Weltmusik
Prototyp des Afropop
by Philipp KauseMory Kanté, der Eisenbahnen, Jazzfestivals und Techno-Clubs bespielte, ist im Alter von 70 Jahren gestorben.
Yé ké yé ké“ bedeutet ‚hey, super‘ in der westafrikanischen Sprache Mandinke. Hart, voller gerollter ‚r‘, trockener ‚k‘- und ‚t‘-Laute, taugt sie doch bestens als Gesangssprache für weiche Melodien aus dem Synthesizer. Mory Kanté fand damit in Israel, Indien, ganz Europa und den USA Fans.
Früh verlässt er diese Welt. Sie entspricht nicht der fröhlichen Utopie, die der Diskotheken-Barde im Song „Africa 2000“ seinerzeit, 1987, ausmalte. Er träumte vom Panafrikanismus, stellte sich euphorisch den Kontinent wie eine EU vor.
Im leichten Liebeslied „Yeke Yeke“ auf derselben CD „Akwaba Beach“ himmelt eine junge Frau einen Mann an, sie sei dessen „Prinzessin“. Vorgetragen von einem Herrn – Tradition bei den „Griots“. Sie sind fahrende Boten von Neuigkeiten sowie überlieferten Erzählungen. Die Kora diente als Hauptinstrument, eine mannshohe Harfe: Kantés Ein und Alles! Er mühte sich stets, das 21-saitige Gebilde im Flugzeug zu transportieren. Das Reisen trieb ihn an.
Als Teenager verließ er sein Land, um sich im rund 1000 Kilometer entfernten Bamako, in Mali, zum Griot „initiieren“ zu lassen und schloss sich der Rail Band an. Sie unterhielt Bahn-Fahrgäste aus Wirtschaft und Politik während der lang(sam)en Reisen durchs Savannengebiet. Bei dieser Combo verbrachte Kanté die Jahre 1972 bis 76. Deren längste Nummer umfasste 28 Minuten, „Soundiata“. Im Stück „Armée Malienne“ huldigte die Band der Militärdiktatur, damals im Grenzstreit mit Burkina Faso. Kanté stieg aus, emigrierte erneut, zog ohne gültige Papiere in den Künstler-Untergrund von Paris, wagte eine Tournee nach Italien, wo sein Stil den Italo-Disco-Nerv traf.
Was „Weltmusik“, „Ethno-Pop“ und „Worldbeat“ heißen wird, boomte. Als Thema emotionalisierte die Apartheid, auch bei Kanté in „Nonsense“. Seine Kassette „10 Cola Nuts“ platzierte 1986 Keyboards und Saxophone neben seiner Kora. Es folgte „Yeke Yeke“. Dafür beanspruchte er stets die Lizenzrechte. Faktisch arrangierte er traditionelles Liedgut neu. Techno-Remixes pushten den Song auf froschgrünem Vinyl 1995, 2004 und 2011 in die Clubs. Und „Akwaba Beach“ wurde zur Afropop-Blaupause.
Von Kantés anderen Alben empfiehlt sich „Touma“; auf „La Guinéenne“ mindestens der starke Ohrwurm „Malibala“. Die Kollektion „Sabou“ überrascht komplett akustisch. Experimentell und beschwingt kreuzt „Nongo Village“, die spannendste Scheibe, kunterbunt Lambada, arabische Tonleitern, Trance-Dub, House, Folklore.
Mory Kanté liebte crémefarbene Anzüge. In ihnen sprang er, obwohl an zahlreichen chronischen Krankheiten leidend, noch vor kurzem auf französischen Bühnen herum. Wie sein Sohn Balla jetzt mitgeteilt hat, war das wieder geplant. Doch die Ausreisebeschränkungen hätten den Papa völlig entkräftet. Am Freitag ist Mory Kanté in einem Krankenhaus Conakrys, in der Hauptstadt seiner westafrikanischen Heimat Guinea gestorben.
Was Allen und Dibango an Drums und Saxophon unternahmen – Mory Kanté verkörperte weitaus mehr. Außer Jazzclubs erreichte Guineas berühmtester Spross Charts, Disco und Radio. Tochter Manamba, 23, folgt ihm nun als R’n’B-Griot(te).