Ärger über Corona-Verordnung
1000 Euro für einen Familienspaziergang
by Matthias SchiermeyerDie Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg enthält eine Reihe von widersprüchlich wirkenden Regelungen. Da kann selbst eine Familie, die den Infektionsschutz generell für wichtig hält, mit dem Abstandsgebot in Konflikt kommen.
Stuttgart - Es sollte ein gemütlicher Feiertagsspaziergang werden und endete abrupt in den Fallstricken der Corona-Verordnung. Familie Klenk (Name geändert) aus der Region Stuttgart war auf dem Weg zum Friedhof – in einer Zweier- und einer Dreiergruppe, wie sie beteuert –, als sich an einer ruhigen Waldecke ein Streifenwagen näherte. Für einen Moment rückte die Familie etwas zusammen. Die Polizisten stiegen aus, notierten alle Personalien – und konstatierten einen Verstoß gegen den Infektionsschutz. Bald kam die Quittung vom Ordnungsamt: für jeden Beteiligten sollten die Klenks 200 Euro Bußgeld zahlen.
Öffentlich dürfen nur zwei Haushalte zusammenstehen
Der Grund: Die Familie ist vom Großvater über das Ehepaar bis zu den zwei Töchtern zwar in gerader Linie miteinander verwandt und hält engen Kontakt zueinander, doch sie lebt in vier getrennten Haushalten. In der eigenen Wohnung darf sich sogar eine Großfamilie treffen, da spielt nicht einmal die Personenzahl eine Rolle. Sobald sie aber geschlossen vor die Tür tritt, droht der lange Arm der Staatsmacht. Denn auf der Straße dürfen lediglich Personen aus zwei verschiedenen Haushalten zusammenstehen, ohne den Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten zu müssen. Klaus Klenk bekennt sich generell zu den Hygienevorgaben, ärgert sich aber auch über die „Willkür“ dieser Regelung. „Was haben diese Vorschriften mit der Verhinderung der Virusausbreitung zu tun?“, fragt er und äußert Zweifel an einem widersprüchlich erscheinenden Rechtssystem. Die erhofften nachvollziehbaren Begründungen erhielt er weder vom Ordnungsamt noch vom Staatsministerium – stattdessen Satzbausteine.
Unverständnis über mangelndes Augenmaß
Bei etwa 20 000 Ordnungswidrigkeiten und gut 230 Straftaten, die die Polizei im Land binnen zwei Monaten zum „Verbot des Verweilens im öffentlichen Raum“ festgestellt hat, ist Unverständnis über ein mangelndes Augenmaß von Polizisten und Behörden durchaus verbreitet. Auch bei den Klenks wurde nicht die niedrigste Stufe des Bußgeldrahmens von 100 Euro genommen. Schon der Beamte vor Ort habe ihnen geraten, sie sollten sich „kooperativ zeigen“ – sonst werde es teuer. Das wurde es auch so: Um juristische Streitigkeiten zu vermeiden, zahlten die Klenks fristgerecht die 1000 Euro.