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Friedrich Merz© imago images/Sven Simon

Steingarts Morning Briefing: Abschied von Friedrich Merz

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Das Morning Briefing von Gabor Steingart - kontrovers, kritisch und humorvoll. Heute: Sieben Gründe, warum Friedrich Merz nicht Kanzler werden wird.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und liebe Leser,

das Coronavirus beendet Leben, unterbricht Routinen, beschädigt Geschäftsmodelle und ruiniert die Staatskasse. Auch in der politischen Arena sortiert dieses heimtückische Etwas die Verhältnisse neu. Friedrich Merz wird – nach allem, was wir am heutigen Morgen überblicken können – seine Kanzlerambitionen beerdigen müssen. Es sind sieben Gründe, die seine Chancen auf das höchste Regierungsamt zerstören:

Erstens. Die Regierungspolitiker Armin Laschet, Jens Spahn und Markus Söder wussten die Gunst der Stunde zu nutzen und setzten sich als Macher in Szene. Merz, der Anwalt ohne Funktion in Partei und Staat, wirkt plötzlich wie das Mauerblümchen der Konservativen.
Zweitens. Der Staat übernimmt in Zeiten der Pandemie eine dominante Rolle. Er teilverstaatlicht Firmen, alimentiert, subventioniert und spannt Rettungsschirme über Millionen von Beschäftigten. Das Repertoire des ordoliberalen Wirtschaftspolitikers Merz, das er einst mit dem Buchtitel "Mehr Freiheit wagen" umwarb, wirkt in der neuen Lage für viele nicht befreiend, sondern bedrohlich.

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Drittens. Das strategische Versprechen, er werde nennenswerte Teile der AfD-Wählerschaft zurück zur Union führen, scheint durch die Wahlforscher widerlegt. Die AfD-Wähler seien auch beim jetzigen Umfragehoch der Union nicht bereit CDU oder CSU zu wählen (siehe Grafik) und würden – sagt Forsa-Chef Manfred Güllner – eher wieder im Niemandsland der Nicht-Wähler verschwinden als in die politische Mitte zurückkehren. Güllner schrieb am Wochenende in einer Analyse: "Die Daten zeigen, dass alle zur AfD tendierenden Personen – gleichgültig ob sie sich zum ,Meuthen‘- oder zum ,Höcke/Kalbitz-Lager‘ rechnen – ein fest gefügtes rechtsradikales und völkisches Weltbild besitzen. Anders als Merz glaubt, ist diese homogene weitgehend geschlossene Wertegemeinschaft nicht für CDU oder CSU zu gewinnen."

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Viertens. Der dominante Partner der Union nach der kommenden Bundestagswahl werden ohnehin nicht die AfD oder die FDP sein, sondern die Grünen. Am erfolgreichsten waren Koalitionsregierungen aber immer dann, wenn es zur politischen Pärchenbildung kam: Brandt/Scheel; Kohl/Genscher; Schröder/Fischer. Ein Kabinett der Antagonisten – Friedrich Merz/ Annalena Baerbock – wäre für niemanden eine Verlockung. Das riecht nicht nach Neuanfang, sondern nach Selbstblockade.

Fünftens. Auch innerhalb der Wirtschaft verliert Merz an Attraktivität. Seine Themen – Steuerreform, Geldwertstabilität und schlanker Staat – sind wichtig, aber in der globalen Konkurrenz nicht mehr spielentscheidend. Die neuen Herausforderungen für Deutschland lauten: Start-up-Finanzierung, Plattform-Ökonomie, Elektrifizierung des Automobils und Künstliche Intelligenz. In der digitalen Welt aber ist der Jurist Merz ein gelehriger Azubi, nicht der große Meister.

Längst hat mit Christian Sewing (Deutsche Bank), Christian Klein (SAP) und Ola Källenius (Daimler) eine fast schon jugendlich anmutende Managergeneration übernommen, die in Merz nicht den Leuchtturm sieht, sondern das Rücklicht einer anderen Zeit. Nur noch 17 Prozent der deutschen Führungskräfte sprechen sich derzeit für einen Kanzlerkandidaten Merz aus. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey unter 1500 selbstständigen Unternehmern, leitenden Angestellten und Beamten im höheren Dienst im Auftrag der "Wirtschaftswoche". Auf Platz eins liegt mit 45 Prozent Bayerns Ministerpräsident Söder.

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Sechstens. Die typische Merz-Klientel ist wie er: männlich, christlich und lebt im ländlichen Raum. Die Probleme der CDU aber liegen bei den Jüngeren, den Frauen und in den Metropolen. Das bedeutet: Der 64-Jährige stärkt die Stärken der CDU, aber hilft nicht, neue Wählerschichten anzusprechen. Er ist, um mit den harten Worten der US-Kampagnenplaner zu sprechen, ein "one trick pony".

Siebtens. Last, but not least: Merz ist Solist, kein Teamspieler. Jenseits seines Büros beginnt das Feindesland. Alle infrage kommenden Kandidaten für den CDU-Vorsitz und die Kanzlerschaft sind sich einig in dem Ziel, ihn verhindern zu wollen. Armin Laschet hat es ihm bei einem vertraulichen Treffen im Industrie-Club von Düsseldorf auch genau so gesagt: "Friedrich, du wirst es schon mal auf keinen Fall."

Fazit: Noch hat Merz den innerparteilichen Wettbewerb nicht verloren, wohl aber das politische Momentum. Einst ging er mit dem Zeitgeist Arm in Arm, nun bläst der ihm in Hurrikanstärke ins Gesicht. Wenn der legendäre Unternehmer Henry Ford Recht hat mit seiner Erkenntnis – "Erfolg besteht darin, genau jene Fähigkeiten zu besitzen, die im Moment gefragt sind." – dann hat Friedrich Merz derzeit keine Chancen.

Die Konkurrenz erwacht

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© imago images/Christian Thiel

Die politische Konkurrenz links der Mitte ist aufgewacht. Linkspartei, Sozialdemokraten und Grüne spüren, dass trotz der Hochkonjunktur für die Merkel-CDU, die eigene Themenpalette vor und in der Corona-Krise deutlich an Attraktivität gewonnen hat: Die Staatsgläubigkeit nimmt zu, der Mietendeckel ist populär, die Einführung einer Vermögenssteuer sowieso. Und angesichts der Billionen Schulden steht dem Land mutmaßlich eine neue Ära der Verteilungskämpfe bevor.

Der "Spiegel" berichtet in seiner neuesten Ausgabe glaubhaft, dass die Führung der Linkspartei deshalb in Thesenpapieren ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen vorbereitet. Kraftvolle Staatsintervention und eine spürbare Umverteilungspolitik von oben nach unten, das wäre demnach der Beitrag von Linken und Sozialdemokraten zu einem solchen Regierungsbündnis. Die Grünen bekämen dafür einen Green Deal, der deutlich über die Regierungsbeschlüsse der GroKo hinausginge. Alle gemeinsam würden entschlossen gegen eine AfD-Führung auftreten, die sich völkisch aufgeheizt hat.

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Die objektiven Voraussetzungen, so der Wähler im Herbst 2021 mitspielt, sind jedenfalls in den Parteiführungen besser denn je. Die Doppelspitze der SPD ist dichter an die Linkspartei herangerückt als jede SPD-Führung zuvor. Die Grünen müssen schon aus kulturellen Gründen jede Option offen halten. Bei der Linkspartei wiederum stehen durch den Abschied von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht aus der Bundespolitik die Zeichen auf Versöhnung mit der SPD.

Fehlt nur noch ein bürgerlicher SPD-Kanzlerkandidat, der sich nach der Bundestagswahl elastisch zeigt. Der "Spiegel" beschreibt die Sehnsüchte von Grünen, Linkspartei, SPD und die der eigenen Redaktion so:

Ramelow will auf Schutzvorschriften verzichten

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© imago images/Jacob Schröter

Das Ende des Corona-Lockdowns kommt schneller als gedacht – zumindest wenn es nach dem Willen des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow geht. Der Linke-Politiker will ab 6. Juni landesweit auf spezielle Corona-Schutzvorschriften verzichten. Das heißt: Die bisherigen Regeln zu Mindestabständen, dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz sowie Kontaktbeschränkungen würden dann in Thüringen nicht mehr gelten. Auf seiner Internetseite schreibt Ramelow: "Das Motto soll lauten: ,Von Ver- zu Geboten, von staatlichem Zwang hin zu selbstverantwortetem Maßhalten‘."

Schäuble gründet Gesprächsrunde

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© imago images/Eibner

Es war ein Urteil mit politischer Sprengkraft: Am 5. Mai beanstandete das Bundesverfassungsgericht die milliardenschweren Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank. Die Bundesbank darf sich künftig nur an den Käufen beteiligen, wenn der EZB-Rat deren Verhältnismäßigkeit nachvollziehbar darlegt. Die Karlsruher Richter gaben der Bundesregierung drei Monate Zeit, die EZB zu einer Überprüfung zu bewegen.

Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble weiß, dass die Zeit drängt. Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge gründete der Christdemokrat daher "eine streng vertrauliche Gesprächsrunde, die sich zügig darauf einigen soll, die komplizierten Auflagen aus Karlsruhe umzusetzen". Fest steht bisher: In der Runde ist jede Bundestagsfraktion vertreten sowie die Ausschüsse für Europa, Recht, Haushalt und Finanzen. Ein Treffen gab es bereits, das zweite soll am kommenden Donnerstag stattfinden.

Schäuble sieht Bundesbankpräsident Jens Weidmann als Schlüsselfigur in dem juristischen und politischen Machtpoker: Deshalb wollen der Bundesbankpräsident und der Bundestagspräsident sich vorab unter vier Augen treffen.

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Zwischen Bund und Ländern knirscht es. Heute lesen Sie im Briefing aus der Hauptstadt warum:

► Die Kanzlerin hat die Corona-Gipfeltreffen mit den Länderchefs bis auf Weiteres abgesagt. Inoffizielle Begründung: Die Länder machten ohnehin, was sie wollen. Beim letzten Gipfel wurde Merkel durch gezielte Indiskretionen vorgeführt. Heute wollen die Chefs der Staatskanzleien weitere Öffnungen beschließen und auch die Kontaktbeschränkungen weiter lockern.

► Am Mittwoch legt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Plan für den Wiederaufbaufonds vor. Ein Kompromiss zwischen dem Team Merkel/Macron und den Widerstandsgruppen aus Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark zeichnet sich ab. Ein Kompromiss, der die Vergemeinschaftung von Schulden ausschließen soll.

► Wie lassen sich Corona-Regeln über den Wolken einhalten? Die Bundesregierung ermahnt die Airlines in einer internen Stellungnahme zu verstärkten Hygienemaßnahmen.

US-Botschafter Grenell gibt Posten auf

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© picture alliance/dpa

Er ist mit Sicherheit einer der auffälligsten und streitbarsten US-Botschafter, die es je in Berlin gab: Nun berichtet die Deutsche Presseagentur, dass Richard Grenell nach gerade einmal zwei Jahren seinen Posten als Donald Trumps Chefdiplomat in Deutschland aufgeben wird. Seine Amtsgeschäfte soll vorübergehend Robin Quinville übernehmen, die seit Juli 2018 Gesandte an der Botschaft und damit Stellvertreterin Grenells ist.

Grenell war im Februar überraschend von Trump nach Washington berufen worden, um vorübergehend den Posten des Geheimdienstkoordinators zu übernehmen. Nun ist aber ein neuer, permanenter Koordinator für die 17 Geheimdienste gefunden: Am vergangenen Donnerstag wurde der Kongressabgeordnete John Ratcliffe vom Senat bestätigt.

Die Frage ist, was der US-Präsident als Nächstes mit Grenell vorhaben könnte. Am Sonntag lobte er ihn geradezu überschwänglich für dessen Arbeit als kommissarischer Geheimdienstkoordinator.

Fazit: Der weitere Aufstieg des Journalisten und Fox-News Kommentators deutet sich an. Allerdings: Im Universum von Donald Trump können derartige Prognosen immer nur "a snapshot on a moving target" sein. Der gefeuerte Außenminister Rex Tillerson, der zum Rücktritt gedrängte Verteidigungsminister James Mattis, die entlassenen Stabschefs Reince Priebus sowie John Kelly oder der geschasste FBI-Chef James Comey wissen um die Launenhaftigkeit des Präsidenten.

Nina Ruge bringt Buch übers Altern heraus

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© imago images/Future Image

Altern ist keine Krankheit, zumindest keine offiziell anerkannte. Aber das Altern – und hier insbesondere das Altern von Zellen und Stammzellen – geht mit einem Funktionsverlust von Geweben und Organen einher, die dann wiederum anfällig sind für Krankheiten aller Art.

Warum sind ältere und kranke Menschen besonders von Corona betroffen? Einfach deshalb, weil die altersbedingte Fähigkeit des Körpers das Virus zurückzuschlagen, sich im wörtlichen aller Sinne der eigenen Haut zu wehren, bereits eingeschränkt ist.

Aber wenn die Zellschwäche das Problem ist; wie stellt man dann eine Zellstärke sicher? Damit genau beschäftigt sich die Regenerationsmedizin. Die Journalistin und ehemalige Biologielehrerin Nina Ruge hat nun mit dem Stammzellenforscher und Chirurgen Dr. Dominik Duscher das Buch "Altern wird heilbar" verfasst, das in wenigen Tagen erscheinen wird. Ihre Kernaussage:

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Der Weg ins unbeschwerte Altern führt auch über mehr Achtsamkeit im Alltag. So schreiben die Journalistin und der Mediziner:

Für den Morning Briefing Podcast habe ich mit Nina Ruge gesprochen – über die Funktion der Stammzellen und was zu ihrer Stabilisierung und Revitalisierung getan werden kann. Prädikat: faszinierend.

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Erstens. Am heutigen Montag begehen die US-Amerikaner den Memorial Day und gedenken Kriegsveteranen und Gefallenen. Banken und Börsen sind zu. Die "New York Times" trauerte bereits am Sonntag – jedoch um die Opfer der Coronavirus-Pandemie. Auf ihrer Titelseite druckte die Zeitung in sechs Spalten ganzseitig die Namen von 1000 Verstorbenen. Die Überschrift lautete: "Fast 100.000 Tote in den USA, ein unermesslicher Verlust."

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© New York Times

Zweitens. Deutschland ist im Zuge der aktuellen Ausnahmesituation in eine Rezession gestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes bereits im ersten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal, allerdings offenbar nur um 2,2 Prozent.

Drittens. Gut viereinhalb Jahre nach Auffliegen des Dieselskandals verkündet der Bundesgerichtshof heute ab 11 Uhr das erste höchstrichterliche Urteil. Damit entscheidet sich, ob der Hersteller VW betroffenen Autobesitzern wegen der illegalen Abschaltvorrichtung Schadenersatz zahlen muss.

Viertens. Am Mittwoch präsentiert die Kanzlerin der Spitze des EU-Parlaments die Pläne für die deutsche Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli startet und sechs Monate dauert.

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Fünftens. Reichstag, Kanzleramt, Bundespräsidialamt: An Bord unseres Redaktionsschiffs Pioneer One starten wir ab Mittwoch mit journalistisch geführten Touren durch das politische Berlin. Die Platzanzahl ist – da zeitgleich die Redaktion arbeitet und die Corona-Regeln Abstand gebieten – zunächst auf 15 Personen begrenzt. Alle Informationen finden Sie auf unserer Webseite. Ich freue mich auf Sie.

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Gabor Steingart

"Steingarts Morning Briefing" informiert über das aktuelle Welt- und Wirtschaftsgeschehen. Das "Pre-Breakfast Medium" ist eine moderne Form der Miniatur-Tageszeitung, das neben Nachrichten, Kommentaren und Grafiken auch exklusive Interviews mit Meinungsbildnern aus Politik, Wirtschaft und Kultur veröffentlicht. Der gleichnamige Podcast ist Deutschlands führender Daily Podcast für Politik und Wirtschaft.

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Gabor Steingart