Hongkong: Pekings neues Gesetz führt zu schlimmsten Konfrontationen seit Monaten
Forderungen nach Unabhängigkeit
by Florian NaumannChinas Volkskongress steht im Zeichen der Corona-Pandemie. Ein neues Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone Hongkong sorgt für schwere Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei.
- Der Volkskongress in China beschloss am Wochenende ein neues Sicherheitsgesetzt für Hongkong.
- Die Pläne führten am Sonntag zu den schwersten Konfrontationen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften seit Monaten.
- Sowohl Wirtschaftspläne als auch mögliche neue Maßnahmen in Hongkong rufen Beunruhigung im Rest der Welt hervor.
Update vom 25. Mai, 14.31 Uhr: Hongkongs Sicherheitschef hat das von Peking geplante Sicherheitsgesetz für die chinesische Sonderverwaltungszone begrüßt. Dieses sei notwendig, um "Terrorismus" und Forderungen nach Unabhängigkeit zu unterbinden, erklärte Sicherheitsminister John Lee. "Terrorismus nimmt in der Stadt zu, und Aktivitäten, die die nationale Sicherheit schädigen, wie 'Unabhängigkeit Hongkongs', breiten sich ungezügelt aus", erklärte Lee.
Auch Polizeichef Chris Tang sprach sich für das umstrittene Gesetzesvorhaben aus. Das neue Gesetz werde dazu beitragen, "gegen die Unabhängigkeitsbewegung zu kämpfen" und die "soziale Ordnung wiederherzustellen".
Hongkong-Konflikt: Video zeigt Prügelorgie von Demonstranten
Die Äußerungen der Sicherheitsvertreter erfolgten in etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung eines Videos, das zeigt, wie Demonstranten einen Anwalt verprügeln. Das Video des Vorfalls bei den jüngsten Protesten gegen das geplante Sicherheitsgesetz wurde am Montag von chinesischen Staatsmedien im Internet verbreitet. Auf dem Video ist ein blutender Mann zu sehen, der von Demonstranten getreten und mit Regenschirmen geschlagen wird. Medienberichten zufolge hatte der Mann mit Demonstranten diskutiert, die eine Straßensperre aufbauten.
Das Opfer gehört dem Hongkonger Anwaltsverein an und musste nach der Attacke im Krankenhaus behandelt werden, wie der Anwaltsverein mitteilte. Der Chefredakteur der chinesischen Staatszeitung Global Times, Hu Xijin, verbreitete das Video von dem Vorfall im - in Festlandchina verbotenen - Social-Media-Dienst Twitter und schrieb dazu: "Schauen wir mal, wie die von Washington unterstützte Demokratie in Hongkong wirklich aussieht." China stellt die Proteste in Hongkong als Verschwörung dar, die aus dem Ausland unterstützt wird und China destabilisieren soll.
Die Pläne für das neue Gesetz hatten am Sonntag zu den schwersten Konfrontationen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften seit Monaten geführt. Hongkongs Polizei ging mit Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen tausende Demonstranten vor, die sich an einem ungenehmigten Protestzug beteiligten. Mindestens 180 Menschen wurden festgenommen.
Das neue Gesetz war am Freitag vom Nationalen Volkskongress in Peking auf den Weg gebracht worden. Es soll "Separatismus" und "Aufruhr" in Hongkong verbieten und ist eine Reaktion auf die schon länger anhaltenden Massenproteste. Viele Hongkonger befürchten, dass durch das Gesetz die Bürgerrechte in der chinesischen Sonderverwaltungszone massiv eingeschränkt werden. Mit dem Protestmarsch am Sonntag setzten sich die Demonstranten auch über geltende Auflagen zur Bekämpfung des Coronavirus* hinweg.
Corona-Zoff: China warnt Trump vor „Kaltem Krieg“ - „Politisches Virus verbreitet sich“
Update vom 24. Mai 2020, 13.31 Uhr: Angesichts zunehmender Spannungen hat Chinas Regierung die USA nun sogar schon vor einem "neuen Kalten Krieg" gewarnt. "Uns ist aufgefallen, dass einige politische Kräfte in den USA die US-chinesischen Beziehungen in Geiselhaft nehmen und unsere beiden Länder an den Rand eines neuen Kalten Krieges bringen", sagte Chinas Außenminister Wang Yi bei einer Online-Pressekonferenz am Rande des Nationalen Volkskongresses in Peking - offensichtlich ein Seitenhieb auf US-Präsident Donald Trump. "Neben der Verwüstung durch das neue Coronavirus gibt es auch ein politisches Virus, das sich in den USA verbreitet", sagte Wang weiter. Dieses führe dazu, dass China "bei jeder Gelegenheit angegriffen und verleumdet" werde. "Ich rufe die USA auf, aufzuhören, Zeit zu verschwenden und wertvolles Leben zu verschwenden."
Neben dem Streit über die Verantwortung für die Corona-Pandemie wird das Verhältnis zwischen den USA und China durch ein von Peking geplantes neues Sicherheitsgesetz für Hongkong belastet. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert die Bundesregierung wegen der chinesischen Gesetzespläne für Hongkong zu Konsequenzen auf. „Die Bundesregierung darf im Umgang mit China nicht länger hasenfüßig sein. Außenminister Maas sollte den chinesischen Botschafter einbestellen und ihm unmissverständlich klarmachen, dass eine Verabschiedung des Gesetzes nicht ohne Konsequenzen bleiben wird“, erklärte sie am Sonntag.
Nach Corona: China schockt Hongkong - Merkel plötzlich im Fokus, USA sehen „Todesstoß“
Update vom 22. Mai, 15.55 Uhr: China plant offenbar einen noch härteren Kurs in seiner Hongkong-Politik - der Demokratie-Aktivist Joshua Wong hat deshalb nun Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um Hilfe gebeten. Er appelliere an Merkel und die Bundesregierung, "mit Hongkong zusammenzustehen und Stellung zu beziehen", sagte Wong am Freitag der Bild. Das geplante neue Sicherheitsgesetz für Hongkong, mit dem Peking "alle Proteste und Aufrufe für Demokratie" als "Umsturzversuche" werten und verbieten könne, bedeute das Ende jeder Freiheit, sagte Wong weiter.
Auch die Grünen versuchten, die Kanzlerin in die Pflicht zu nehmen. Künftig könne jede Kritik an der Begrenzung von Hongkongs Autonomie und freier Meinungsäußerung bestraft werden, warnte Bundetagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Ich fordere die Bundesregierung auf, Xi Jinping mit Nachdruck zu vermitteln, dass eine Verabschiedung des Gesetzes nicht ohne Konsequenzen bleiben wird.“
Die US-Regierung von Präsident Donald Trump hat unterdessen die von China geplante Anordnung restriktiver Sicherheitsgesetze für Hongkong als „Todesstoß“ für die weitgehende Autonomie der Millionenmetropole bezeichnet. Man verurteile das geplante „einseitige und willkürliche“ Verhängen solcher Gesetze, erklärte US-Außenminister Mike Pompeo am Freitag. Die USA forderten China auf, die „verheerenden Vorschläge“ nochmals zu überdenken und sich anstatt dessen an die internationalen Vereinbarungen zu Hongkongs Sonderstatus zu halten, der Autonomie, Bürgerrechte und demokratische Institutionen garantiere, hieß es.
Nach Corona: Chinas Volkskongress startet und schockt Hongkong und Börsen - Trump droht
Erstmeldung: Peking - Mit zwei Monaten Verspätung hat in Peking der chinesische Volkskongress begonnen. Die Jahrestagung der 3.000 Delegierten steht im Zeichen der Corona-Krise - erstmals seit Jahren gibt die chinesische Regierung kein Wachstumsziel aus. Das erregt Sorge an den Börsen. Beunruhigend finden viele Beobachter auch Pekings neue Planungen für Hongkong.
Coronavirus trifft China: Schlechte Neuigkeiten für Wirtschaft - Xi Jinping trotz Pandemie ohne Maske
Wegen der Corona-Pandemie war die Jahrestagung der 3000 Delegierten des Volkskongresses um zwei Monate verschoben und zudem von den üblichen zwei Wochen auf eine Woche verkürzt worden. Die meisten Delegierten in der Großen Halle des Volkes trugen am Freitag Atemschutzmasken. Staatschef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang verzichteten jedoch darauf. Der Kampf gegen das Virus steht im Mittelpunkt der Tagung. Diese begann mit einer Schweigeminute zum Gedenken an die Todesopfer der Pandemie.
Das Land stehe als Folge der Pandemie vor "enormen" ökonomischen Herausforderungen, erklärte Regierungschef Li Keqiang zum Auftakt der Tagung. Angesichts dieser "großen Unsicherheit" werde sich Peking auf die Stabilisierung des Arbeitsmarkts konzentrieren. Li kündigte neue Schulden und zusätzliche Milliardenausgaben an, um gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu kämpfen. Geplant sind ihm zufolge neue Corona-Staatsanleihen in Höhe von einer Billion Yuan (128 Milliarden Euro). Wie China ringt derzeit die gesamte Weltwirtschaft mit den Pandemie-Folgen.
Volkskongress in China gestartet: Hongkong-Pläne bereiten Sorge - „Das ist das Ende“
Li kündigte in seinem Regierungsbericht zudem ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong an, das dort für neue Unruhen sorgen dürfte. Denn Chinas Führung will „wenn nötig“ in Zukunft auch eigene nationale Sicherheitsorgane in Hongkong aufstellen und einsetzen.
In einem Beschluss-Entwurf heißt es, die chinesische Sonderverwaltungsregion müsse die Institutionen und Umsetzungsmechanismen zur Wahrung der nationalen Sicherheit verbessern. Wenn es sein müsse, sollten aber auch die zuständigen Sicherheitsbehörden der Pekinger Zentralregierung Außenstellen in Hongkong schaffen, „um die betreffenden Verpflichtungen zur Sicherung der nationalen Sicherheit nach dem Gesetz zu erfüllen“.
Anführer der pro-demokratischen Kräfte in Hongkong verurteilten das Vorhaben als Anschlag auf die Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone. "Dies ist das Ende von Hongkong", sagte der Oppositionsabgeordnete Dennis Kwok. Auch aus Washington kam massive Kritik an dem Gesetzesvorhaben. US-Präsident Donald Trump drohte mit einer "starken" Reaktion seiner Regierung. Die Hongkonger Börse gab um mehr als fünf Prozent nach.
Im vergangenen Jahr hatte es in Hongkong über sieben Monate hinweg Massendemonstrationen gegen den wachsenden Einfluss Pekings auf die Sonderverwaltungszone gegeben.
China: Neuer Eingriff in Hongkong? Börsen-Anleger „richtig verschreckt“
Das geplante Sicherheitsgesetz dürfte nach Ansicht von Beobachtern auf Aktivitäten zielen, die Peking als subversiv empfindet oder die auf eine Unabhängigkeit abzielen könnten. Kritiker sehen einen massiven Angriff auf den Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“, nach dem die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 an China weitgehend autonom verwaltet wird. Die prodemokratischen Kräfte in Hongkong befürchten, dass sie zum Ziel des neuen Sicherheitsgesetzes werden.
Die Nachrichten aus China haben am Freitag den Dax unter die Marke von 11.000 Punkten gedrückt. „Die Ankündigungen des Volkskongresses haben die Anleger richtig verschreckt“, erklärte Marktexperte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners.
Donald Trump befindet sich seit Monaten im Handelsstreit mit China. In einem Punkt handelt er aber ähnlich wie die Staatschefs in Peking - auf Masken verzichtet auch Trump in der Pandemie gerne.
AFP/dpa/fn