Zwei Hochzeiten, die die Welt veränderten
Maximilian I. verheiratete 1495 Sohn und Tochter mit Prinz und Prinzessin aus Spanien. Was als dynastische Investition gedacht war, machten diverse Todesfälle zur historischen Sensation: Ein 19-Jähriger erbte ein Weltreich.
Am 5. November 1495 fand im Palast im niederländischen Mechelen eine aufregende Zeremonie statt. Die 16-jährige Großherzogin Margarete und der spanische Gesandte Don Francisco de Rojas stiegen vor den Augen der versammelten Hofgesellschaft gemeinsam in ein prunkvolles Bett, ohne allerdings ihre Kleider abzulegen. Dann entblößte der Spanier für einige Augenblicke ein Bein – und die Ehe war vollzogen, „per procuram“, durch einen Stellvertreter, wie es so schön hieß. Den Bräutigam Johann von Aragón bekam Margarete erst im März 1496 in Burgos zu Gesicht. Dort wurde die Hochzeitsnacht mit dem spanischen Thronfolger nachgeholt. Bald war sie schwanger.
Die Hochzeit war Teil eines komplizierten Heiratsplans, mit dem Margaretes Vater, der Habsburger Kaiser Maximilian I., die Macht seines Hauses mehren wollte. Tatsächlich schrieb er damit auf eine unvorhersehbare Weise Weltgeschichte. Wie er das tat, hat jetzt der niederländische Autor Bart Van Loo in seinem prachtvollen Buch „Burgund. Das verschwundene Reich“ (C. H. Beck, 656 S., 32 Euro) mit all ihren Verästelungen nachgezeichnet.
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Margarete war die Tochter von Maria von Burgund, die nach dem Schlachtentod ihres Vaters, des Herzogs Karl der Kühne, 1477 dessen Erbe angetreten hatte. Mithilfe ihres Mannes, des Kaisersohnes Maximilian, gelang es ihr, französische Ansprüche zurückzuweisen. Ihre 1477 geschlossene Ehe zählt zu den größten Romanzen des Mittelalters, die ein Reitunfall allerdings nach nur fünf Jahren tragisch beendete. Margarete und ihr älterer Bruder Philipp überlebten.
Wie sein Schwiegervater war Maximilian ein ebenso ehrgeiziger wie skrupelloser Machtmensch, der sich nicht mit der Regentschaft der Niederlande, zu der damals auch weite Teile des heutigen Belgiens gehörten, begnügen wollte. Da ihm für großangelegte Feldzüge häufig das Geld fehlte, entwickelte der Habsburger eine Diplomatie, für die die Zeitgenossen den treffenden Satz prägten: „Kriege mögen andere führen. Du, glückliches Österreich, heirate.“
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In diesem Sinn handelte er bereits 1491 mit dem König von Böhmen und Ungarn einen Erbvertrag aus, der später durch Ehen mit seinen Enkeln zukunftsfähig gemacht wurde. Doch sein Meisterstück sollte er mit der Doppelhochzeit ablegen, die er mit den „Katholischen Königen“ von Kastilien und Aragón, Isabella und Ferdinand, anbahnte. Beide hatten sich den päpstlichen Titel mit der Eroberung des Emirats von Granada 1492 erworben, die die christliche Rückeroberung der Iberischen Halbinsel abschloss und den Grundstein für eine spanische Großmacht legte. Zufällig traf es sich, dass im gleichen Jahr ein Seefahrer in ihren Diensten, Christoph Kolumbus, jenseits des Atlantiks eine Neue Welt entdeckte.
Dass Margarete schon einmal verheiratet gewesen war, störte die hochrangigen Schwiegereltern nicht. Bereits als Zweijährige war sie dem französischen Thronfolger versprochen worden, um damit einem Friedensvertrag zwischen Maximilian und Ludwig XI. von Frankreich die nötige Tiefe zu verleihen. Doch als sich Maximilian nach dem Tod Marias um die Hand der reichen Herzogin Anne von der Bretagne bemühte, erklärte der Franzose die Ehe für nicht vollzogen und kam dem Habsburger 1491 zuvor.
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Diese gepfefferte Demütigung beantwortete Maximilian auf seine Weise, indem er die zwar nicht standesgemäße und unverschämt reiche Tochter des Ex-Condottiere Galeazzo Sforza von Mailand zur Frau nahm. Und er trieb die Verbindung zwischen Spanien und Österreich voran.
Maximilians anderer Joker für die geplante Doppelhochzeit war Margaretes älterer Bruder Philipp, genannt der Schöne. Ihm wurde mit Johanna von Kastilien die zweite Tochter Isabellas und Ferdinands zugedacht. Im Gegensatz zu Margaretes Eheversprechen „per procuram“ fand ihre Hochzeitsnacht vor aller Ohren am 20. Oktober 1495 im niederländischen Liers statt. „Der Same wird gewaltig sein auf Erden“: Dem während der Messe verlesenen Satz machten die jungen Leute alle Ehre. Sechs Kinder sollten der Ehe entstammen, wobei Philipp „die hormonell bedingte Begeisterung schnell“ verließ, „während Johannas Liebe zu ihrem Ehemann krankhafte Züge annahm“, schreibt Van Loo.
Auf dem Papier wäre Margarete also irgendwann Königin von Spanien geworden und Philipp als Herzog von Burgund (wahrscheinlich) Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Doch das Schicksal hatte andere Pläne. Bereits nach einem guten Jahr raffte das Fieber Margaretes Mann Johann dahin, und sie verlor ihr ungeborenes Kind. Da auch andere Thronanwärter starben, wurde Johanns Schwester Johanna Erbin der spanischen Kronen und ihr Mann als Philipp I. König von Kastilien und Aragón.
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Das machte ihren ältesten Sohn Karl urplötzlich zum Erben einer gewaltigen Ländermasse, vorausgesetzt dass er das Erwachsenenalter erreichen würde. Der Erbfall kam indes schneller als erwartet. Bereits 1506 starb Philipp an einer Lungenentzündung. Johannas Schmerz war „so überwältigend, dass ihr angeblicher Wahnsinn, der sich zuvor schon einige Male angekündigt haben soll, nun voll zum Ausbruch zu kommen schien“, erklärt Van Loo ihren Beinamen „die Wahnsinnige“. Auf jeden Fall verbrachte sie die folgenden 48 Jahre bis zu ihrem Tod in Gefangenschaft.
Karls Tante Margarete übernahm die Regentschaft in den Niederlanden und damit auch seine Erziehung; in Deutschland und den österreichischen Erblanden zog sein kaiserlicher Großvater Maximilian die Fäden. Doch der starb 1519.
So kam es, dass der 19-jährige Karl ein Reich erbte, das von der Donau bis zu den Kordilleren Amerikas reichte und in dem, wie es so schön heißt, die Sonne nicht unterging. Wenn das nicht Weltgeschichte genug war, so wurden es die Folgen. Nach seiner Abdankung 1556 erbte sein Sohn Philipp die spanischen Länder einschließlich der Niederlande, sein Bruder Ferdinand die Kaiserkrone und die österreichischen Erblande. Spanien blieb Weltmacht, Österreich wurde Großmacht, die Kriege beider habsburgischen Linien mit Frankreich prägten über Jahrhunderte Europa.
Der Zufall, der mit Karl den „letzten Burgunder“ (Van Loo) zum Alleinerben gemacht hatte, hat tatsächlich Geschichte geschrieben.
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Markante Gesichtszüge
Der Inzest der Habsburger und seine dekadenten Folgen