R-Wert über kritischer Marke
Erste von drei Corona-Ampeln springt laut Kalayci auf Rot
Die aktuelle Lage in der Corona-Pandemie muss in Berlin wieder genauer beobachtet werden. Die erste der drei selbst auferlegten Corona-Ampeln steht nun auf Rot. Unklar bleibt allerdings weiterhin, wie der Senat den dahinterstehenden Wert berechnet.
Eine von drei sogenannten Corona-Ampeln zur Bewertung der Lage in Berlin ist auf Rot gesprungen. Die Reproduktionszahl (R) sei auf einen "recht hohen Wert" von 1,37 gestiegen und liege damit zum dritten Mal in Folge über dem kritischen Wert von 1,20, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. "Das kann tatsächlich ein Indiz dafür sein, ob es einen Trendwechsel gibt." Zunächst hatte darüber der "Tagesspiegel" berichtet.
Die Stadt hat sich selbst einen Grenzwert von 1,20 auferlegt - wenn dieser überboten wird, springt die Ampel zunächst auf Gelb, ab dem dritten Tag in Folge auf Rot. Die beiden weiteren Ampeln - für Neuinfektionen und Intensivbettenkapazität - seien aber derzeit deutlich vom Sprung auf Gelb oder Rot entfernt, betonte Kalayci zugleich.
Unklare Berechnung, abweichende Werte
Der vom Robert-Koch-Institut (RKI) geschätzte R-Wert müsse in den nächsten Tagen beobachtet werden, um zu klären, ob er sich in dieser Höhe verfestige oder ob es sich um eine statistische Schwankung handele, erläuterte die Senatorin.
Der R-Wert zeigt an, wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Er bezieht sich auf Infektionen vor 8 bis 13 Tagen. Bleibt der Wert länger stabil über 1, besteht die Gefahr eines wieder exponentiellen Anstiegs der Fallzahlen.
Wie genau der Senat seinen R-Wert berechnet, ist derweil nach wie vor unklar. Anfragen von rbb|24 - aber auch der "Berliner Morgenpost" - blieben bislang unbeantwortet. Kalayci sagte lediglich, dass das Robert-Koch-Institut diesen Wert für Berlin berechnet habe. rbb|24 kommt dagegen auf aktuelle Reproduktionszahlen unterhalb von 1.
Auch in den letzten Tagen lag der Wert demnach nie über 1,2. Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung kommt gemäß seiner Berechnung ebenfalls auf deutlich niedrigere Werte für die Zeit bis zum 21. Mai. Kalayci sagte dazu am Montag, dass der R-Wert nur eine Schätzung sei, die zudem auf älteren Infektionszahlen beruhe.
Zwei Corona-Ampeln stehen auf Grün
Dem neuen Ampelsystem zufolge besteht bei zwei roten Ampeln Handlungsbedarf, es könnten dann zum Beispiel wieder mehr Maßnahmen zur Eindämmung des neuen Virus verhängt werden. Bei zwei gelben Ampeln sieht die Politik Beratungsbedarf.
Für jeden Indikator wurden Werte festgelegt, ab wann die Ampel auf Gelb beziehungsweise Rot springt. Mit einem aktuellen Wert von etwa 5 Corona-Fällen pro 100.000 Einwohner liegt die Neuinfektions-Ampel momentan deutlich unter der Schwelle für Gelb (20 oder mehr) oder Rot (30 oder mehr). Ebenso bei der Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten: Dieser Wert liegt laut Kalayci bei 4,6 Prozent - für Gelb müssten es mindestens 15 Prozent sein, für Rot mindestens 25 Prozent.
Bislang keine Hotspots in Berlin
Berlin dürfe sich auf den derzeit niedrigen Infektionszahlen allerdings nicht ausruhen, mahnte Kalayci. Experten rechneten mit einer zweiten Welle. Es sei davon auszugehen, dass mit einer Zunahme der Kontakte - auch durch die Lockerungen - die Infektionszahlen wieder steigen könnten.
Besondere Infektions-Hotspots wie in manch anderen Bundesländern seien in Berlin derzeit nicht bekannt, sagte die Senatorin. Bei einer zweiten Welle werde eher die Gefahr gesehen, dass es in der Breite losgehe. Mit Ausnahme eines Flüchtlingsheims in Buch, wo vergangene Woche ein Ausbruch bekannt wurde, sei die Lage in diesen Unterkünften in Berlin ruhig. Sie würden engmaschig überwacht, ebenso Kliniken und Pflegeheime.
Sendung: Abendschau, 25.05.2020, 19:30 Uhr