus von fast 15 Prozent entspricht. Zeitgleich verloren fast 39 Millionen Amerikaner wegen der Krise ihren Job.

Die Schnäppchenjäger  

Auf den ersten Blick sieht es nicht so aus, als gäbe es an den Finanzmärkten viele Gewinner der Corona-Krise. Die Börsenkurse stürzten mit Beginn der Pandemie regelrecht ab, laut einer Berechnung des „Handelsblatts“ wurden im März 19 Billionen Euro Börsenwert vernichtet. Mit dem Geld ließe sich die deutsche Staatsverschuldung ganze zehn Mal begleichen. Seit dem Crash geht es aber wieder steil bergauf. Im Vergleich zu seinem Tiefststand am 16. März hat der Deutsche Aktienindex Dax wieder gut 3000 Punkte zugelegt und dotiert derzeit deutlich oberhalb der Marke von 11.000 Punkten. Selbst Kleinanleger, die Mitte März zugegriffen haben, konnten viel Geld verdienen. Die richtig großen Gewinne aber warten auf diejenigen, die genügend Kapital, Risikobereitschaft und den entsprechen Riecher mitbringen, um in der Krise zum Schnäppchenpreis bei notleidenden Unternehmen einzusteigen.

Der saudische Staatsfonds PIF etwa hat bereits im großen Stil in westliche Firmen investiert; Boeing, BP, die Citigroup, selbst Disney und Facebook waren den Saudis einen Einstieg wert. Auch China und andere staatliche Vermögensverwalter sind auf der Jagd nach Unternehmensschnäppchen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier beobachtet die Entwicklung mit wachsender Sorge und hat potenzielle Investoren bereits mit markigen Worten gewarnt: „Germany is not for sale.“

Die Halsabschneider

Es ist ein eiserner Grundsatz der Marktwirtschaft: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Wird ein gefragtes Produkt knapp, wird es teurer – bisweilen um ein Vielfaches seines Herstellungswertes. Zum Beispiel Toilettenpapier. Findige Geschäftemacher verschärften den Effekt noch. Sie kauften großen Posten auf und boten sie im Internet für den zehnfachen Preis an. Bei Trockenhefe und Säuglingsnahrung gab es ein ähnliches Phänomen. Bei Schutzmasken und Desinfektionsmitteln trieben skrupellose Geschäftemacher die Entwicklung auf die Spitze. Sie waren zeitweise so gefragt, dass sich die Meldungen von Diebstählen aus Krankenhausdepots häuften. Grundsätzlich gilt, dass Wuchergeschäfte sittenwidrig und damit nichtig sind. Wo genau die Grenze zwischen teuer und Wucher verläuft, ist nicht ganz leicht zu bestimmen. Als Faustformel gilt der doppelte Preis des Üblichen.

Inzwischen hat die Angebots- und Nachfragesituation bei den meisten Alltagsprodukten stabilisiert, aber windige Händler haben längst neue Betätigungsfelder gefunden. Inzwischen bieten sie im Netz Nahrungsergänzungsmittel als Corona-Vorbeugekuren an.

Die Kriminellen

Klassische Delikte wie etwa Wohnungseinbrüche sind in der Krise zurückgegangen – schon allein, weil die Menschen häufiger zu Hause sind. Das heißt allerdings nicht, dass es auch weniger Kriminalität gab. Einige Vertreter der Unterwelt haben sich erstaunlich schnell an die „aktuelle Situation“ angepasst – und versucht, sich die Angst und Unsicherheit der Menschen zu Nutze zu machen.

So ist etwa eine neue Art des so genannten Enkeltricks aufgetaucht, mit der Kriminelle vor allem ältere Menschen in die Falle locken. Am Telefon geben sie sich als Angehörige aus und behaupten, dass Sie mit dem Virus infiziert seien und Geld für die Behandlung benötigten. Auch Betreiber von Fake-Shops, also gefälschten Online-Plattformen, haben die Angst der Menschen vor allem zu Beginn der Krise ausgenutzt. Über das Internet boten sie im Handel vergriffene Artikel wie Atemschutzmasken oder Desinfektionsmittel an, kassierten den Kaufpreis, lieferten die Ware aber nie.

Selbst die Bundesregierung und einige Landesregierungen sind solchen Betrügern schon auf den Leim gegangen. Nordrhein-Westfalen etwa bestellte über einen Zwischenhändler für fast 15 Millionen Euro Schutzmasken in Asien – die nie eintrafen. Der Bundesregierung sollen im März sechs Millionen Masken auf einem Flughafen in Kenia abhandengekommen sein – wobei sich später herausstellte, dass es die Masken offenbar nie gegeben hat. Glück im Unglück: Der Bund hatte die Masken noch nicht bezahlt. Auch Nordrhein-Westfalen bekam sein Geld zurück.