Sozialbetrug
Anklage nach illegaler Beschäftigung in 17 Nagelstudios
by dpaMünster Um fast 1,8 Millionen Euro haben sechs Beschuldigte durch illegale Beschäftigung in Nagelstudios den Staat betrogen. Nun steht die Anklage.
Wegen illegaler Beschäftigung von vietnamesischen Frauen in 17 Nagelstudios in Nordrhein-Westfalen hat die Staatsanwaltschaft Münster Anklage erhoben. Nach den Ermittlungen sollen sechs Tatverdächtige von 2014 bis November 2019 die Frauen in Studios im Münsterland, Ostwestfalen und im Rheinland eingesetzt haben. Die sechs Verdächtigen sitzen in Untersuchungshaft.
Die Beschäftigten hätten zum großen Teil ohne Sozial- und Krankenversicherungsschutz zehn Stunden pro Tag an sechs Tagen in der Woche und unter Videoüberwachung gearbeitet, teilte die Staatsanwaltschaft Münster am Montag mit. Weil die Frauen bei den Behörden und Sozialkassen nicht gemeldet waren, ist laut Anklage ein Schaden von 1,78 Millionen Euro entstanden.
Nagelstudios: Dienstleistungen waren konkurrenzlos günstig
Die Betreiber konnten so ihre Dienstleistungen konkurrenzlos günstig anbieten, auch wenn die bar ausgezahlten Monatslöhne mit im Schnitt 2600 Euro relativ hoch waren, heißt es in der Mitteilung.
Als Hauptverantwortliche haben die Ermittler einen 47-Jährigen mit deutschem und vietnamesischem Pass ohne festen Wohnsitz, seinen 54 Jahre alten Bruder aus Münster (ebenfalls beide Staatsangehörigkeiten) und die gemeinsame Nichte (37) ausgemacht. Das Trio soll die Arbeit in den Studios organisiert haben.
Fünf der sechs Beschuldigten verweigern bisher die Aussage
Zwei weitere Angeschuldigte, ein 28-Jähriger aus Bergkamen und ein 40-Jähriger aus Paderborn (beides Vietnamesen) sollen Nagelstudios betrieben und Gewinnanteile abgetreten haben. Eine 31 Jahre alte Frau aus Rottweil in Baden-Württemberg soll Konten und Ausweispapiere zur Verfügung gestellt haben. Mit Hilfe der Vietnamesin wurden laut Anklage laufenden Kosten bezahlt und Räume und Unterkünfte angemietet.
Fünf der Angeschuldigten haben sich bislang nicht geäußert, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Mann aus Bergkamen hatte Angaben zu dem Geschäftsmodell gemacht. Über die Zulassung der Anklage muss jetzt das Landgericht Münster entscheiden.
Verdacht des Menschenhandels und der Zwangsarbeit ließ sich nicht ausreichend belegen
Die betreffenden Nagelstudios lagen überwiegend im Münsterland und in Ost-Westfalen, berichtete die Staatsanwaltschaft: Drei waren in Münster, vier in Dülmen, eins in Emsdetten, eins in Werne, zwei in Warendorf, zwei in Ibbenbüren, eins in Greven, eins in Paderborn, eins in Rheda-Wiedenbrück und eines in Troisdorf.
Für die Anklage bei der Wirtschaftskammer des Landgerichts Münster ließen sich einige Straftatbestände gegen die Beschuldigten nicht erhärten, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft: "Der Verdacht des Menschenhandels sowie der Zwangsarbeit und der Ausbeutung der Arbeitskraft ließ sich nach Abschluss der Ermittlungen nicht mit der für eine Anklageerhebung notwendigen Wahrscheinlichkeit konkretisieren." Die Ermittlungen gegen die mutmaßliche Nagelstudio-Bande dauerten knapp vier Jahre. (dpa/Red.)