Eintracht Frankfurt
„Eine sehr prekäre Situation“
by Daniel SchmittVor dem Spiel gegen den SC Freiburg warnt Eintracht-Trainer Adi Hütter, stärkt seiner kriselnden Mannschaft aber den Rücken - und spricht von „richtungsweisenden“ 90 Minuten.
Martin Hinteregger hat es getan, auch sein Kollege Sebastian Rode. Nach der jüngsten 2:5-Watschn beim FC Bayern nahmen die beiden Spieler von Eintracht Frankfurt das so unangenehme Wörtchen tatsächlich in den Mund: Abstiegskampf, so hieß es unisono, sei nun angesagt. Nicht mehr und nicht weniger. „Ab Dienstag gilt’s“, schob Rode noch treffend hinterher.
Mal von der Wortklauberei abgesehen, dass sie beim hessischen Fußball-Bundesligisten natürlich nicht um den Abstieg kämpfen, sondern diesen vielmehr kämpfend verhindern wollen, dribbelt der Chef der Frankfurter Truppe, Trainer Adi Hütter, jene ach so böse Formulierung verbal weiterhin gekonnt aus. Bei der gestrigen Pressekonferenz mit Blick auf das heutige Heimspiel der Eintracht gegen den SC Freiburg (20.30 Uhr) sagte der 50-Jährige nur: „Bevor wir die Situation schönreden, ist es mir lieber, dass die Spieler das Wort in den Mund nehmen. Wir müssen der Realität ins Auge sehen und werden versuchen, von unten wegzukommen.“ Seine Mannschaft sei auf jeden Fall deutlich mehr unter Zugzwang als der Gegner aus dem Breisgau.
Nach zuletzt fünf Bundesliganiederlagen nacheinander ist der Vorsprung der Eintracht auf den Relegationsrang, mit einem Spiel in der Hinterhand, bis auf vier Zähler geschrumpft – da dürften gerade am vergangenen Sonntagabend einige Menschen im Umfeld und im engeren Zirkel des Klubs ordentlich durchgeatmet haben, als Fortuna Düsseldorf, eben jenes Team auf Rang 16, noch in letzter Minute einen sicher geglaubten Sieg gegen den 1. FC Köln herschenkte. „Natürlich können wir die Tabelle lesen und sind uns der Situation bewusst“, sagte Hütter: „Ich möchte aber auch den Appell loswerden, dass wir von der Qualität unseres Kaders überzeugt sind.“ Die Begegnung des Tabellenvierzehnten gegen die siebtplatzierten Freiburger sei eine richtungsweisende – „sie als vorentscheidend zu bezeichnen, finde ich aber übertrieben. Dafür ist es noch zu früh.“ Freilich müsse aber gepunktet werden, so Hütter, um wieder in sicherer Gefilde des Tableaus zu gelangen. „Wir wissen aber auch, dass wir die Qualität haben, uns herauszuarbeiten aus der sehr prekären Situation“, sagte der Trainer.
Doch wie genau? Ein paar sich drängende Fragen hinsichtlich Taktik und Personal beantwortet der Fußballlehrer aus Österreich gewohnt unpräzise. Ob er gegen Freiburg seine Abwehr umbauen und statt einer Viererkette wieder auf eine Dreierreihe setzen werde, wurde er zum Beispiel gefragt. Seine Antwort: „Das ist sicher eine Überlegung, eine Option, um den Gegner mit der Aufstellung zum Nachdenken zu bringen. Aber es gibt natürlich mehrere Varianten und Möglichkeiten für uns.“ Außerdem wollten die Reporter wissen, ob denn auch die Variante möglich sei, mal wieder mit zwei Angreifern, also mit Bas Dost und André Silva, gemeinsam von Beginn an stürmen zu lassen. Hütters Replik: „Grundsätzlich geht das natürlich immer. Besser wäre es, wenn ich wüsste, dass sie auch heil aus den Spielen herauskommen. Wir müssen vorsichtig sein, weil Goncalo Paciencia noch nicht im Mannschaftstraining ist. Das schließt aber nicht aus, dass wir mit zwei Spitzen beginnen.“
Antworten, die Fragen kaum beantworten, sind nicht erst in den vergangenen Krisenwochen in Hütters Formulierungen übergegangen. Seit Beginn seines Frankfurter Schaffens gibt er vorab nur äußerst selten detaillierte Einblicke in seine Denkprozesse. Taktiken oder Personalentscheidungen lässt er fast immer bis zum Anpfiff offen. Dies ist natürlich eines Trainers gutes Recht, verspricht man sich dadurch doch zumindest einen kleinen Vorteil. Zumal in der aktuellen Corona-Zeit die Geheimniskrämerei der Klubs – bundesweit, nicht nur bei der Eintracht – ohnehin den bisherigen Höchststand erreicht hat. Trainingseinheiten finden nicht nur in Frankfurt zurzeit ausschließlich ohne anwesende Reporter statt, ebenso können sich gegnerische Scouts nicht mehr unter die Kiebitze mischen. Geistertraining sozusagen.
Hütter wird also versuchen, seinen Trainerkollegen Christian Streich zu überraschen. Einerseits. Andererseits betonte er gestern, sich nicht zu sehr nach den Gästen richten zu wollen. Dass das Hinspiel (1:0 für Freiburg) aufgrund des späten Remplers von Eintracht-Kapitän David Abraham an Streich turbulent endete, ist für Hütter zudem kein Thema mehr. Revanchegelüste hegt er deshalb nicht. Es gehe nicht darum, es Freiburg zu zeigen, „sondern es uns selbst zu zeigen“.
Immerhin: Die Freiburger scheinen der ideale Kontrahent für ins Straucheln geratene Klubs zu sein. Als „perfekten Aufbaugegner“ betitelte sie gar das Fachmagazin „Kicker“ auf Grundlage enttäuschender Ergebnisse gegen Mannschaften aus dem tiefsten Tabellenkeller in diesem Jahr. So verloren die Breisgauer im Januar gegen Schlusslicht Paderborn (0:2), im Februar gegen den Drittletzten Düsseldorf (0:2) und schließlich am vergangenen Samstag gegen den Vorletzten Bremen (0:1). „Ich gehe davon aus, dass sie aus einer gut organisierten Defensive heraus schnell umschalten wollen“, erwartet Hütter mehr Spielanteile für seine Mannschaft.
Der Coach wird seine Startelf umbauen, alles andere wäre höchst überraschend. Im Grunde kann er nicht ernsthaft noch einmal seine beiden schwächelnden französischen Außenverteidiger, die ihrem fußballerischen Naturell entsprechend eigentlich Innenverteidiger sind, aufbieten. Almamy Touré und Evan Ndicka sind in ihrer aktuellen Verfassung Sicherheitsrisiken auf den Seiten, die möglichst vermieden werden sollten. Als Alternative bliebe Hütter zum einen die Neubesetzung der Außenpositionen in der Viererkette, etwa mit Danny da Costa auf rechts und Timothy Chandler auf links. Zum anderen könnte der Trainer sein System zurückbeamen ins vergangenen Jahr und wieder auf die erwähnte Dreierabwehrreihe bauen – sicher die wahrscheinlichere Variante, wenngleich sie ebenfalls nicht ganz risikofrei erscheint, setzte der Coach in den bisherigen 14 Partien des Jahres doch fast ausschließlich auf die Viererdeckungsvariante. Eingespielt ist anders.
Doch auch die Vorteile liegen auf der Hand: So könnte Makoto Hasebe wieder den Libero geben, Filip Kostic hätte auf links mehr Raum für seine Sprints und im Angriff könnten letztlich auch zwei echte Stürmer beginnen, ohne dabei das zentrale Mittelfeld zahlenmäßig zu schwächen. Ob nun hinten mit drei oder vier Spielern, vorne mit einem oder zwei; Adi Hütter wird seiner Mannschaft vor dem Anpfiff eine fast noch wichtigere Marschroute mit auf den Weg geben. Sie soll enger zusammenrücken, sich als Team zusammenraufen und sich gemeinsam aus der Krise arbeiten. „Wir können nur als Mannschaft bestehen“, sagte Hütter. Worte, die ziemlich doll nach Abstiegskampf klingen, so groß die verbalen Dribbelkünste auch sein mögen.