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Imam Vefa Topaloglu (links) und Moschee-Vereinsvorstand Lütfi Ata Yücel bedauern sehr, dass das traditionelle Bayramfest zum Ende des Ramadans heuer ausfallen muss.  © Foto: Melanie Boujenoui

Ramadan in Crailsheim: Corona macht Muslimen einen Strich durch die Rechnung

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In der über 40-jährigen Geschichte der Gurbet-Moschee in Crailsheim, gab es erstmals kein Bayram-Gebet. Gläubige Muslime hätten damit am Sonntag das dreitägige Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan eingeleitet. In der Corona-Krise aber fällt dieses wichtige religiöse Ritual aus.

Für die rund 300 Mitglieder der türkisch-islamischen Gemeinde ist das ein Stich ins Herz. Denn seit die Gebetshäuser Anfang Mai schrittweise wieder öffnen konnten, war im Crailsheimer Moschee-Verein die Hoffnung gewachsen, wenigstens den Abschluss des Fastenmonats gemeinsam begehen zu können.
„Darauf müssen wir verzichten, weil wir nicht mehr als 100 Personen versammeln dürfen“, erklärt Gemeindevorstand Lütfi Ata Yücel. „Was sollen wir dem Hundertundersten sagen? Du darfst nicht mitbeten?“ Yücel ist enttäuscht.Es gebe natürlich die Vorgabe des Kultusministeriums zur „religiösen Ansammlung unter freiem Himmel“, dennoch habe er sich für das Fest am Sonntag eine Sondergenehmigung gewünscht: „Die etwa 3000 Quadratmeter große Moschee-Außenanlage in der Gaildorfer Straße weist Platz für hunderte Gebetsteppiche mit Mindestabstand auf“, ist der Vorstand überzeugt. Die Stadt lehnte aber ab – und so blickte die sunnitische Gemeinde einem Ende des Ramadans „so traurig wie nie“ entgegen.

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Kein Ruf des Muezzins

Auch seinen Anfang April gestellten Antrag, ausnahmsweise den öffentlichen Muezzinruf während der Corona-Krise zu gestatten, hatte die Kommune nicht genehmigt. „Seit Ausbruch der Pandemie war unsere Moschee bis letzte Woche komplett geschlossen. Da wäre es schön gewesen, wenn unser Imam in der Fastenzeit per Mikrofon einmal täglich vom Hof aus zum Gebet hätte rufen können, als Trost und Zeichen der Solidarität“, meint Yücel.

Imam Vefa Topaloglu vergleicht die Situation „mit einem Körper ohne Seele“. Der aus Istanbul stammende Islamgelehrte kam vor knapp zwei Monaten zur Gurbet-Moschee, mitten in schwierige Zeiten hinein: Er erlebte einen Ramadan ohne tägliches Fastenbrechen im Kreis der Gemeinde, ohne die spirituellen Abendgebete, ohne persönlichen Austausch. Selbst seine Familie habe es aufgrund der Grenzschließungen bislang noch nicht zu ihm geschafft.
Doch Topaloglu hat sich schnell umgestellt und Lesungen sowie Unterricht per Facebook und Skype durchgeführt. „Teilen ist ein hohes Gut im Ramadan. Aber die Gesundheit der Menschen geht vor“, sagt der Imam. Wenngleich sämtliche Rituale und Zusammenkünfte in diesem Jahr nicht wie gewohnt stattfinden konnten, sei der Zusammenhalt im heiligen Monat hier in Crailsheim spürbar gewesen.

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Offenheit und Dialog

Topaloglu freue sich auf die vorgesehenen fünf Jahre als Imam der Gurbet-Moschee. Engagiert habe man ihn hier aufgrund seiner Kenntnisse und Persönlichkeit ganz gezielt. „Ich möchte einiges neu strukturieren“, sagt Lütfi Ata Yücel, der seit einem Jahr den Verein führt und beruflich zwei Friseursalons in Crailsheim betreibt. Neben einem Bauvorhaben steht vor allem eine Erweiterung des Bildungsangebotes auf dem Programm, um Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund schulisch und beruflich zu unterstützen.

Durch Offenheit und Dialog will Lütfi Ata Yücel gesellschaftliche Mauern abbauen. „Gurbet bedeutet übersetzt ,in der Fremde‘ – doch das gilt für uns, mittlerweile in der vierten Generation angelangt, so nicht mehr“, betont Yücel: „Wir sind hier in unserer Heimat.“
Die fünf Gebete pro Tag sind in der Moschee möglich

Der Fastenmonat Ramadan begann am 23. April und ist auch eine Zeit der Spenden. Der zum Dachverband DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) gehörige Gurbet-Verein hat die coronabedingte Schließung während des Fastenmonats finanziell relativ gut überstanden. Die Gemeinde finanziert sich unter anderem über Mieteinnahmen sowie Mitgliedsbeiträge. Unter Berücksichtigung der vorgegebenen Schutzmaßnahmen sind in der Gurbet-Moschee wieder die täglichen fünf Gebete möglich: Mindestabstände sind mit Klebeband auf dem Boden markiert. Gläubige sollen die Waschung zu Hause machen und einen eigenen Gebetsteppich mitbringen. Es herrscht Maskenpflicht. Freitagsgebete finden momentan nicht statt.