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Philipp Stölzls Inszenierung von Verdis „Rigoletto“ wird erst in der kommenden Spielzeit wieder auf dem Bodensee vor Bregenz zu sehen sein

Quelle: picture alliance / rtn - radio t

Es gibt ein bisschen Licht am Ende des Corona-Tunnels

Der Broadway bleibt bis in den Winter dicht. Alle Sommerfestivals der Klassik sind abgesagt. Alle? In Verona, Grafenegg, Pesaro und Salzburg wird an einem abgespeckten Programm für die Corona-Zeit gearbeitet. Ein Überblick.

Zum Glück hat Gioachino Rossini auch einige kleine Opern ohne Chor geschrieben. Eine davon war für die 41. Sommerausgabe des Rossini Opera Festival in seiner Heimatstadt Pesaro geplant. Die einaktige Farce „Il Cambiale di Matrimonio“, zu deutsch „Der Heiratswechsel“. Sie wird jetzt tatsächlich im kleinen Teatro Rossini über die Bühne gehen.

Etwas anders als sonst und etwas anders als vorgesehen freilich. Das Orchester wird im Parkett spielen, das Publikum sitzt abgeschirmt in den Logen, und die Sänger auf der Bühne werden trotz des Liebesthemas Abstand halten müssen. Corona-Abstand.

Aber immerhin, das weltberühmte Festival an der Adria in den Marken wird startklar gemacht. Anders als in Frankreich oder Spanien wird der italienische Musiksommer wieder hochgefahren. Zumindest teilweise.

Vorher hatte schon die Arena di Verona verkündet, dass man die Saison verkürzt, keine Opern spielt, aber Opernkonzerte, wohl ohne Chor, auf einer Bühne in der Mitte der Arena und vor nur 3000 statt 13.000 Zuschauern, die nicht von überall her kommen, sondern aus der Region. Es singen die momentan unterbeschäftigten Goldkehlen der Oper, Anna Netrebko und Plácido Domingo.

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Arena di Verona, Arena of Verona Amphitheatre

Quelle: Getty Images

Auch Macerata und Martina Franca kündigen auf ihren Webseiten noch das normale Opernprogramm an. Sie werden aber wohl, wie Pesaro, reduzieren und modifizieren müssen.

Das Rossini Festival verschiebt seine zwei Großproduktionen, dafür gibt es zwei Akademieaufführungen open air auf der Piazza del Popolo, ebenso Solistenkonzerte mit Starvirtuosen wie Juan Diego Flórez und Olga Peretyatko.

Der Broadway bleibt wohl bis Winter tot

In Amerika, wo das Corona-Chaos noch schlimmer wütet, schimmert hingegen wenig Hoffnung. Eben hat das einzige internationalen Opernfestival in Santa Fé / New Mexico den Sommer gestrichen, ebenfalls das Glimmerglass Festival im Upperstate New York und in Massachusetts das großformatige Tanglewood Music Festival des Boston Symphony Orchestra.

Die Broadway-Bühnen in New York und auch die Metropolitan Opera glauben schon nicht mehr, im Herbst normal öffnen zu können, Im ansonsten in diesem Sommer festivalfreien England verweisen augenblicklich nur noch die BBC Proms in der Royal Albert Hall auf eine noch nicht verifizierte Miniausgabe ab dem 17. Juli zu ihrem 125. Geburtstag. Ende Mai soll die bekannt gegeben werden.

In Deutschland sind alle Großfestivals gecancelt, mal sehen was die Theater jetzt noch in der zu Ende gehenden Saison hochfahren können. An der Bayerischen Staatsoper will man früher in den Sommerurlaub gehen, um dann besser in die neue Saison starten zu können.

In Österreich hingegen lichtet sich das Covid-19-Dunkel über dem Musiksommer. Man will unbedingt auch von dem Kulturtouristen profitieren, die bald schon wiederkommen dürfen. Ob die das auch tun werden?

Wahrscheinlich höchstens aus Deutschland und der Schweiz, wo auch alles inklusive dem Lucerne Festival abgesagt ist. Ab 1. August dürfen 500 bis 1000 Zuschauer zusammenkommen, davon profitieren die Spätbeginner wie das Grafenegg Festival vor den Toren Wiens. Ohne internationale Orchester, ohne Pause und draußen, im Schlosspark und dem Open-Air-Wolkenturm, soll es zumindest ausgeweitete Kammermusik geben.

Kein „Rigoletto“ auf der Bodensee-Bühne

Die Bregenzer Festspiele habe den neuen Beschlüssen folgend alles abgesagt und auf 2021 verschoben. Mit 1000 Besuchern statt 7000 pro Seebühnen-Abend hätten sie trotz Open-Air und vorhandener „Rigoletto“-Produktion finanziell keine Chance. Dabei waren schon über 200.000 von 260.000 Karten vor dem Lockdown verkauft.

Die Konkurrenz in Salzburg aber will ihre Jubiläumspielzeit (die Festspiele werden 100) unbedingt durchziehen, auch wenn das meiste aus dem üppigen Programm auf den Sommer 2021 geschoben werden muss. „Es wird im August Festspiele geben. Ende Mai sollen erste Pläne für ein abgespecktes Programm präsentiert werden, dessen Realisierung künstlerisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar“, so die Landesregierung. Darauf hatte auch das standhafte Kuratorium bisher gehofft.

Doch was wird das sein? Irgendeine kompakte, höchstens zweiwöchige Form mit dem „Jedermann“ um den Gründungstag am 22. August. Wohl Auftritte der lokalen Ensembles Mozarteum Orchester und Camerata Salzburg und womöglich die Wiener Philharmoniker.

Die könnten sogar, wohl konzertant, die chorlose „Elektra“ des Gründungsvaters Richard Strauss spielen. Unter Franz Welser-Möst müssen sie sie sowieso für die Staatsopernsaison im September vorproben; nur ob man 106 Musiker selbst auf der Cinemascope-Bühne coronagerecht zu verteilen sind?

Dazu gibt es Aufzeichnungen unter freiem Himmel auf dem Kapitelplatz. Anfang Juni soll die vom „Coronabeauftragten“ abgesegnete Neuplanung vorgestellt werden.


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