Serie Corona im Ausland: Judith Hansel aus Bempflingen auf Malta: „Fühle mich gut aufgehoben“

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Für SWP Corona-Serie berichtet die Tübinger Studentin Judith Hansel (22), die aus Bempflingen stammt, vom Auslandsaufenthalt auf Malta. © Foto: Judith Hansel/Privat
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Keine Touristen, dafür Proteste, weil ein Flüchtlingsschiff abgewiesen wurde – Covid-19 hat das Leben der Studentin Judith Hansel (22) auf Malta verändert. Aber nicht zum Negativen. © Foto: Judith Hansel/Privat
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Für SWP Corona-Serie berichtet die Tübinger Studentin Judith Hansel (22), die aus Bempflingen stammt, vom Auslandsaufenthalt auf Malta. © Foto: Judith Hansel/Privat

Sie stammt aus Bempflingen und studiert in Tübingen, schreibt Judith Hansel per Mail. „Ich bin 22 Jahre alt und studiere Englisch und Spanisch auf Lehramt. Um mein Englisch in einem englischsprachigen Land zu verbessern und eine andere Kultur kennenzulernen, nehme ich im Rahmen des Erasmus-Austauschprogramms, das Studierenden ermöglicht, an verschiedenen europäischen Universitäten ein oder zwei Semester zu studieren, an einem fünfmonatigen Auslandsaufenthalt an der Universität von Malta teil.

Ich bin am 1. Februar 2020 angekommen und hatte vor, bis zum Semesterende am 30. Juni zu bleiben. Als dann Mitte März Covid-19 auch Malta erreicht hat, hat die Universität auf Online-Unterricht umgestellt. Die Umstellung wurde sehr gut organisiert, so sind wir am Freitag, 13. März, noch in der großen Aula mit ganz vielen Studierenden gesessen, und ab dem darauffolgenden Montag fanden dann die Vorlesungen und Seminare nur noch in Videokonferenzen auf Zoom statt.

Merkwürdig private Einblicke

Zu Beginn war das sehr merkwürdig, man hat Einblicke in die Wohnzimmer, Küchen oder Schlafzimmer der Kommilitonen und Professoren, und für alle ist diese Situation eine völlig Neue gewesen. Doch jetzt sind die lauten Rufe des Sohns unserer Professorin, der ein Computerspiel im Hintergrund spielt und ‚Back me up, we have to fight together’ ruft, oder die Katze eines anderen Professors, die Aufmerksamkeit genau dann braucht, wenn wir Online-Lecture haben, zur neuen Normalität geworden.

Außerhalb der Universität hat Malta auch vielfache Schutzmaßnahmen ergriffen, so wurden schon bevor der erste Covid-Fall hier auftrat, die Flüge radikal gestrichen, und man konnte sehen, wie die Insel immer leerer wurde, aufgrund des Mangels an Touristen.

Einmalig: Menschenleere Insel

Meine internationalen Freunde und ich sowie wohl auch die Malteser, haben eine einmalige Sicht auf Malta, denn die kleine Insel ist so menschenleer, wie sie wohl kaum jemand sonst gesehen hat. Normalerweise ist es schon allein wegen der Fernsehserie ‚Game of Thrones’, für die viele Szenen auf Malta gedreht wurden, ein beliebtes Reiseziel.
Die Schutzmaßnahmen auf Malta beinhalten die Beschränkung öffentlicher Zusammenkünfte auf drei Personen, die Schließung von Schulen, Universitäten, Friseuren und Läden, die nicht Essen verkaufen. Im Bus, und in den Supermärkten müssen Masken getragen werden und viele Supermärkte beschränken den Einlass auf eine geringe Anzahl an Kunden zur selben Zeit.
Auch wurde ein Gesetz entworfen, um künftig die bewusste Weitergabe des Virus mit Gefängnis bestrafen zu können, nachdem ein positiv getesteter Patient sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen hatte. Durch die schnelle Reaktion auf das Virus und dadurch, dass Malta erst relativ spät erste Fälle hatte, verbreitet sich Covid lange nicht so rasant wie in anderen Ländern, und ich fühle mich sehr gut aufgehoben hier.

Vorteil: Abgeschiedenheit

Malta hat den Vorteil, eine kleine Insel relativ abgeschieden inmitten des Mittelmeers zu sein, und doch bringt dies auch andere Herausforderungen mit sich. Denn wie geht man mit einem ankommenden Flüchtlingsschiff inmitten einer Pandemie um? Ist das Grund, den Flüchtlingen aus Libyen keine Hilfe anzubieten? Viele Online-Proteste und ein maltesischer Student, der stillen Protest vor dem Haus des Präsidenten gehalten hat, indem er dort gecampt hat, sind die Antwort auf die politische Entscheidung, das Flüchtlingsschiff nicht aufzunehmen. Eine völlig neue Situation für mich. Die Nähe zu Afrika und zu den unzähligen Flüchtlingen, die so nah vor Malta ertrinken, lassen mich inmitten der Pandemie darüber nachdenken, was wirklich wichtig ist, und wie es möglich ist zu helfen.

Natürlich haben Covid und die Beschränkungen mein Leben hier sehr verändert, auch da viele meiner Freunde mit ‚repatriational flights’ nach Hause geflogen sind und die Online-Kurse von dort machen. Nichtsdestotrotz habe ich eine unglaublich schöne Zeit hier, denn auf unzähligen Wanderungen, die immer wieder Bade- und Schnorchelstopps beinhalten, lässt sich die freie Zeit zwischen den Online-Kursen und Essays gut vertreiben.

Spätzle und Shepherd’s Pie

Ich tausche mit meiner britischen Mitbewohnerin viele Rezepte aus. So kam sie in den Genuss eines Kochkurses zu schwäbischen Kässpätzle, und im Gegenzug lernte ich den traditionellen Shepherd’s Pie zuzubereiten. Dies endet immer in Gelächter, denn wer hat schon mal Spätzle mit einer Kreditkarte geschabt, weil kein Spätzlesschaber zur Hand war?

Generell kann man auf Malta einen starken Zusammenhalt aufgrund von Covid-19 beobachten. In unzähligen Türen und Fenstern sind selbstgemalte Regenbogenbilder mit der Aufschrift ‚Everything will be okay’ (auf Deutsch etwa ‚Alles wird gut’, d. Red.) oder ‚Stay safe’ (‚Bleibt gesund’, d. Red.) zu sehen. Auch sieht man viele leerstehende Hotels, die die Fenster erleuchtet haben mit Hope-Bildern.“
Serie zu Corona-Erlebnissen im Ausland

Teil 12 Viele Menschen in der Region sind international vernetzt, haben Freunde, Familie, ehemalige Mitschüler, die Studium, Beruf oder die Liebe irgendwann ins Ausland lockten. Sie finden sich heute über den ganzen Globus verteilt. Wie erleben sie dort die Coronakrise? Nach Berichten aus London, Stockholm, Paris, Seoul, Costa Rica, Australien, Kanada und den USA berichtet in dieser Folge Judith Hansel aus Bempflingen von ihren Erfahrungen auf Malta.

Aufruf Kennen Sie jemanden, der sein Leben zur Coronazeit im Ausland schildern möchte? Kontaktieren Sie uns: muv.redaktion@swp.de