Gebäudeleerstände: Hausbesetzer erneut aktiv

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So sah es vor einem Jahr an der besetzten Kaiserstraße 39 aus. © Foto: Archiv/Evelyn Rupprecht
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In der Nacht zum Montag hat die „Crew“ ihre Forderungen an der Kaiserstraße 41 auf einem Transparent erneut formuliert. © Foto: Privat

Es war ein Revival der besonderen Art: In der Nacht zum Montag ist die „Crew“, die vor genau einem Jahr das Gebäude in der Kaiserstraße 39 besetzt hat, wieder aktiv geworden. An fünf leerstehenden Häusern hat das „lokale Kollektiv“ in der Reutlinger Innenstadt Transparente aufgehängt.  Erklärtes Ziel der Gruppe: Günstigen Wohnraum für alle zu schaffen. Und zwar nicht etwa nur durch Neubauten, sondern auch dadurch, Gebäude, die ungenutzt sind wieder mit Leben zu füllen.

GWG in der Kritik

An der Kaiserstraße 41, an der Mauerstraße 9 und auf dem Heinzelmann-Areal hat die Gruppe dazu aufgerufen, „Leerstand zu besetzen und ihn zu erheben“. Auch an den vier ungenutzen Häusern am ZOB, genauer am Willy-Brandt-Platz 24 bis 28 und an der Eberhardstraße 2, hat die „Crew“ Plakate ausgerollt. Die Gruppe geht davon aus, dass die Häuser der GWG gehören, die sie schon im vergangenen Jahr für ihr Tun – oder genauer ihr Nicht-Tun – kritisiert hat.
„Diese Häuser könnten besetzt sein, sie sind Leerstand“ war auf den Transparenten zu lesen, die in der Nacht angebracht wurden und am Montag im Laufe des Tages auch schon wieder verschwunden waren. Einer Streifenwagenbesatzung waren die Plakate aufgefallen. „Und wir haben sie entfernen lassen“, so Polizeisprecher Christian Wörner auf Nachfrage unserer Zeitung. Eine Straftat sei es zwar nicht, was die „Crew“ da gemacht habe, aber komplett ad acta gelegt ist der Vorfall wohl bei der Polizei nicht. Zumindest wollte sich Wörner am Montag nicht näher dazu äußern.

Versprechen sind in Vergessenheit geraten

Einhergehend mit der Plakat-Aktion hat sich das Besetzer-Kollektiv in mehreren Pressemitteilungen zu Wort gemeldet. „Die vielverheißenden Versprechungen der GWG und mehrerer Gemeinderatsfraktionen während der  Besetzung scheinen in Vergessenheit geraten zu sein. Wir hoffen daher auf Unterstützung von unseren Mitmenschen, den Leerstandsmelder mit uns gemeinsam zu aktualisieren und  zu pflegen“, so eine Aktivistin. Bei dem Leerstandsmelder handelt es sich um ein Online-Angebot, das unter https://www.leerstandsmelder.de/tuebingen-reutlingen abrufbar ist. Vor allem, dass von Seiten der Verwaltung seit 2011 keine neuen Zahlen zum Leerstand in Reutlingen vorliegen würden, bedauert die „Crew“ und fordert erneut eine zeitnahe Erhebung.
Tatsächlich hatten sich die Kommunalpolitiker verschiedenster Fraktionen und auch Oberbürgermeister Thomas Keck im Mai und Juni 2019 in der besetzten Kaiserstraße 39 die Klinke in die Hand gegeben, um mit der „Crew“ zu sprechen. Sogar Treffen mit Vertretern der GWG und des „lokalen Kollektivs“ im Rathaus hatte es gegeben. Weil die Ergebnisse der Gespräche damals von der „Crew“ äußerst positiv bewertet worden waren, endete die Hausbesetzung dann auch friedlich und freiwillig. Vor allem auf die Zusicherung von Stadt und GWG, sich künftig für solidarisch-selbstverwaltete Wohnformen zu öffnen und sie zu ermöglichen, habe man sich damals verlassen, blicken die Aktivisten zurück.
 „Resümieren über die Versprechungen während der Hausbesetzung können wir heute leider nur, dass die Wohnraumproblematik vergangenes Jahr viel diskutiert wurde, wobei nahezu alle Parteien und Initiativen die Dringlichkeit einer Veränderung der Wohnraumpolitik eint. Weder der Gemeinderat, noch OB konnten jedoch mit praktischen Konsequenzen punkten“, meinen die Hausbesetzer und hoffen jetzt auf ein „Aufwachen der Stadtverwaltung und des Gemeinderates“.
Erst vor kurzem hatte Oberbürgermeister Thomas Keck in einem Gespräch mit unserer Zeitung betont, dass in Sachen Wohnraumschaffung dringender Handlungsbedarf besteht, dass der angestrebte Drittelmix aus sozialem, preisgünstigem und freiem Bauen allerdings so leicht nicht zu bewerkstelligen sein dürfte.  Die GWG sieht der Oberbürgermeister indes vor einem Neustart. Seit die Hausbesetzer in der Kaiserstraße im vergangenen Juni „den Finger in die Wunde gelegt“ hätten, sei klar, dass da vieles besser werden müsse, so Keck im April gegenüber unserer Zeitung. Dabei mahnte er an, dass die Reutlinger Wohnungsgesellschaft „schneller mehr Wohnungen bauen soll“.