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Nach einem Vergleich mit Verbraucherschützern sind weiterhin rund 60 000 Verfahren offen – die Kläger haben nun gute KartenFoto: dpa
Hammerurteil im Dieselskandal

VW muss Autokäufern Schadenersatz zahlen

BGH erkennt Anspruch an +++ Weichenstellung für weitere Verfahren gegen den Konzern

Großer Erfolg für Diesel-Kläger, die sich nicht mit einem Vergleich zufriedengeben wollten!

Volkswagen ist vom Dieselskandal betroffenen Autobesitzern grundsätzlich zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet. Käufer, die das Geld für ihr Auto zurückhaben wollen, müssen sich aber die bereits gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Montag.

Die obersten Zivilrichter bestätigten mit ihrer Entscheidung ein käuferfreundliches Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz. Es hatte den VW-Konzern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet, dem Käufer eines gebrauchten VW Sharan gut 25 600 Euro plus Zinsen zu erstatten. Der Mann hatte argumentiert, er habe der Werbung vertraut und geglaubt, ein sauberes Auto gekauft zu haben.

Nach VW-Angaben sind bundesweit noch rund 60 000 Verfahren anhängig, also nicht rechtskräftig entschieden oder per Vergleich beendet. Das BGH-Urteil ist für viele dieser Fälle eine wichtige Weichenstellung.

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Herbert Gilbert, Kläger gegen den Autobauer VW im Dieselskandal, am 25. Mai beim BGH in KarlsruheFoto: Uli Deck / dpa

Knapp fünf Jahre ist es her – im September 2015 flog der Dieselskandal bei Volkswagen auf und erschütterte den Wolfsburger Konzern und damit die gesamte deutsche Automobilwirtschaft.

Was wurde heute entschieden?

Der Bundesgerichtshof (BGH) verkündete am Montag (25. Mai) das erste höchstrichterliche Urteil. Damit entschied sich, ob der Hersteller VW betroffenen Autobesitzern wegen der illegalen Abgastechnik Schadenersatz zahlen muss.

Die Richter stellten heute fest: Der Autobauer hat seine Kunden damit vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Der Konzern muss klagenden Käufern Schadenersatz zahlen. In der Verhandlung vor knapp drei Wochen hatten die Richter bereits durchblicken lassen, dass es auf so etwas hinauslaufen würde. Allerdings wird gegen Rückgabe des Autos nicht der volle Kaufpreis erstattet. Klagende Diesel-Besitzer müssen sich die gefahrenen Kilometer als Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.

Heute wurde über einzelne Klagen von Käufern entschieden, die Auswirkungen auf Tausende weitere Fälle ist jedoch enorm! Durch das Urteil sind die Erfolgsaussichten anderer Kläger schlagartig verbessert worden, denn alle Gerichte der unteren Instanzen MÜSSEN sich bei gleich gelagerten Fällen nach der BGH-Entscheidung richten.

Bisher wurde die Frage, ob VW Schadenersatz schuldet, überall unterschiedlich beantwortet. Gut viereinhalb Jahre nach Bekanntwerden der Software-Manipulationen wurden die ersten BGH-Urteile deshalb sehnsüchtig erwartet.

VW wertet das Urteil als „Schlusspunkt“. Der Konzern, „ist nun bestrebt, diese Verfahren im Einvernehmen mit den Klägern zeitnah zu beenden. Wir werden hier mit entsprechenden Vorschlägen auf die Kläger zugehen.“

Klartext: VW will den weiteren Klägern Geld anbieten. Volkswagen dazu: „Anbieten werden wir den Klägern mit Einmalzahlungen eine pragmatische und einfache Lösung. Wie hoch diese sein werden, hängt vom Einzelfall ab.“

Chronologie des Abgasskandals

3. September 2015: Nachdem bei Ermittlungen in den USA erhöhte Emissionswerte bei Volkswagen-Pkw festgestellt wurden, räumt die US-Sparte des Konzerns gegenüber der US-Umweltbehörde EPA die Manipulation der Abgaswerte ein.

Der Öffentlichkeit wird dies zunächst aber nicht bekannt gegeben. Insbesondere bleiben Adhoc-Mitteilungen an der Börse aus, die rechtlich verpflichtend gewesen wären.

19. September 2015: Die EPA wendet sich an die Öffentlichkeit, Volkswagen räumt die Manipulation der Abgaswerte bei Dieselmotoren von fast 500 000 Autos in den USA ein. Der Skandal ist perfekt.

„Manipulieren und Volkswagen, das darf nie wieder vorkommen“, mit diesen Worten wendet sich der damalige VW-Chef Martin Winterkorn tags darauf an die Öffentlichkeit. Ihm tue es „unendlich leid“, dass Volkswagen das Vertrauen seiner Kunden enttäuscht habe.

23. September 2015: Winterkorn tritt zurück, der bisherige Porsche-Chef Matthias Müller folgt auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden.

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Martin WinterkornFoto: Bernd von Jutrczenka / dpa

15. Oktober 2015: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnet den Rückruf von 2,4 Millionen Diesel-Fahrzeugen an. VW weitet die Rückrufaktion freiwillig auf Europa aus, betroffen sind 8,5 Millionen Pkw. Insgesamt ist wohl auf elf Millionen Autos die Software installiert – in Deutschland allein knapp 2,5 Millionen.

Zahlreiche strafrechtliche Ermittlungen folgen. Zunächst klagen vor allem Anleger wegen aktienrechtlicher Themen. Darauf folgten unzählige Klagen von Käufern. Schließlich wurden diese Klagen als Sammelklagen fortgeführt (Musterfeststellungsklagen).

November 2018: Hinter der am Oberlandesgericht in Braunschweig eingereichten Klage standen am Ende 470 000 Personen, die sich für die Musterfeststellungsklage registriert hatten.

April 2020: 235 000 Kunden haben sich mit dem Konzern auf eine Vergleichszahlung geeinigt. Der Vergleich ist vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) ausgehandelt worden. Insgesamt gibt es in Deutschland laut VW noch 60 000 Klagen, in denen Dieselhalter Schadenersatz von VW verlangen. Und die haben mit dem BGH-Urteil nun gute Aussichten!

Was wurde manipuliert?

Von der Manipulation betroffen war eine spezielle Software der Motorsteuerung. Die Motoren vom Typ EA189 wiesen aus, dass sie auf Prüfständen die Abgasnormen einhielten. Im tatsächlichen Straßenverkehr wurde dagegen ein Großteil der Abgasreinigung abgeschaltet.

Die manipulierten Dieselmotoren stießen deshalb bis zu sieben Mal mehr giftige Stickoxide aus, als bei den Tests der Zulassungsbehörden angezeigt wurde. Sogenannte Abschalteinrichtungen sind schon seit Januar 2013 EU-weit verboten.