Zwei Flaschen Sekt gestohlen: Mehrfach vorbestrafter Rentner muss ins Gefängnis
Nach Diebstahl im Oberammergauer „Lidl“
Ein mehrfach vorbestrafter Ammertaler (74) muss ins Gefängnis. Er hatte in Oberammergau zwei Flaschen Sekt gestohlen.
Garmisch-Partenkirchen – Kurz vor der Urteilsverkündung sind sich Richter und Staatsanwältin nicht einig gewesen: Andreas Pfisterer las vor, dass der Angeklagte auf 18 Eintragungen im Bundeszentralregister komme. „Ich habe hier 19 stehen“, verbesserte Marie Sekretaruk. Diese Vielzahl an Vorstrafen und seine hohe Rückfallquote wurde dem Beschuldigten zum Verhängnis. Pfisterer verdonnerte den Rentner vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen zu einer Gefängnisstrafe.
Ein guter Bekannter
„Ich kenne Sie hinlänglich. Sie kapieren es nie und werden immer wieder straffällig.“ Das Vergehen des Ammertalers war sehr gering: Der 74-Jährige hatte im „Lidl“ in Oberammergau zwei Flaschen Sekt im Wert von 4,44 Euro gestohlen.
„Alberne Geschichte“
Pfisterer begrüßte den Beschuldigten, der von zwei Polizeibeamten vorgeführt wurde, schon fast wie einen alten Bekannten. „Immer wieder sind Sie hier. Wie oft haben wir uns hier schon gesehen?“, wandte sich der Amtsrichter an den Angeklagten. Dessen ehrliche Antwort: „Zu oft.“ Den Tatvorwurf bestritt er sogleich. Er gab an, vielmehr nur eine Flasche alkoholfreien Sekt „Faber light life“ mit in den „Lidl“ genommen zu haben. „Die habe ich vorher beim ,V-Markt’ in Saulgrub gekauft“, betonte er. Als Muster habe er den Sekt in den ,Lidl’ mitgeführt, um das Angebot zu vergleichen. „Erzählen Sie doch keinen Unfug“, unterbrach ihn Pfisterer barsch, „wie blöd kann man denn sein!“ Der vielfach wegen Diebstahls verurteilte Straftäter geht ohne Kassenzettel mit einer Flasche vom „V-Markt“ in den „Lidl“: Diese Version wollte der Amtsrichter so gar nicht glauben, er bezeichnete sie gar als „alberne Geschichte“. Pfisterer: „Sie wollen dem Gericht einen Bären aufbinden.“
Zeugin bringt Licht ins Dunkel
Was war mit der zweiten Flasche, die der Rentner gestohlen haben soll? Licht ins Dunkel brachte eine „Lidl“-Verkäuferin, die als Zeugin aussagte. Sie wurde von der Kollegin, die den Angeklagten an der Kasse mit der Flasche in der Innentasche erwischte, an die Kasse gerufen. Die Zeugin führte den 74-Jährigen anschließend ins Büro. Nachdem er angegeben hatte, den Sekt nicht gestohlen, sondern von draußen mitgebracht zu haben, telefonierte sie mit dem Filialleiter. „Der Angeklagte sagte, dass er die Flasche nicht im Auto hat lassen können, weil er kein Auto hat und zu Fuß da war.“ Die Mitarbeiterin des Discounters ließ den Rentner wegen des geringen Warenwerts gehen. Als sie ihr Telefonat beendet hatte, lag in einem Einkaufswagen neben dem Büro eine weitere Flasche Sekt. Die Unterammergauerin vermutete, dass der Angeklagte die zweite Flasche noch schnell loswerden wollte, bevor er damit beim Verlassen des Ladens erwischt worden wäre. Als die 37-Jährige auf den Parkplatz sah, fuhr der Verdächtige gerade seelenruhig mit dem Auto davon – das er angeblich ja gar nicht hatte.
Richter hat keinen Zweifel
Bei der Befragung durch den Rechtsanwalt des Angeklagten kam die Verkäuferin kurz ins Grübeln. Sie musste zugeben, nicht gesehen zu haben, dass der Beschuldigte eine weitere Flasche Sekt einstecken hatte. Und auch an die Marke des ersten Schaumweins konnte sie sich nicht erinnern und sprach von „Mumm“ oder „Rotkäppchen“. Trotz dieser Ungereimtheiten: Richter Pfisterer hatte keine Zweifel an der Schuld des Ammertalers.
Umfangreiches Strafregister
Den Angeklagten traf die ganze Härte des Strafrechts. Denn nicht die 4,44 Euro Verkaufswert wurden ihm zur Last gelegt, sondern das Ausmaß seines umfangreichen Strafregisters und die wiederholten Diebstähle. Erst im vergangenen Jahr hatte ihn Pfisterer für das gleiche Vergehen zu vier Monaten verdonnert. Dass der 74-Jährige die erste Flasche als Vergleichsmuster mitgenommen haben soll – für Pfisterer „eine haarsträubende Story“. Auch die zweite Sektflasche im Einkaufswagen im separaten Bereich ordnete der Richter dem Beschuldigten zu.
Bewährung kein Thema
Die Strafe zur Bewährung auszusetzen – „dazu verliere ich kein Wort“, sagte Pfisterer. Wenn der Angeklagte gestanden hätte, hätte ihm der Richter drei oder vier Monate Knast aufgebrummt, betonte er abschließend. So aber schickte Pfisterer den Rentner für sechs Monate ins Gefängnis. Hier waren sich die Staatsanwältin und der Richter einig: Denn sechs Monate Freiheitsstrafe hatte Marie Sekretaruk in ihrem Schlussvortrag gefordert.
Alexander Kraus
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