Unkrautvernichter
Hoffnung der Bayer-Aktionäre auf schnelle Einigung im Glyphosat-Streit wohl verfrüht
Ein Bericht über eine baldige Einigung im Glyphosat-Verfahren lässt die Bayer-Aktie steigen. Doch Mediator Feinberg dämpft Hoffnung der Investoren.
by Katharina Kort, Bert FröndhoffLeverkusen, New York. Zwischen Bayer und den Klägeranwälten in den Glyphosat-Rechtsfällen ist weiterhin keine kurzfristige Einigung in Sicht. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte der Verhandlungsführer Kenneth Feinberg am Nachmittag, es gebe keine Neuigkeiten in der Sache. Er sei zwar weiterhin vorsichtig optimistisch, dass eine Einigung erzielt werden könne, verwies aber auf weitere Gespräche, die noch einige Wochen dauern könnten.
Feinberg reagierte damit sehr zurückhaltend auf eine Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg, wonach ein Durchbruch bei den Gesprächen erzielt worden sei und die Parteien sich mündlich auf eine Beilegung eines Großteils der Klagen geeinigt hätten.
Feinberg leitet als neutraler Mediator die Gespräche zwischen beiden Parteien, an deren Ende ein milliardenschwerer Vergleich stehen könnte. Im Raum stehen Zahlungen von Bayer in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro.
In Bayer-Kreisen werden die Spekulationen ebenfalls nicht bestätigt. Die Gespräche seien weiterhin im Fluss, das Timing in dem Bloomberg-Bericht könne nicht bestätigt werden. Darin hatte es geheißen, eine Einigung über die Beilegung von bis zu 85.000 der insgesamt 125.000 Klagen sei erzielt worden und werde im Juni verkündet. Auch die genannten Zahlen wurden in Bayer-Kreisen nicht bestätigt.
Die in der Bloomberg-Meldung unterstellte Aussicht auf einen baldigen Vergleich in den zahlreichen Schadensersatz-Verfahren wegen des Unkrautmittels Glyphosat hat dem Bayer-Konzern am Montag kräftigen Auftrieb an der Börse verliehen. Die Aktie des Leverkusener Konzerns legte bis zum Nachmittag um rund acht Prozent auf 62,50 Euro zu und war damit Tagesgewinner im Dax-30.
Die amerikanische Nachrichtenagentur hatte berichtet, der Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern habe eine mündliche Vereinbarung zur Beilegung von geschätzt 50.000 bis 85.000 Klagen getroffen. Die Zahlungen für die beigelegten Fälle bewegten sich zwischen einigen Tausend Dollar und einigen Millionen Dollar. Es sei aber noch kein Deal unterschrieben worden. Zudem müsse auch der Aufsichtsrat von Bayer noch zustimmen.
Dass sich Bayer auf eine Einigung mit den zahlreichen Klägern zubewegt, ist schon seit Längerem bekannt. Die Gespräche wurden in den vergangenen Monaten aber durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen verzögert.
Wie Bayer im jüngsten Quartalsbericht mitteilte, wurden dem Konzern bis zum 14. April in den USA Klagen von rund 52.500 Klägern zugestellt. Sie machen Schadensersatz für Gesundheitsschäden geltend, die angeblich von dem Unkrautvernichter ausgelöst wurden.
Bayer-Chef Werner Baumann hatte wiederholt Bereitschaft zu einer Einigung mit den Klägern signalisiert. Diese müsse aber wirtschaftlich sinnvoll sein und sicherstellen, dass auch künftige Ansprüche und Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Glyphosat damit ausgeräumt sind.
Roundup soll weiter auf dem Markt bleiben
Die Klagewelle hat sich der Konzern mit dem 63 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgut- und Pflanzenschutzherstellers Monsanto eingehandelt, der Glyphosat entwickelt hat und unter dem Namen Roundup vertreibt. Kläger und Kritiker machen das Mittel für Krebserkrankungen verantwortlich. In drei erstinstanzlichen Verfahren wurde Bayer zu hohen Schadensersatzsummen verurteilt. Mit einer Entscheidung im ersten Berufungsverfahren in den USA rechnet Bayer-Chef Baumann Ende August.
Experten schätzen bisher, dass eine umfassende Einigung mit den Klägern den Konzern zwischen acht und zwölf Milliarden Dollar kosten dürfte. Laut Bloomberg will Bayer nun acht Milliarden Dollar für die Lösung aller aktuellen Fälle sowie weitere zwei Milliarden Dollar für künftige Klagen bereitstellen.
Der Unkrautvernichter Roundup soll in den USA weiter für den Einsatz in Gärten und landwirtschaftlichen Betrieben ohne Sicherheitshinweis verkauft werden. Manche Analysten waren dagegen bisher davon ausgegangen, dass sich Bayer im Rahmen eines Vergleichs auch zu einem Verkaufsstopp für Privatanwender verpflichten würde.
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