Matura: Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut
by Philipp AichingerIn die Maturanote soll künftig die Leistung des gesamten Jahres einfließen. Es spricht viel für die Idee von Minister Faßmann.
„Non vitae sed scholae discimus“, schrieb einst schon Seneca seinem Schüler, um das Bildungssystem zu kritisieren. Dass man mehr für die Schule als für das Leben lernt, zeigte auch das bisherige Maturasystem. Die Leistung an einem Tag entschied über die Note, egal, wie gut ein Schüler insgesamt war.
Corona-bedingt wird es diesmal anders sein. Und Bildungsminister Heinz Faßmann will das zum Anlass nehmen, um das System dauerhaft zu reformieren. So soll sich die Maturanote nun auch künftig aus den Leistungen während des letzten Schuljahres einerseits bzw. aus der Maturaprüfung andererseits zusammensetzen.
Das kratzt freilich am Gedanken der Zentralmatura, laut dem für alle Schüler bundesweit das selbe Niveau und die selben Regeln gelten sollen. Denn die Schularbeiten im letzten Schuljahr werden vom jeweiligen Klassenlehrer zusammengestellt. Trotzdem spricht mehr für Faßmanns Idee als dagegen. Auch im späteren Berufsleben entscheidet ja selten ein Arbeitstag über das Ergebnis, sondern das, was jemand die ganze Zeit über leistet. Warum sollte also die Maturanote von der Verfassung eines Schülers an einem einzigen Tag abhängen?
Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Und nicht nur bei der Latein-Matura sollten Senecas Worte in der umgekehrten Reihenfolge gelten: Non scholae sed vitae discimus.