Wieder Hoffnung in deutschen Chefetagen
Die deutsche Wirtschaft verzeichnet erwartungsgemäß das größte Minus seit der Finanzkrise, aber das Tal könnte durchschritten sein.
Export, Privatkonsum und Unternehmensinvestitionen brachen in der Coronakrise ein: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im ersten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal um 2,2 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die Behörde bestätigte damit erste Daten. Noch schlechter dürfte Ökonomen zufolge das zweite Quartal ausfallen, das den April mitnimmt und mit Juni endet. Die deutsche Wirtschaft rutscht damit technisch gesehen offiziell in eine Rezession.
Doch es scheint ein Licht am Ende des Tunnels zu geben. Nach ihrem historischen Tief hellt sich etwa die Stimmung in den deutschen Chefetagen wieder etwas auf. Der Ifo-Geschäftsklimaindex für Mai stieg von 74,2 Punkten im April auf 79,5 Zähler, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag mitteilte. "Die ersten Lockerungen sorgen für einen Hoffnungsschimmer", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Volkswirte hatten nur mit einem Anstieg auf 78,3 Punkte gerechnet. Deutscher Bund und Länder haben erste Lockerungen der strikten Eindämmungsmaßnahmen gegen die Coronapandemie eingeleitet.
Im Verarbeitenden Gewerbe legte das Barometer deutlich zu - allerdings nur wegen der stark verbesserten Erwartungen. "Von Optimismus sind die Industriefirmen aber noch weit entfernt", betonte Fuest. "Die aktuelle Lage stuften sie nochmals erheblich schlechter ein." Im Dienstleistungssektor ging es nach dem Rekordtief im April ebenfalls merklich nach oben. "Dennoch überwiegt bei den Unternehmen noch immer der Pessimismus", erklärte der Ifo-Präsident. Auch im Handel und am Bau hellte sich die Stimmung auf.
Stärkster Rückgang seit globalen Finanzkrise 2008
"Der Mai stand im Zeichen der Lockerungen", sagte LBBW-Chefökonom Uwe Burkert, warnte aber zugleich: "Für Optimismus ist es natürlich viel zu früh." Auch DekaBank-Experte Andreas Scheuerle sieht die Wirtschaft noch nicht über den Berg. "Es bleibt nämlich die Unsicherheit, ob Corona in einer zweiten Welle zurückkommt."
Der konjunkturelle Einbruch zum Jahresanfang war in Deutschland der stärkste Rückgang im Quartalsvergleich seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 und der zweitstärkste seit der deutschen Wiedervereinigung.
Die Schließung zahlreicher Geschäfte ab Mitte März zur Eindämmung der Pandemie bremste den Privatkonsum. Die Konsumausgaben der Verbraucher brachen im ersten Vierteljahr um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal ein. Der Privatkonsum ist eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur und macht gut die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Der Export von Waren und Dienstleistungen verringerte sich im ersten Quartal um 3,1 Prozent.
Unternehmen investierten deutlich weniger in Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und andere Ausrüstungen (minus 6,9 Prozent). Gestiegene Bauinvestitionen (plus 4,1 Prozent) und Konsumausgaben des Staates (plus 0,2 Prozent) verhinderten einen noch stärkeren Absturz.
Mit dem neuen Optimismus in den Chefetagen dürften die Investitionen für Deutschland in die Höhe gehen.
Die deutsche Regierung will Anfang Juni ein Konjunkturprogramm beschließen. Ziel ist es, die Wirtschaft im Zuge der schrittweisen Lockerung der Coronabeschränkungen anzukurbeln. In der schwarz-roten Koalition wird aber um die richtigen Inhalte sowie die Kosten gestritten. (apa,dpa-afx,reuters)