Unicef–Vorsitzender im Gastbeitrag
Deutschland verletzt Kinderrechte
- Georg Graf Walderseeist Vorstandsvorsitzender von Unicef Deutschland. Sein Einsatz gilt dem zivilgesellschaftlichen Engagement für Kinder und deren Rechte.
- Er sagt: Die Corona-Pandemie macht eine Änderung des Grundgesetzes dringlicher denn je – im Interesse der ganzen Gesellschaft.
- Die aktuelle Situation führt eindringlich vor Augen: Es ist an der Zeit, den Bedürfnissen der Kinder und ihren besonderen Rechten deutlich mehr Aufmerksamkeit und Nachdruck zu verschaffen – nicht nur in der gegenwärtigen Krise.
- Denn wer, wenn nicht unsere Kinder, ist wirklich systemrelevant?
Die Covid-19-Pandemie ist mehr als eine Gesundheitskrise. Sie ist auch eine soziale und eine Bildungskrise – und sie betrifft in besonderem Maße die Kinder überall auf der Welt, auch bei uns in Deutschland. Während viele Maßnahmen im Einsatz gegen die Pandemie in unserem Land mit großer Wirkung klar kommuniziert wurden, blieben die Folgen der Krise und der beschlossenen Einschränkungen für Kinder zu lange unsichtbar. Wie stark sich die Schul- und Kitaschließungen auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen ausgewirkt haben, wird zunehmend erkennbar. Zu Recht halten junge Leute uns vor, dass – wenn überhaupt – eher an die Auswirkungen auf den Schulbetrieb als an die soziale und bildungspolitische Bedeutung der Schule gedacht wurde.
Die aktuelle Situation führt eindringlich vor Augen: Es ist an der Zeit, den Bedürfnissen der Kinder und ihren besonderen Rechten deutlich mehr Aufmerksamkeit und Nachdruck zu verschaffen – nicht nur in der gegenwärtigen Krise.
Im aktuellen Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, die Kinderrechte im deutschen Grundgesetz zu verankern. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt, und es ist genau jetzt ein bedeutsames Signal an die Kinder und jungen Menschen, dass ihre Belange ernst genommen werden, über Parteigrenzen hinweg. Unicef Deutschland ruft gemeinsam mit zahlreichen namhaften Unterstützerinnen und Unterstützern sowie Fachleuten und ehrenamtlich Engagierten in einem öffentlichen Appell die Bundesregierung sowie die Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats dazu auf, gerade in diesen Zeiten an ihrem Vorhaben festzuhalten und das im Koalitionsvertrag Vereinbarte umzusetzen.
Ohne Zweifel geht es vielen Kindern in unserem Land gut – doch längst nicht allen von ihnen. Armut, mangelnde Bildungschancen und Gewalt in der Familie sind für viele junge Menschen trauriger Alltag. Es besteht nach wie vor die Gefahr, dass ein beträchtlicher Teil der Kinder auf lange Zeit an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird. So werden Tag für Tag Kinderrechte verletzt und Chancen vergeben.
Unsere Gesellschaft kann sich nicht damit abfinden, auch nur ein einziges Kind abzuhängen. Es ist unsere Pflicht, die junge Generation auf die Herausforderungen des Alltags heute und auf die Welt von morgen gut vorzubereiten. Dafür sind Bedingungen zu schaffen, unter denen Kinder bestmöglich geschützt und gefördert werden und sie Persönlichkeit und Fähigkeiten gut entfalten können. Kinderrechte im Grundgesetz stärken die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Ihre Verankerung in unserer Verfassung liegt im Interesse der Kinder, ihrer Familien und unserer Gesellschaft. Denn wer, wenn nicht unsere Kinder, ist wirklich systemrelevant?