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Die ersten Schüler in Hamburg durften schon vor einigen Wochen zurück an die Schulen. Am Montag starten nun auch die letzten Altersklassen wieder mit Präsenzunterricht.

Quelle: dpa

„Den Kindern wurde alles weggenommen“

Nach zehn Wochen beginnt in Hamburg am Montag auch für die letzten Altersklassen der Präsenzunterricht wieder – mit ein paar Stunden in der Woche. Ein Start zwischen großer Freude und großer Sorge

Zehn Wochen lang konnte wegen der Corona-Pandemie der größte Teil der Hamburger Schüler nicht in die Schule gehen. Nachdem in den vergangenen Wochen bereits erste Jahrgänge wieder erste Unterrichtsstunden in den Schulen erhalten haben, beginnt am Montag nun auch für die letzten verbliebenen Altersklassen der Präsenzunterricht – zumindest ein bisschen, nämlich für mindestens einen Tag oder fünf Schulstunden in der Woche.

Während sich die meisten Schüler auf ein Wiedersehen mit ihren Klassenkameraden und Freunden freuen dürften, schwingt bei vielen Akteuren im Bildungssystem auch Besorgnis mit.

Nur drei Neuinfizierte am Sonntag

Obwohl die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Hamburg seit Wochen niedrig ist und am Sonntag nur drei neue Fälle gemeldet wurden, ist die Angst vor einem Ausbruch des Virus an der eigenen Schule ist bei Lehrern wie Eltern vorhanden. Die Sorge, dass der Präsenzunterricht nicht so funktionieren könnte, wie er müsste, treibt die verantwortlichen Schulleiter um.

Hohe Auflagen an den Schulen

Die Auflagen für die Schulen sind hoch. Schüler und Lehrer müssen stets mindestens 1,50 Meter Abstand halten, keine Lerngruppe darf größer als 15 Schüler sein, jeder Schüler muss seinen festen Platz und ständigen Zugang zu Desinfektionsmittel haben, und auch in den Pausen wird mindestens bis zu den Sommerferien mehr verboten sein als erlaubt.

„Wir versuchen alles, damit Schule wieder in der direkten Begegnung stattfinden kann“, hat der Schulleiter des Helene-Lange-Gymnasiums, Holger Müller, in seinem aktuellen Brief an Eltern und Schüler geschrieben. Bildung und Erziehung bräuchten die Begegnung von Mensch zu Mensch. „Daran arbeiten wir engagiert, zuversichtlich und zielstrebig“, schreibt Müller. Dennoch sei die Planung der letzten Wochen die „Quadratur des Kreises hoch 2“ gewesen, weil die Aufgabe so komplex gewesen sei.

Schulen können Modell für Präsenzunterricht frei wählen

Wie in den meisten Bundesländern können die Schulen auch in Hamburg selbst bestimmen, in welchem zeitlichen Wechsel die Schüler den Fern- und den Präsenzunterricht bekommen. Laut Schulbehörde würden viele Gymnasien und Stadtteilschulen den Wechsel der Schülergruppen von Woche zu Woche bevorzugen, viele Grundschulen hingehen einen Wechsel von Tag zu Tag oder ein Vormittags-Nachmittags-Modell.

Nadine Runge hat eine zehnjährige Tochter, die die 5. Klasse der Stadtteilschule Winterhude besucht. Nach den Ferien wird die Zehnjährige immer dienstags für fünf Unterrichtsstunden in die Schule gehen. „Für mich erwarte ich dadurch keine Entlastung“, sagt Runge, die als freiberufliche Journalistin arbeitet und sich die vergangenen Wochen zwischen Büro und Arbeiten am heimischen Schreibtisch aufgeteilt hat, „Ich freue mich aber einfach für meine Tochter, weil die sich unglaublich auf die Schule freut. Sie bekommt dadurch ein ganz, ganz kleines Stück Normalität zurück.“

Für die Kinder war die Zeit ohne Schule schwer

Zwar seien die vergangenen Wochen mit Fernunterricht gut gelaufen. „Unsere Schule hat das sehr gut hinbekommen. Schon zwei Tage nach der Schulschließung hatten zum Beispiel alle Schüler einen Zugang zum Videochat. Die Schule gibt sich wirklich große Mühe, die Kinder und Jugendlichen gut zu betreuen und zu begleiten.“ Dennoch hofft Runge, dass der Präsenzunterricht „noch etwas ausgeweitet werden kann“. Für ihre Tochter seien die vergangenen Wochen eine schwierige Zeit gewesen.

„Den Kindern wurde alles weggenommen“, sagt die 47-Jährige. „Die meisten Erwachsenen konnten wenigstens weiter arbeiten und seit ein paar Wochen ja auch wieder so normale Dinge machen, wie shoppen gehen.“ Für die Kinder aber sei außer der Öffnung der Spielplätze bislang wenig Alltag zurückgekehrt. „Der direkte Kontakt zu den Freundinnen und Freunden fehlt ihnen doch sehr.“

Gewerkschaft kritisiert, viele Vorgaben seien nicht einhaltbar

Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, sieht eher die Schwierigkeiten, die die Schulöffnungen mit sich bringen. Die Krise mache deutlich, was in den vergangenen Jahrzehnten zum Beispiel beim Schulbau versäumt worden sei, sagt sie. „In alten Schulgebäuden haben wir häufig zu kleine Räume. Auch in den Fluren stoßen die Schulen häufig an ihre Grenzen, wenn sie einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten sollen.“

Noch schwieriger sei die Lage im Sanitärbereich. „Zu wenige Toiletten, kein Warmwasser und der bisherige Reinigungsaufwand erfüllen kaum die normalen Anforderungen und entsprechen erst recht nicht den jetzt nötigen Hygienemaßnahmen in Corona-Zeiten“, kritisiert Bensinger-Stolze.

Schulbehörde zuversichtlich, dass der Start gut klappt

In der Schulbehörde sieht man dem Start nach Aussage eines Sprechers deutlich positiver entgegen. Man habe sich mit den Sprechern aller Schulleitungen ausgetauscht und „daher ein gutes Gefühl“. Alle Schulen hätten umfassende Hygienekonzepte entwickelt und bereits vor den Maiferien mit der schrittweisen Ausweitung des Präsenzunterrichts „gute Erfahrungen“ gesammelt. Daher sei man sehr zuversichtlich, dass auch die nächsten Schritte der Öffnung gut klappen würden.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) selbst spricht von einem behutsamen Öffnen der Schulen und verteidigt den Weg gegenüber Kritikern aus beiden Richtungen. „Dabei wollen wir alle mitnehmen, die Ungeduldigen genauso wie die Ängstlichen“, sagt Rabe.

Schon bei leichten Symptomen wird ein Corona-Test gemacht

Begleitet wird die Öffnung der Schulen in Hamburg mit einem erweiterten Testverfahren, sollte es zu Infektionen oder Corona-Verdachtsfällen in den Schulen kommen. So sollen alle Schüler schon beim leichtesten Symptom einer Atemwegserkrankung auf Sars-CoV-2 getestet werden.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, werden alle Personen, auch im erweiterten Umfeld getestet. Die Stadt erhofft sich dadurch Erkenntnisse darüber, woher die Schüler die Infektion haben – und im Fall der privaten Ansteckung nicht die Schuld in den Schulöffnungen suchen zu müssen. Denn eins möchte niemand: dass die Schulen vor den Sommerferien wieder schließen.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: WELT AM SONNTAG

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