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imago images/localpic Wann gibt es einen Impfstoff gegen das Coronavirus?

Moderna, CanSino, BionTech: Jagd nach dem Corona-Impfstoff: Diese Methoden liegen vorn - und so funktionieren sie

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Weltweit wird nach Impfstoffen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 gesucht. Die erfolgversprechendsten Kandidaten kommen aus China, den USA und Deutschland. Sind sie besser oder einfach nur schneller als alle anderen?

Kaum war das neue Coronavirus entschlüsselt, begann schon die Suche nach einem Impfstoff dagegen. Die WHO listete Mitte Mai 118 Forschungsprojekte auf, der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) spricht von derzeit 131 Impfstoff-Projekten.

Spannend, aber gerade keine Zeit?

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Während die meisten Labore noch auf der Suche nach einem passenden Ansatz zur Immunisierung gegen Sars-CoV-2 sind, kündigen andere schon die Lieferung von vielen Millionen Impfeinheiten noch in diesem Jahr an. Das schier unfassbare Forschungstempo wird durch zwei Voraussetzungen ermöglicht:

Erstens können Universitäten, Biotech-Unternehmen und Pharmariesen auf Daten zurückgreifen, die aus der Forschung zum Sars- und später zum Mers-Erreger stammen. Ein Impfstoff wurde zwar nie zu Ende entwickelt, aber das neue Coronavirus ähnelt den alten Bekannten sehr.

Zweitens ermöglicht eine moderne Technologie die schnelle Verfügbarkeit von Impfstoffen. Sie hält sich nicht lang damit auf, das Coronavirus selbst für einen Impfstoff zu nutzen, sondern nimmt Teile seiner Erbinformation. Tests mit Freiwilligen können ohne langen Vorlauf beginnen. Das Ziel, wie bei allen Schutzimpfungen: es sollen Antikörper gebildet werden, die das Immunsystem bei jeder Begegnung mit dem Erreger gegen ihn auffahren kann. (Wie die Impfungen funktionieren, siehe unten im Kasten „Sars-CoV-2-Impfung mit RNA, Vektoren und Virusproteinen“)

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Mit klinischen Tests beginnt die kritische Forschungsphase

Derzeit laufen bereits acht Impfstudien mit freiwilligen Teilnehmern in den Testphasen 1 und 2. Auch das ist eine Pandemie-Neuheit, dass beide Phasen kombiniert werden können: Sicherheit, Verträglichkeit und optimale Dosierung eines Wirkstoffs können gleich mit mehreren hundert Teilnehmern getestet werden. Normalerweise ist die Teilnehmerzahl einer Phase-1-Studie aus Sicherheitsgründen auf weniger als 100 begrenzt.

Es handelt sich um vier Impfstoff-Kandidaten aus China, zwei aus den USA, einen aus Großbritannien und einen aus Deutschland. Etliche weitere stehen in den Startlöchern für klinische Studien, darunter auch zwei aus Deutschland.

Erster (vorläufiger) Sieger im Impfstoff-Rennen: mRNA-1273

Am schnellsten mit Erfolgsmeldungen ist bisher das amerikanische Biotech-Unternehmen Moderna. Mitte März begann die erste klinische Studie mit dem Impfstoff mRNA-1273 an 45 gesunden Freiwilligen. Zwei Monate später meldet das kleine Unternehmen „vielversprechende Ergebnisse“.

Moderna legte nur für acht Probanden aus der ersten 15er-Gruppe Daten vor. Bei ihnen seien selbst in der kleineren Impfstoffdosierung neutralisierende Antikörper gegen Covid-19 nachweisbar gewesen, und zwar in der gleichen Größenordnung, wie sie durch eine natürlich ausgelöste Infektion hervorgerufen werde.

Das Biotech-Unternehmen, das mit dem National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) zusammenarbeitet, will im Juli mit der Phase 3 der Studie beginnen. Dann soll mit mindestens 10.000 Teilnehmern die Wirksamkeit nachgewiesen werden.

mRNA-1273 ist einer der erfolgversprechenden genbasierten Impfstoffe, die den synthetisch hergestellten Bauplan eines kleinen Teils von Sars-CoV-2 verabreicht. Die Körperzellen selbst bilden dann Proteine, die der Hülle des Virus ähneln. Auf sie reagiert dann wiederum das Immunsystem und produziert Antikörper.

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Zweiter US-Impfstoffkandidat im klinischen Test: INO-4800

Die Firma Inovio Pharmaceuticals hat ebenfalls einen genbasierten Impfstoff entwickelt. Seit April befindet er sich in der ersten klinischen Testphase mit 40 Probanden. Das Unternehmen hatte schon einen DNA-Impfstoff gegen das Mers-Virus entwickelt und schon Ende Januar angekündigt, den Prototypen eines spezifischen Vakzins gegen das neue Coronavirus entwickelt zu haben.

Eine Impfstoff-Hoffnung aus Deutschland: BNT162

Als erstes deutsches Unternehmen bekam BionTech aus Mainz im April die Genehmigung für klinische Tests mit seinem Impfstoffkandidaten BNT162. Bei 200 gesunden Probanden im Alter von 18 bis 55 Jahren werden die Verträglichkeit und die optimale Dosierung des mRNA-Impfstoffs untersucht. Der BionTech-Partner Pfizer, einer der großen Pharmakonzerne für Impfstoffe, organisiert derzeit zusätzliche Tests von 360 Probanden in den USA. Ende Juni sollen erste Ergebnisse vorliegen.

BionTech-Chef Ugur Sahin, der als Krebsmediziner mit Schwerpunkt Immuntherapie bekannt wurde, ist überzeugt davon, dass die Kooperation mit Pfizer den Impfstoff bis zum Jahresende in millionenfacher Ausfertigung zur Verfügung stellen kann.

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Entwickelt an der Universität Oxford, verkauft an die USA: ChAdOx1     

Seit Ende April wird der Impfstoff ChAdOx1, der an der Universität Oxford entwickelt wurde, an 510 Testpersonen auf Sicherheit und optimale Dosierung geprüft. Es handelt sich hierbei um eine Vektorviren-Technologie. Dabei werden einzelne Proteine von Sars-CoV-2 auf harmlose Viren gepackt. Auf das Virenpaket reagiert das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern.

Hergestellt wird der Impfstoff unter anderem vom britischen Pharmaunternehmen AstraZeneca. Dieser Firma hat die US-Beschaffungsbehörde Barda gerade eine Milliarde Dollar für die Weiterentwicklung und anschließende Lieferung in die USA zugesagt.

Chinesische „Viererbande“ mit einem Vorsprung bei klinischen Tests

Das in Hongkong ansässige Unternehmen CanSino Biologicals hat zusammen mit dem Peking Institute of Biotechnology im Mai die Phase 2 der klinischen Testung seines Impfstoffs Ad5-nCoV begonnen. 500 Teilnehmern erhalten nun diesen viralen Vektor, der wie die meisten dieses Impftyps das Spike-Protein von Sars-CoV-2-enthält.

Das börsennotierte Pekinger Unterneh­men Sinovac Biotech geht einen anderen Weg: In seinem Impfstoff PiCovacc werden direkt inaktivierte Bestandteile von Sars-CoV-2 verwendet. Es läuft eine Kombination aus Phase 1 und 2 mit insgesamt 1166 Teilnehmern verschiedener Altersgruppen.

Ebenfalls das inaktivierte Coronavirus testet seit Ende April Sinopharm mit dem Wuhan Institute of Biological Products und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften mit 1262 Teilnehmern in Phase 2.

Das Shenzhen Geno-Immune Medical Institute hat gleich zwei Kandidaten bereits in Phase 1. LV-SMENP-DC heißt der Impfstoff, der spezielle Zellen der Immunabwehr verabreicht: modifizierte dendritische Zellen und antigenspezifische zytotoxische T-Zellen. Der zweite Impfstoff des Instituts besteht aus künstlichen antigenpräsentierenden Zellen (aAPC).  Jeweils 100 Teilnehmer werden geimpft.

FOCUS-Online-Aktion #CoronaCare: Deutschland hilft sich!

Die Corona-Pandemie schränkt den Alltag der Menschen in Deutschland ein. Vor allem für gefährdete Gruppen wie Senioren sind auch alltägliche Aufgaben mit einem Ansteckungsrisiko verbunden. Daher ist nun Solidarität gefragt! FOCUS Online hat deshalb die Aktion "#CoronaCare: Deutschland hilft sich" gestartet. Machen Sie mit! Alle Informationen finden Sie hier.

CureVac – Tübinger Impfstoffentwickler in Lauerstellung

Das Tübinger Unternehmen CureVac hofft, im Juni mit klinischen Tests seiner noch namenlosen mRNA-Entwicklung starten zu können. Es gilt als sicher, dass das Paul-Ehrlich-Institut eine Genehmigung erteilt. CureVac hat Mitte Mai mitgeteilt, dass es bereits größere Mengen der Hauptkomponente seines Wirkstoffes (mRNA) produziert hat - obwohl die Erprobung mit Freiwilligen noch nicht einmal begonnen hat. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben in den ihm gehörenden Tübinger Anlagen die Kapazität, jährlich mehrere hundert Millionen Impfeinheiten herzustellen.

Das von Dietmar Hopp größtenteils finanzierte Unternehmen geriet gleich zu Beginn der Pandemie in die Schlagzeilen, weil Präsident Trump die Impfstoff-Erfolge angeblich für die USA reservieren wollte.

Sars-CoV-2-Impfstoffe aus dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung

Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) arbeitet mit verschiedenen Partnern an Impfstoffen mit Vektorviren, wobei harmlose Viren mit Sars-CoV-2-Proteinen bestückt werden. Für eine Entwicklung mit modifiziertem und harmlosem Pockenvirus als Vektor zusammen mit den Universitätslaboren in München, Marburg und Hamburg sowie dem Biotech-Unternehmen IDT Biologika wird die PEI-Genehmigung erwartet. Im September sollen die klinischen Tests beginnen.

Bei dem zweiten Impfstoff, der im DZIF entwickelt wird, dient das Virus aus dem Masern-Impfstoff als Vektorvirus-Grundlage. Hier ist der Partner CanVirex in Basel.

Ungeklärte Frage:  Schützt einer der Impfstoffe wirklich vor der Ansteckung?

Es ist keineswegs sicher, ob jeder oder nur einige dieser Kandidaten ihr Wirksamkeitsversprechen erfüllen können und den Geimpften vorübergehend oder dauerhaft vor der Ansteckung schützen. Und selbst wenn ein Impfstoff es schafft, wird die große Frage sein, wer ihn bekommt und zu welchem Preis. Angela Merkel hat sich der WHO-Forderung angeschlossen, dass ein Impfstoff gegen Sars-Cov-2 ein gemeinschaftliches globales Gut sein müsse. Ob alle Politiker, Forscher und Hersteller diese Sicht teilen, ist auch keineswegs sicher.

Sars-CoV-2-Impfung mit RNA, Vektoren und Virusproteinen

Genbasierte Impfstoffe: Diese Impfstoffe enthalten ausgewählte Gene des Virus in Form von mRNA bzw. DNA. Sie sollen im Körper die Bildung von (ungefährlichen) Virusproteinen hervorrufen, die dann wiederum den Aufbau des Immunschutzes bewirken. Solche mRNA- und DNA-basierten Impfstoffe haben den Vorteil, dass von ihnen sehr schnell viele Injektionsdosen produziert werden können. Allerdings ist bislang noch gegen keine Krankheit ein solcher Impfstoff auf dem Markt.

Impfstoffe mit Vektorviren: Bei dieser Methode werden harmlose Viren mit Sars-CoV-2-Proteinen bestückt und quasi als Träger (lateinisch: vector) genutzt. Die Impfung gaukelt dem Körper eine Coronavirus-Infektion vor, der daraufhin einen Immunschutz aufbaut. Bei mehreren Projekten dienen gut bekannte, harmlose Viren als Ausgangspunkt, beispielsweise das Virus aus Masernimpfstoff. Eine Ebola-Impfung basiert auf dieser Technologie.

Impfstoffe mit Virusproteinen: Diese Impfstoffe enthalten entweder ausgewählte Virusproteine oder das ganze Material inaktivierter SARS-CoV-2-Viren. Damit beruhen sie auf lang bewährter Technologie: Sehr viele zugelassene Impfstoffe sind so zusammengesetzt, etwa die gegen Grippe. Möglicherweise ist es schwierig, schnell große Mengen von Impfeinheiten zu produzieren.

Unterschiede zur Grippe: Wegen guter Corona-Prävention wirken Maßnahmen übertrieben

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