Handelsstreit
Forscher fordern Hilfstopf für Familienunternehmen
Unter den Airbus-Sonderzöllen der US-Regierung leiden zunehmend auch deutsche Familienunternehmen. Top-Ökonomen fordern einen Ausgleichstopf für EU-Unternehmen.
by Jan Hildebrand, Martin GreiveBerlin. Peter Mertes ist eine der weltweit größten Kellereien. Doch das Geschäft ist momentan erheblich beeinträchtigt. Wegen Corona, aber auch wegen der US-Zölle auf Produkte aus der EU. „Von den Strafzöllen ist eine Großzahl unserer Kontrakte betroffen“, sagt Peter-Mertes-Geschäftsführer Georg Graf von Walderdorff.
Es komme zu erheblichen Preissteigerungen für die Endkonsumenten, klagt Walderdorff. „Die USA haben Zölle gegen Branchen verhängt, die rein gar nichts mit der Flugzeugindustrie zu tun haben. Wir fühlen uns da in Sippenhaft.“
Die Kellerei ist mit diesem Problem nicht allein. Laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen greift der Handelsstreit zwischen den USA und der EU um Airbus inzwischen auf Branchen über, die mit dem ursprünglichen Handelskonflikt nichts zu tun haben.
Leidtragende dessen sind insbesondere Familienunternehmen. „In Zukunft ist häufiger damit zu rechnen, dass handelspolitische Streitigkeiten Kollateralschäden in unbeteiligten Sektoren hervorrufen“, warnen die Studienautoren. Die IfW-Forscher empfehlen daher einen Ausgleichsfonds für EU-Unternehmen.
Die Forscher haben in der Untersuchung die Folgen der US-Ausgleichszölle wegen unerlaubter Subventionen für das europäische Gemeinschaftsunternehmen Airbus analysiert. Die USA hatten wegen der Airbus-Subventionen Sonderzölle von 15 bis 25 Prozent auf EU-Produkte verhängt. Die Zölle treffen aber nicht nur den Flugzeugsektor, sondern auch den Werkzeug- und Fahrzeugbau sowie Erzeuger von Nahrungsmitteln sowie Likören und Branntweinen.
So ist zwar mit rund drei Milliarden Euro die europäische Flugzeugindustrie von den Airbus-Sonderzöllen am stärksten betroffen. An zweiter Stelle stehen aber schon Likör- und Branntweinhersteller mit einem Exportvolumen von knapp zwei Milliarden Euro.
Unsicherheit schränkt Handel ein
Durch die Airbus-Sonderzölle gingen die deutschen Güterexporte laut der Studie jährlich um rund 650 Millionen Euro zurück. Vor allem die Unsicherheit über das Zollregime schränke den Handel ein, oft sogar stärker als die Zölle selbst, schreiben die Autoren. Denn die US-Regierung kann die Zölle einseitig erhöhen – was zu erheblicher Unsicherheit bei den Unternehmen führe.
Die Europäische Kommission solle daher dringend Abwehrmaßnahmen einleiten, empfehlen die beiden Studienautoren, IfW-Präsident Gabriel Felbermayr und Christoph Herrmann von der Universität Passau.
So gebe es in den USA und China bereits Hilfstöpfe für Unternehmen, die mit Handelsstreitigkeiten eigentlich nichts zu tun haben, aber dennoch davon getroffen sind. Die EU müsse ebenfalls einen solchen Kompensationsmechanismus schaffen, fordern die Forscher. Wegen des EU-Beihilferechts müsse dieser Mechanismus in Brüssel bei der Europäischen Kommission angesiedelt sein.
Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, sagt: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die globalen Handelskonflikte zunehmen. Die Schaffung eines Ausgleichsmechanismus kann dazu beitragen, dass die EU in Handelsstreitigkeiten glaubwürdiger auftreten kann.“
Der beste Ausgleichsmechanismus bleibe aber der, der nicht aktiviert werden muss, so Kirchdörfer. „Das Hauptziel muss darin bestehen, zu einem funktionierenden Handelsregime im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO zurückzukehren.“
So sieht es auch Peter-Mertes-Geschäftsführer Georg Graf von Walderdorff: „Stabilität in den internationalen Handelsbeziehungen wäre in unser aller Interesse. Von Handelskonflikten profitiert am Ende keine Seite.“
Laut der IfW-Studie steht dabei aber auch Europa in der Pflicht. Die Forscher beobachten, dass in der Coronakrise die Exportrestriktionen zunehmen. So hätten mehr als 50 Länder bei kritischen Medizinartikeln wie Schutzmasken Exportkontrollen eingeführt, darunter auch EU-Staaten.
Die Forderung der Wissenschaftler: Auch EU-Mitgliedstaaten müssen Abstand von solchen Exportbeschränkungen nehmen.