Streamkritik | Mulay im Badehaus
Hörenswerte Songs, kühler Abend
Schon in der neuten Woche streamt das Badehaus in Berlin-Friedrichshain Livestream-Konzerte. Am Sonntagabend stand die Berlinerin Mulay auf dem Programm. Der Funke wollte nicht so recht überspringen. Von Hans Ackermann
Mit sparsamen Beats beginnt der Abend auf der blau-schwarz beleuchteten Badehaus-Bühne. Elektronische Sounds aus dem Gitarrensynthesizer mischen sich dazu, schließlich setzt schöner, zweistimmiger Gesang ein.
Tatsächlich ist aber nur eine Sängerin am Werk: Mulay, die ihre Stimme mit dem Gesangsprozessor verdoppelt. Ein elektronisches Effektgerät, das die 25 Jahre alte Sängerin im Laufe des Konzerts ausgiebig zum Einsatz bringt. Sie kann damit Töne aus der tiefen Oktave zu ihrer Stimme hinzumischen - und diese "Männerstimme" dann für den glockenhellen Refrain des Songs "Phantasy" auch wieder herausnehmen. Begleitet wird die Sängerin von einem Schlagzeuger und einem Gitarristen, der ebenso kreativ mit Effektpedalen aller Art umzugehen weiß.
Lieder über die Suche nach Nähe
Mulays musikalische Vorbilder sind die Hiphop-Legende Lauryn Hill und die R&B-Sängerin Alicia Keys. Bei der Performance orientiert sich Mulay nach eigenem Bekenntnis aber auch an FKA Twigs. Diese junge britische Sängerin spielt ausgiebig mit visuellen Effekten. Für das Video zu ihrem Song "Pendulum" hat sie sich mit Seilen verschnüren lassen, um dann in einiger Höhe als lebendes Pendel hin und her zu schweben.
Solche avantgardistischen visuellen Experimente präsentiert Mulay an diesem eher nachdenklichen Abend nicht. Die Kleidung der Musikerin - ein schwarzer Kimono über langen Lackstiefeln - ist elegant, aber geradezu brav im Vergleich zur Extravaganz des britischen Vorbilds. Doch auf diese weitgehend effektfreie Weise stehen die Lieder im Vordergrund, mit Texten, die von Einsamkeit und der Suche nach Nähe handeln.
Der Funke springt nicht über
Auftritte ohne echtes Publikum - das zeigen viele Onlinekonzerte der letzte Wochen - sind für bekannte wie unbekannte Künstler allerdings gerade in dieser Hinsicht eine echte Herausforderung. Kein Applaus nach dem Song, keine Reaktion auf die Ansprache an das Publikum, die fehlende Nähe, die buchstäbliche Leere, all das muss irgendwie überbrückt werden.
Vielleicht springt bei diesem Konzert deshalb kein wirklicher Funke über. Nach nur 30 Minuten mit durchaus hörenswerten Songs ist der Auftritt dann auch schon zu Ende. Vom Licht her und auch sonst ein eher kühler Abend.
Sendung: Inforadio, 25.05.2020, 7 Uhr