Die Türkei versucht den Neustart
Tourismus in Corona-Zeiten
by Karin SenzIm Juni soll es mit dem internationalen Tourismus in der Türkei wieder losgehen - und Gäste aus Deutschland wären besonders gerne gesehen. Doch viele Hoteliers sind unsicher und beklagen unklare Vorgaben.
Die leuchtenden Blüten der pinkfarbenen Bougainvillen und im Hintergrund das knallblaue Mittelmeer - das kleine Hotel von Merih Cirak und ihrem Vater mit gerade 16 Zimmern liegt traumhaft im kleinen türkischen Küstenort Kas.
Das Wetter ist perfekt, noch nicht zu heiß. Aber im Restaurant ist aufgestuhlt, der Pool leer, die Zimmer staubig. Nein, sie bereiten sich nicht auf die Saison 2020 vor - wie auch?
Die Vorgaben seien noch völlig unklar, erklärt Merih Cirak: "Irgendwie steht drin, dass man einen Abtreter mit Desinfektionsmittel haben muss. Aber dann heißt es, dass man den doch nicht braucht, weil der sinnlos ist. Die Mitarbeiter sollen mit Maske, Gesichtsschutz, Handschuhen und möglichst noch in einer Einwegschürze arbeiten."
Ihr Vater Telat Cirak will dieses Jahr gar nicht aufmachen. Finanziell würde er das hinkriegen. Es gebe Wichtigeres, sagt er: "Ich würde mich als Mensch schlecht fühlen, wenn einer hier bei mir krank wird. Besonders wenn einer meiner Mitarbeiter krank wird."
Keine Spur von Corona-Maßnahmen
In Sevki Erdogans Hotel und den Ferienhäusern, die dazu gehören, gibt es knapp 300 Betten. Es ist eines der wenigen, die das ganze Jahr über offen haben. Natürlich wird hier auf Hygiene geachtet und gut sauber gemacht - aber von Corona-Maßnahmen wie Desinfektionstunnel bis jetzt keine Spur.
Der Hotelchef spaziert über das weitläufige Gelände und erklärt sein Konzept: "Wir wollen sicherstellen, dass man kaum miteinander in Kontakt kommt. Im Fall der Villen bringen wir nur das Essen und holen es wieder ab und reduzieren so die Kontakte - so weit wie möglich. Das Meer ist sauber. Wir haben gerade erst festgestellt, dass wir 33 neue Zugänge hier auf dem Gelände haben."
"Entscheidungen, die keinen Sinn machen."
Die dürfen im Moment allerdings nicht benutzt werden. Schwimmen und Spazieren am Meer ist verboten. Der Hotelchef kann das nicht verstehen "Es gibt einige Entscheidungen, die keinen Sinn machen", sagt er. "Leute dürfen ins Einkaufszentrum, aber nicht ins Meer. Aber ich glaube, ab 2. Juni werden die Leute das alles tun dürfen."
Nicht nur Sevki Erdogan hofft, dass viele Einschränkungen Anfang Juni fallen. Sicher ist das aber nicht. Im Moment sind seine Hotelzimmer alle leer, nur ein paar der luxuriösen Villen sind belegt.
Yesim Yalcin ist Ärztin in Antalya und macht ein paar Tage mit ihrem Bruder und seiner Frau hier Urlaub. "Es gibt keine Krankheitsfälle hier in Kas", sagt sie. "Und in den Ferienhäusern läuft das wirklich gut, was das Putzen angeht, überhaupt die ganze Organisation. Wir fühlen uns sicher und kommen deshalb gerne."
Sie haben ihren eigenen Pool. Ein Hotelzimmer hätte sie allerdings nicht genommen. Ferienhäuser werden diese Saison wohl insgesamt mehr gefragt sein.
Unterdessen schlägt sich Merih Cirak auf der anderen Seite der Halbinsel mit weiteren Vorgaben rum: "Wir wissen nicht, ob wir die Pools vollmachen dürfen, ob die Leute die Pools benutzen können, ob sie am Strand liegen dürfen oder nicht."
Kein Überblick
Den kompletten Maßnahmenkatalog des Tourismusministeriums scheint noch keiner gesehen zu haben. Dabei kündigt Minister Mehmet Ersoy an: "Wir haben ein transparentes Zertifizierungsprogramm gestartet. Die Kriterien dazu wurden veröffentlicht - und weitere werden nach und nach bekannt gegeben. In dieser Woche fangen wir mit dem Zertifizierungsprozess an. Sie werden eine schnelle Zertifizierung der offenen Hotels ab Juni sehen."
Daran glaubt auch der sonst so optimistische Hotelchef Sevki Erdogan allerdings nicht: "Das ist nicht durchführbar. Wie wollen denn die Teams 350 Hotels zertifizieren? Da ist doch die Saison vorbei. Man muss das so sehen, dass die Leute das als Richtschnur nehmen und versuchen, ihre Häuser vorzubereiten, damit - wenn der 2. Juni kommt - alles ganz frisch umgesetzt ist."
Bis Mitte Juni warnt die Bundesregierung allerdings alle Deutschen, ins Ausland zu reisen. Die Türkei will, dass sie das bis zu den Sommerferien aufhebt.
Deutsche gern gesehen
Sevki Erdogan hat internationale Gäste im Blick und dabei Vorlieben: "Die Russen haben das am Anfang mit Corona noch ganz ok gemacht. Jetzt läuft es nicht mehr so gut - bei den Deutschen dagegen schon. Kommt zu uns! Wir passen schon auf. Die Regierung hat zwei Krankenhäuser innerhalb von 45 Tagen gebaut, um sicherzustellen, dass, wenn etwas passiert, man größtmögliche Sicherheit bietet."
Im kleinen Boutique-Hotel fragen vor allem Merih Ciraks Stammgäste, wann sie diese Saison aufmacht. "Vielleicht im Juli", sagt sie, während sie ein halbfertig renoviertes Bad in einem der Zimmer begutachtet.
Die Baustelle liegt auf Eis. Ihr Vater bleibt dagegen dabei: Urlaub mit Corona mache keinen Spaß und sei gefährlich. Das Hotel bleibe diese Saison am besten zu.
Karin Senz, ARD Istanbul
25.05.2020 08:54 Uhr