Fortsetzung der Saison
Der Formel 1 rennt die Zeit davon
Anfang Juli sollen in der Formel 1 wieder Rennen gefahren werden. Die Coronakrise macht die Planung des Kalenders jedoch unberechenbar. Der Hockenheimring könnte davon profitieren.
by Marcus KrämerAm vergangenen Wochenende hätte sich die Formel 1 eigentlich in Monaco gefeiert. Auf dem engen Stadtkurs mit der legendären Rascasse war die Königsklasse des Motorsports seit 1955 ununterbrochen zu Gast. Doch in diesem Jahr musste das Rennen ersatzlos gestrichen werden, die Corona-Pandemie hat die Formel 1 zum Erliegen gebracht.
Seit Wochen arbeiten die Organisatoren an der Planung eines Ersatzkalenders, um an die kompletten Gelder der TV-Anstalten zu kommen, müssen in der Formel 1 mindestens 15 Saisonrennen gefahren werden. Zwischenzeitlich sah es so aus, als könne das Vorhaben umgesetzt werden, es gibt genügend Strecken, die weiterhin an einer Austragung von einem oder sogar zwei Rennen interessiert sind - selbst ohne Zuschauer.
Wie der SPIEGEL vor zwei Wochen berichtete, waren die Planspiele für die Rennen in Europa weit vorangeschritten. Die organisatorischen Vorteile liegen auf der Hand: Die Teams sind allesamt in Europa beheimatet, die Reisen zu den Strecken erfordern keinen allzu hohen logistischen Aufwand und die Infektionszahlen sind in vielen europäischen Ländern rückläufig. Am 5. Juli sollte es im österreichischen Spielberg losgehen, Silverstone und Budapest stehen ebenfalls bereit, Spa und Monza sollen den Abschluss in Europa bilden. Mit jeweils doppelten Rennwochenende wären dann vor dem Herbst schon zehn Rennen absolviert gewesen.
Silverstone hofft auf Ausnahmeregelung
Doch die Macher vom Rechteinhaber Liberty Media und dem Motorsport-Weltverband Fia merken zusehends, dass die Pläne nur mit den notwendigen Genehmigungen umzusetzen sind. Und hier stoßen die Manager, die es gewohnt sind, eigenmächtig zu entscheiden, an ihre Grenzen. In Österreich fehlt weiterhin die Bestätigung der Regierung. Die Organisatoren in der Steiermark haben alles vorbereitet, das Konzept steht, doch was kann in einer solchen Pandemie in sechs Wochen alles passieren? So erklärt sich das Zögern.
In England sieht es nicht anders aus. In Silverstone sollte am 26. Juli und 2. August gefahren werden. Derzeit sehen die Corona-Maßnahmen von Premierminister Boris Johnson für alle Flugreisenden nach ihrer Ankunft eine zweiwöchige Quarantäne vor. Die Veranstalter hoffen auf eine Ausnahmeregelung, denn so viel Zeit hat die Formel 1 nicht. Eine Einigung ist laut der englischen Zeitung "The Guardian" derzeit nicht in Sicht.
In Ungarn sind die geringsten Widerstände zu erwarten, aber auch in Italien und Belgien gibt es derzeit noch andere Probleme, als Formel-1-Rennen zu genehmigen. Auch deshalb gibt es Überlegungen, den Hockenheimring in den Kalender zurückzuholen. Der vor Wochen noch unverbindliche Kontakt ist laut "Auto Motor Sport" intensiver geworden, die deutsche Rennstrecke in Baden-Württemberg könnte für Silverstone einspringen. Allerdings benötige der Veranstalter bis Juni eine Zusage, um genügend Zeit für die Organisation zu haben.
Die Überseerennen sind auch unsicher
Wenn der Formel-1-Tross im September Europa verlassen sollte, werden die Probleme nicht kleiner. Der Stadtkurs Singapur war fest eingeplant, steht für ein Rennen unter Ausschluss der Öffentlichkeit aufgrund des Aufwands jedoch nicht zur Verfügung. Die USA, Brasilien und Mexiko kämpfen weiterhin mit hohen Infektionszahlen, Sportveranstaltungen haben dort derzeit keine hohe Priorität. Das gilt auch für Russland, allerdings hätte ein Rennen in Sotschi eine größere Chance für eine behördliche Genehmigung.
So blieben noch die Rennen in Japan und Abu Dhabi, zudem hofft Liberty Media die ausgefallenen Termine in China, Vietnam und Bahrain nachholen zu können. Doch dann kommen logistische Herausforderungen hinzu. Mit genügend Vorlauf - hier kommt wieder der Faktor Zeit ins Spiel - können die Teams Materialien auf dem Seeweg zu den Rennstrecken bringen. Das gilt nicht für die Autos, die müssen per Flugzeug transportiert werden - der Flugverkehr ist aber noch weit davon entfernt, ein normales Level zu erreichen.
Selbst wenn die Formel 1 die angepeilten 15 Rennen organisiert bekommt, ist noch kein Corona-Test in den Teams absolviert worden. Was passiert, wenn es - wie bei McLaren vor dem letztlich abgesagten ersten Saisonrennen in Australien - positive Testergebnisse bei den Rennställen gibt? Ein fairer Wettbewerb ist so nicht mehr zu gewährleisten. Dann droht den kleineren Teams die Pleite.
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Mit Material von dpa