Coronakrise

Japan hebt den Notstand auf und verdoppelt Coronahilfen

In Japan scheint das Virus unter Kontrolle zu sein: Ministerpräsident Abe öffnet das Land wieder und erhöht die Finanzhilfen auf 40 Prozent der Wirtschaftsleistung.

by
https://www.handelsblatt.com/images/blick-auf-tokyo/25858520/4-format2020.jpg
Blick auf Tokyo

Die japanische Metropole kehrt zügig zurück zur Normalität.(Foto: dpa)

Tokio. Japans Ministerpräsident Shinzo Abe hat am Montag einen Doppelschlag gegen die Coronakrise gestartet. Erst hob er am Abend den Corona-Notstand für die Insel Hokkaido und vor allem den Großraum Tokio mit seinen 35 Millionen Menschen auf.

Denn die Zahl der Neuinfektionen war nun auch in diesen Regionen auf unter wenige Dutzend pro Tag gesunken. Im Rest des Landes war der seit sieben Wochen bestehende Ausnahmezustand schon vorige Woche aufgehoben worden.

Dann kündigte der Regierungschef nur wenige Wochen nach einem ersten großen Konjunkturprogramm an, die finanziellen Coronahilfen auf 40 Prozent der japanischen Wirtschaftsleistung zu verdoppeln. „Wir werden eine überwältigende Summe investieren, um Arbeitsplätze und Unternehmen zu schützen“, sagte Abe in einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. Dabei ist Japan bereits mit einer Staatsverschuldung von 240 Prozent der Wirtschaftskraft das am höchsten verschuldete Industrieland der Welt.

Bereits am Mittwoch will das Kabinett einen neuen Nachtragshaushalt beschließen, der Japans Coronahilfen auf mehr als 200 Billionen Yen (1700 Milliarden Euro) nahezu verdoppelt. Schon das erste Programm belief sich auf rund 1000 Milliarden Euro.

Wichtige Details des zweiten Nachtragshaushalts wie die tatsächliche Neuverschuldung des Staats sind zwar noch offen. Aber Abe versprach, großen wie kleinen Unternehmen durch 1100 Milliarden Euro an direkten Hilfen, Lohn- und Mietszuschüssen sowie zinslosen Darlehen über finanzielle Engpässe hinwegzuhelfen.

Ökonomen sagen dem Land bisher trotz des ersten Konjunkturprogramms voraus, dass die Wirtschaft dieses Jahr ähnlich wie in Deutschland um mehr als sechs Prozent schrumpfen und sich die Arbeitslosenrate möglicherweise auf über vier Prozent verdoppeln wird.

Aber Abe versuchte, der Bevölkerung Mut zu machen, indem er auf Japans Erfolge im Kampf gegen das Coronavirus hinwies: „In nur eineinhalb Monaten konnten wir diese Epidemie fast unter Kontrolle bringen. Das zeigt die Kraft des japanischen Modells.“

Im Gegensatz zu Südkorea und Taiwan, die auf Hightech-Datenanalysen setzten, arbeiteten Japans Virenjäger mit traditionellen Methoden wie öffentlichen Befragungen nach Virenclustern. Nach anfänglichen Erfolgen schnellte die Zahl der Infizierten dann aber vor allem in den Metropolen in die Höhe. Als nächste Stufe wurden die Schulen geschlossen und Homeoffice zum Prinzip erhoben. Am 7. April rief die Regierung den Notstand aus.

Erfolg ohne Ausgangssperren 

Dabei vermied die Regierung harte Ausgangssperren, wie sie in vielen Ländern Europas stattfanden. Restaurants, Friseure und viele kleinere Geschäfte hatten weiterhin geöffnet, wenn auch meist mit verkürzten Öffnungszeiten. Und die Menschen wurden lediglich aufgerufen, ihre Sozialkontakte um 70 bis 80 Prozent zu senken.

Obwohl das Land anfänglich im internationalen Vergleich nur wenige Virentests durchführte, konnte es alle Ausbrüche des Virus in den Metropolen wieder unter Kontrolle bringen. Das lag nach Ansicht von Virologen auch daran, dass die japanische Bevölkerung ohnehin an das Tragen von Schutzmasken in der Öffentlichkeit gewohnt war.

Inzwischen könnte das Land rund 20.000 Menschen pro Tag testen, muss es aber offenbar nicht. Unter den sieben führenden Industrienationen ist Japan mit rund 16.500 Infizierten und fast 850 Toten das am geringsten betroffene Land.

Regierungschef Abe rief die Bevölkerung auf, einen „neuen Lebensstil“ zu entwickeln, der weiter auf soziale Distanz setzt. So will er einen Rückfall in den Notstand vermeiden. Auch ausländische Touristen, die die Wirtschaft bisher angekurbelt hatten, bleiben vorerst weiter ausgesperrt.

Dementsprechend düster ist die wirtschaftliche Stimmung im Land. Für das laufende Quartal wird ein Einbruch der Wirtschaft von annualisiert 20 bis 30 Prozent erwartet. „Selbst mit einer Erholung werden wir nicht wieder auf das gleiche Niveau wie vor der Krise zurückkehren“, unkte Yasuhide Yajima, Chefvolkswirt der Denkfabrik des Lebensversicherers Nissay noch vorige Woche. Abes neues Hilfsprogramm ist der Versuch, diese Einschätzung zu widerlegen.

Mehr: Das Japan-Paradox: Erfolge im Kampf gegen Corona helfen der Regierung nicht