Nichts kann Nix stoppen: Freilichttheater trotz Pandemie

by
https://www.suedostschweiz.ch/sites/default/files/styles/np8_full/public/media/2020/05/25/20200525095929309.jpg?itok=4MaWVg0Q
Christoph Nix, Intendant des Stadttheater Konstanz, bei der Kunstgrenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen.
Keystone/GIAN EHRENZELLER

Nix geht. Doch bevor sich der Intendant des Theaters Konstanz in den Ruhestand verabschiedet, macht er nochmals weit über die Landesgrenze von sich reden. Nichts tun, das geht für Christoph Nix gar nicht. Auch von der Corona-Pandemie, die den Theaterbetrieb seit Wochen lahmlegt, lässt sich der streitbare und erfolgreiche Intendant des über 400 Jahre alten Theaters am Bodensee nicht stoppen.

Seit das Theater wegen des Virenschutzes geschlossen wurde, sendet es Mitschnitte von Inszenierungen, Hörspiele und Lesungen via Internet direkt in die Wohnzimmer. Unermüdlich kämpft der Theaterwissenschaftler und Jurist mit zweifachem Doktortitel dafür, dass sein Stück «Hermann der Krumme oder die Erde ist rund» am 4. Juli auf dem Münsterplatz in Konstanz uraufgeführt werden kann.

Die Menschen trösten

«Ich frage mich zwar jeden Morgen, warum ich mir das alles antue», sagte der 65-Jährige bei einem Treffen an der Landesgrenze gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Doch für Nix ist klar, dass die von ihm vor zehn Jahren ins Leben gerufenen Festspiele auf dem Münsterplatz auch in Zeiten der Corona-Pandemie stattfinden müssen. «Es ist die Aufgabe von uns Künstlerinnen und Künstlern, die Menschen zu trösten und Kunst zu machen, die - wie Karl Valentin sagt - aber verdammt viel Arbeit macht.»

Die Arbeit hat Nix in den 14 Jahren seiner Intendanz nie gescheut. Er ging mit seinem Ensemble dorthin, wo das Publikum ist: auf den Münsterplatz und auf eine alte Fähre auf dem Bodensee, in Kinderkrippen oder ins Gefängnis und auf den Ostschweizer Hausberg Säntis.

Unter Nix stiegen die Zuschauerzahlen in Konstanz von 80«000 auf 100»000 Besucherinnen und Besucher jährlich. Trotzdem fällt seine Bilanz gemischt aus: «Tolles Publikum, stinke armes Theater, Politik nimmt zu viel Einfluss, zu wenig Visionen in der Stadt», resümiert er kurz und knapp.

Für rote Köpfe gesorgt

Die Visionen des gebürtigen Hessen passten in Konstanz nicht allen. Mit seiner provokativen Art sorgte der promovierte Jurist und Theaterwissenschaftler, der sich auch zum Clown ausbilden liess, bei Konstanzer Kommunalpolitikern mehrfach für rote Köpfe. Nix warf den Verantwortlichen vor, sie wollten das Theater tot sparen, kritisierte die fehlende Demokratie im Stadtparlament, kämpfte (vergeblich) für den Erhalt des Programmkinos bei der Marktstätte oder kritisierte das Fällen alter Bäume.

Zum Eklat kam es vor zwei Jahren. Damals verlangte der Intendant, dass der Gemeinderat seinen Vertrag verlängere. Als er dies ablehnte, weigerte sich Nix, die Baden-Württembergischen Theatertage auszurichten, für welche die Stadt sich zuvor beworben und den Zuschlag erhalten hatte.

Kurz vor seinem unfreiwilligen Abgang setzt der Intendant, der gemäss eigenen Angaben selbst zu einer Risikogruppe gehört, nun alles daran, dass sein Stück trotz Corona-Pandemie auf dem Münsterplatz gespielt wird.

Unstimmigkeiten hinter den Kulissen

Unterstützung suchten Nix und seine Mitarbeiter beim Institut für Virologie der Universitätsklinik Freiburg. Ausserdem wandten sie sich in einem offenen Brief an die Kulturverantwortliche im Bundeskanzleramt. Danach legte das Theater dem Konstanzer Gemeinderat ein Schutzkonzept vor, mit welchem sowohl Zuschauer wie Theaterschaffende vor einer Infektion geschützt werden sollen.

Anfang Mai hat der Konstanzer Gemeinderat unter Vorbehalt grünes Licht für die Freilichtspiele in der Altstadt gegeben. Ob «Hermann der Krumme oder die Erde ist rund» diesen Sommer tatsächlich aufgeführt wird, ist trotzdem noch nicht klar.

Einige Mitarbeiter hatten in der Öffentlichkeit bezweifelt, dass bei den Arbeiten hinter den Kulissen die Hygienemassnahmen eingehalten werden könnten. «Die eigenen Mitarbeiter sind mir in den Rücken gefallen», beklagte sich Nix. Er verstehe das nicht, wolle aber, dass alle freiwillig dabei seien. Im Notfall setze er auf externe Freiwillige. Angebote habe er bereits.

Zur Geschichte inspiriert habe ihn eine Begegnung mit einer Assistentin vor über 30 Jahren. Die Frau hatte eine ähnliche Behinderung wie der Benediktinermönch Hermann. «Damals hatte ich als Professor für Strafrecht die Angewohnheit, mich Begegnungen zu entziehen, die kompliziert zu werden drohten. Doch bei dieser Mitarbeiterin war das nicht möglich.» Die Frau habe ihn tief beeindruckt, so der Autor.

www.theaterkonstanz.de

Artikel kommentieren