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Interview | Volleys-Chef Kaweh Niroomand

"Die Liga darf nicht sehenden Auges ins Verderben rennen"

Stagnation verhindern, so lautet das Motto von BR-Volleys-Macher Kaweh Niroomand. Nach dem vorzeitigen Abbruch der Volleyball-Saison stellt sich nun die Frage: Wie? Ein Wechsel nach Polen scheint nicht mehr unmöglich, berichtet Niroomand im Interview.

Der vorzeitige Abbruch der Volleyball-Bundesliga Mitte März lässt BR-Volleys-Manager Kaweh Niroomand sorgenvoll in die Zukunft blicken. Er befürchtet langfristige Schäden für den deutschen Volleyball im Allgemeinen und seine BR Volleys im Speziellen. Aus diesem Grund beschäftigen sich die Berliner ernsthaft mit einem Wechsel in die polnische Liga. Während die Idee zunächst noch utopisch erschien und dementiert wurde, treiben die Volleys die Planungen nun weiter voran. Ausgeschlossen scheint das Projekt nicht mehr. Die Hauptstädter fühlen sich gezwungen zu handeln, weil die deutsche Bundesliga zu wenig Perspektiven zu bieten scheint. 

rbb|24: Herr Niroomand, wie konkret sind denn die Gedankenspiele und Planungen hinsichtlich eines Wechsels ins volleyball-begeisterte Polen?

Kaweh Niroomand: Zunächst hat zwischen uns und den Verantwortlichen der polnischen Liga nur ein Gedankenaustausch stattgefunden. Weil wir der Meinung sind, dass der Volleyball unter der Corona-Krise in den kommenden Jahren leiden wird. Das sieht man bereits an den drei Rückzügen von Vereinen in der Bundesliga. Insofern sind wir auch gegenüber den Fans und Sponsoren verpflichtet, uns Gedanken zu machen, wie es mit unserem Projekt weitergehen kann. Und eine naheliegende Idee war, ins Nachbarland zu schauen. Da gibt es eine der besten Volleyball-Ligen der Welt. Daraufhin haben wir Kontakt aufgebaut und Ideen ausgetauscht - nicht mehr und nicht weniger.

Wie haben die Verantwortlichen aus Polen auf Ihr Interesse reagiert?

Zu unserer Überraschung: recht positiv. Es gibt natürlich Schwierigkeiten und viele Hürden. Aber, wie der Pressesprecher der polnischen Liga zitiert wird, haben sie sich gewissermaßen geehrt gefühlt, dass sich ein Klub wie Berlin bei ihnen gemeldet hat.

Sie haben gesagt, die Bundesliga werde schwächer sein als vor der Corona-Krise. Ist die Liga den Ansprüchen der BR Volleys noch gewachsen?

Ich habe gesagt, wenn wir uns weiterentwickeln wollen, dann muss die Liga mitziehen. Aus eigener Stärke und eigenem Tun wird uns das nur sehr schwer gelingen. Wenn wir die Zuschauerzahlen steigern wollen und den Sponsorenpool, wenn all das geschehen soll und muss, ist das nur noch möglich, wenn die Liga mitwächst. Und da habe ich große Bedenken, dass das in den kommenden Jahren passieren wird. Das meine ich nicht sportlich. Ich meine das auf die wirtschaftlichen Aspekte bezogen. Auf die Infrastruktur. Auf das Marketing.

Sind Ihre Überlegungen auch ein Appell an die Liga oder sogar an die Politik, dass hier mehr getan werden muss?

Wir haben immer ganzheitlich im Sinne des deutschen Volleyballs gedacht. Es geht natürlich um die BR Volleys, aber es geht auch um den Volleyballsport in Deutschland. Ich bin der Letzte, der den Volleyball hier verlassen will. Aber die Bundesliga muss sich jetzt als strategischer Führer ansehen und anfangen, Gedanken und Konzepte zu entwickeln, um nicht sehenden Auges ins Verderben zu rennen.

Wie haben der Verband und die Liga reagiert?

Offiziell gar nicht. Man hat mit uns nur Kontakt aufgenommen, um nachzuhaken, ob wir einen Lizenzantrag in Polen gestellt haben. Das haben wir natürlich verneint, weil es nicht der Fall ist. Seitdem haben wir nichts mehr gehört - auch das spricht für sich.

Was spricht denn dafür, dass aus der Idee Wirklichkeit wird?

Der Plan hat viele Hürden. Aber, es gibt auch viel Reizvolles. Wir würden in einer der stärksten Ligen der Welt spielen. Die Volleyballfans in Deutschland und speziell in Berlin würden in den Genuss kommen, ständig Weltstars begrüßen zu dürfen. Außerdem haben wir in der Hauptstadt eine Kolonie mit über 100.000 polnischen Mitbürgern. Das könnte ein neuer Markt für unsere Zuschauerentwicklung werden. Wirtschaftlich ware das interessant für polnische Unternehmen, die in Deutschland aktiv sind und umgekehrt. Und politisch: Wir reden immer von einem grenzenlosen Europa, das könnte sportlich ein erster Schritt dazu sein.

Zu wann wäre so ein Wechsel nach Polen denn überhaupt möglich?

Zur kommenden Saison garantiert nicht. Aber wir möchten gerne diese Gespräche fortsetzen, um herauszufinden, welche Herausforderungen es gibt und ob diese überwindbar sind. So, dass wir für die Saison 2021/22 klarere Pläne haben und wissen, in welche Richtung wir arbeiten.

Das Gespräch führte Lars Becker, rbb Sport.

Sendung:  Inforadio, 25.05.2020, 12:15 Uhr