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25.05.2020 | 18:00 Uhr | Update

Verwaltungsgerichte uneins bei Urteilen zu Gesundheitsbestätigung

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Wer sein Kind in Sachsen in die Grundschule bringen möchte, muss derzeit eine Gesundheitsbestätigung unterschreiben. Damit erklären die Eltern, dass ihre Kinder und sie selbst keine Krankheitssymptome zeigen. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat diese verpflichtende Unterschrift für einen Vater für unverhältnismäßig erklärt. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hingegen schätzt die Unterschriftsabgaben für zumutbar ein und hat einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat den Antrag einer Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen. Die Abgabe der Gesundheitsbestätigung sei für die Antragstellerin "ohne weiteres zumutbar", hieß es zur Begründung. Die Frau hatte beantragt, dass ihr Sohn auch ohne Gesundheitsbestätigung weiterhin den Schulunterricht besuchen darf.

Entgegen der von dieser [der Klägerin, Anm. d. Red.] offenbar vertretenen Auffassung, werden von ihr keine ärztlichen Kenntnisse, sondern bei lebensnaher Betrachtungsweise lediglich die Bestätigung verlangt, dass ihr Kind und die im Hausstand lebenden Personen nach ihrer subjektiven Wahrnehmung symptomfrei sind.Verwaltungsgericht Chemnitz

Die Frau hatte außerdem gegen die bestehende Allgemeinverfügung zur Umsetzung der Corona-Maßnahmen geklagt. Das Gericht verwies darauf, dass die vorgebrachten Argumente nicht ausreichend seien und eine offensichtliche Rechtswidrigkeit nicht erkennbar sei. "Insbesondere erachtet die Kammer die in Rede stehende Verfügung auch – zumindest gegenwärtig – als verhältnismäßig", hieß es dazu.

Verwaltungsgericht Leipzig: Gesundheitsbestätigung unverhältnismäßig

Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte zuvor die Gesundheitsbestätigung, die Eltern in Grundschulen unterschreiben sollen, für unverhältnismäßig erklärt. Nach Ansicht des Gerichts ist die betreffende Regelung weder erforderlich noch angemessen, um die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern.

Der Vater eines Grundschülers hatte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht in Leipzig geltend gemacht, weil er die Regelung für "sinnfrei und völlig ungeeignet" erachtete, Infektionen zu verhindern. Außerdem werde sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

Gericht sieht Eingriff in Grundrechte

Das Gericht gab dem Vater Recht und erklärte, die geforderte Gesundheitsbestätigung könne ein täglicher Eingriff in die Grundrechte des Vaters sein. Neben der informationellen Selbstbestimmung sei auch die allgemeine Handlungsfreiheit betroffen.

Um die Eltern zu sensibilisieren und zur Mitwirkung zu bewegen, ist es laut Gericht ausreichend, sie engmaschig und eindringlich über die typischen Symptome zu belehren und ihnen mitzuteilen, dass sie verpflichtet seien, ihr Kind bei Vorliegen solcher Symptome im Hausstand nicht in die Einrichtung zu bringen. Dies habe deutlich geringere Auswirkungen auf die Eltern als die Verpflichtung, täglich über die Gesundheit der Familie Auskunft geben zu müssen.

Ministerium will Entscheidung anfechten

Was die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nun für die Grundschulen, aber auch für die Kitas, in denen die Gesundheitsbestätigung auch Pflicht ist, bedeutet, ist noch völlig unklar. Das Gericht hat in seinem Urteil lediglich darauf verwiesen, dass es aufgrund der Gewaltenteilung nicht selbst eine Regelung festlegen könne, sondern dass das Aufgabe des sächsischen Sozialministeriums sei. Die Landesregierung wiederum hat ihrerseits erklärt, der Beschluss gelte nur für den entsprechenden Einzelfall des klagenden Vaters. Man werde ihn zudem anfechten und Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

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Erstmal bleibt alles beim Alten: Die Gesundheitsbestätigung ist Pflicht in allen Grundschulen und Kitas in Sachsen.Bildrechte: imago images/Belga

Diskussion um Gesundheitsbestätigung auch im Netz

Seitdem bekannt ist, dass alle Eltern in Kitas und Grundschulen täglich eine Gesundheitsbestätigung unterschreiben müssen, wird auch in den Sozialen Netzwerken darüber diskutiert. Dort steht allerdings nicht nur die zu leistende Unterschrift an sich in der Kritik, sondern auch die "Androhung" einer Inobhutnahme durch das Jugendamt.

Auslöser dieser Debatte war ein Elternbrief des Kultusministers, in dem darauf hingewiesen wird, dass ein Kind, das keine Gesundheitsbestätigung in der Schule vorlegt, von den Eltern abgeholt werden muss. Kommen Eltern dem nicht nach, sei "die Schule in letzter Konsequenz verpflichtet, das Ordnungsamt einzuschalten - bis hin zu einer Inobhutnahme ihres Kindes".

Auch auf der Internetseite des Ministeriums heißt es: "Das wiederholte Fehlen der Unterschrift kann unter Umständen auch ein Signal für häusliche Probleme, ggf. sogar eine Vernachlässigung sein, das heißt: der andauernden oder wiederholten Unterlassung fürsorglichen Handelns. In solchen Fällen kann in letzter Konsequenz gemäß § 50a Abs. 1 SächsSchulG die Einschaltung des Jugendamtes erfolgen."

Landeselternrat: Drohung mit Ordnungs- oder Jugendamt weder angemessen noch zielführend

Der sächsische Landeselternrat hält die "Drohung mit Ordnungs- oder Jugendamt weder für angemessen noch für zielführend" und lehnt die Gesundheitsbestätigung grundsätzlich ab. Es sei kein Mehrwert ersichtlich und den Familien werde dadurch nur noch zusätzlicher Druck gemacht, insbesondere durch derartige Formulierungen "bringt man die Menschen erst Recht gegen Politiker und Verwaltung auf", so die stellvertretende Vorsitzende Nadine Eichhorn.

Die Begründung des Ministeriums, die Eltern sollten durch die täglich zu leistende Unterschrift sensibilisiert werden, besonders auf ihre Kinder und etwaige Symptome zu achten, unterstelle zudem, dass die Eltern sonst weniger darauf achten würden.

Kultusministerium: Formulierung war "nicht glücklich"

Das Kultusministerium erklärte auf Nachfrage von MDR SACHSEN, der Begriff "Inobhutnahme" habe Irritationen hervorgerufen. Er sei "nicht glücklich gewählt" worden und man habe den Begriff nun geändert. Wenn kontinuierlich keine Unterschrift erfolge, werde nicht automatisch eine Kindswohlgefährdung vermutet, heißt es zudem aus dem Ministerium. Aber wenn, trotz mehrerer Gespräche zwischen Kitas/Grundschule und den Eltern, weiterhin keine Unterschrift vorgelegt werde, könne das Kind nicht in die Kita oder Grundschule aufgenommen werden.

Das Kultusministerium verwies noch einmal darauf, dass die Gesundheitsbestätigung keinerlei Konsequenzen für die Eltern habe. Man könne verstehen, dass sich einige Eltern Sorgen machten, wenn sie eine Unterschrift leisten müssten, aber es gehe dabei nicht um Haftungsfragen.

Die Bestätigung habe lediglich zwei Funktionen: Zum einen diene sie der Information der Einrichtung - das Kind ist gesund und kann aufgenommen werden. Zum anderen habe die Bestätigung auch eine Erinnerungsfunktion für die Eltern. Sie sollen ihr Kind beobachten - zeigt es Krankheitssymptome (erhöhte Temperatur, Halsschmerzen, Husten oder Schnupfen), sollte der Kinderarzt aufgesucht werden.

Es geht darum, nach besten Wissen und Gewissen zu handeln – nicht mehr und nicht weniger.Sächsisches Kultusministerium
Warum müssen eigentlich nur Eltern von Kita-Kindern und Grundschülern eine Gesundheitsbestätigung unterschreiben?
... weil bei den weiterführenden Schulen (ab Klasse 5) ein anderes Schutzkonzept greift. Dort setzt das Kultusministerium unter anderem auf Abstandsregeln. Das geht in der Kita und Grundschule nicht.Sächsisches Kultusministerium

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Quelle: MDR/cnj/ms