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Chefarzt Hendrik Liedtke hält das Vorhalten von Intensivbetten für nötig, um für eine mögliche zweite Welle in der Pandemie gewappnet zu sein.Foto: Silvio Kison
„Nichts ist normal“

Wie Halles Krankenhäuser wieder zurück zum Regelbetrieb finden

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Halle (Saale) - Die Ärzte ahnten, dass das kein gutes Zeichen ist. Vor etwa sechs Wochen fiel auf, dass deutlich weniger Herzinfarktpatienten als vorher kamen, sagt Hendrik Liedtke, der Ärztliche Direktor und Chefarzt des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara. Patienten mit schwersten Herzrhythmusstörungen seien aus Angst, sich im Krankenhaus mit dem Coronavirus anzustecken, zuhause geblieben. Manche hätten sogar ihren Herzinfarkt zuhause mit Ibuprofentabletten auskuriert. Als es nicht mehr ging, habe der Notarzt sie ins Krankenhaus gebracht, sagt Liedtke.

Patienten die Angst nehmen ins Krankenhaus zu kommen

Bereits Ende April haben die halleschen Krankenhäuser in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt, wieder verstärkt Kapazitäten auch für die dringliche Regelversorgung anbieten zu können. Wegen der Corona-Pandemie waren viele Eingriffe verschoben worden. Dieser Stau soll nun wieder aufgeholt werden. Dafür muss den Patienten aber auch die Angst genommen werden, in die Krankenhäuser zu kommen. In der gemeinsamen Erklärung wurde deshalb betont: „Der Infektionsschutz in den Krankenhäusern ist gewährleistet, vielleicht aufgrund der derzeit strengen Zugangskontrollen und Schutzmaßnahmen besser denn je.“

Die Situation bleibt derweil kompliziert. „Nichts ist normal“, sagt Hendrik Liedtke. Der Chefarzt geht von ein bis zwei Jahren aus, in denen „wir mit Corona in den Krankenhäusern leben müssen.“ Markus Ebinger und weitere Mitglieder der Geschäftsführung des Krankenhauses Martha-Maria in Halle-Dölau beschreiben die aktuelle Lage wie folgt: „Die Krankenhäuser sind dabei, erste Schritte in die Normalität zu gehen, aber vom Normalbetrieb dennoch weit entfernt.“

Trotz Corona: Notfälle wurden ohne Aufschub behandelt

Im Martha-Maria-Krankenhaus etwa wurde seit Ostern der Betrieb schrittweise nach und nach wieder hochgefahren, behandelt wurde aber immer. So wurden unter Corona-Auflagen etwa kontinuierlich alle Krebsbehandlungen und andere dringende Operationen durchgeführt. Notfälle wurden ohne Aufschub behandelt.

An so mancher Selbstverständlichkeit wurde auch einfach nicht gerüttelt. Im St. Elisabeth und St. Barbara Krankenhaus „hatten wir immer Väter im Kreißsaal bei der Geburt“, sagt Chefarzt Hendrik Liedtke. „Und es waren immer Angehörige da beim Abschiednehmen, auch auf der Intensivstation.“ Auch, wie Liedtke sagt, wenn der Patient an Covid-19 gestorben ist. Dann waren die Angehörigen in Vollschutz gekleidet.

Ein Viertel der Intensivbetten als Reserve für Covid-19-Patienten vorhalten

Inzwischen haben sich neue Standards etabliert. Von stationären Patienten wird grundsätzlich ein Abstrich genommen. Zudem werden die Krankenhäuser vorerst weiterhin ein Viertel ihrer Intensivbetten als Reserve für Covid-19-Patienten vorhalten. Halles Krankenhäuser haben die Zahl der Intensivbetten in den vergangen Wochen verdoppelt.

Hendrik Liedtke verweist dabei auf eine besondere Situation, die sich nun als Vorteil erweisen könnte: „Es gibt keine Großstadt in Deutschland mit mehr Krankenhausbetten pro Einwohner als Halle.“ Die vielen freien Intensivbetten hält er für notwendig, um für den Fall, dass eine zweite Corona-Welle kommt, sofort gewappnet zu sein. (mz)