Siemens hat offenbar die letzten Details zur historischen Trennung von der Energiesparte beschlossen. WELT liegt der Vertrag vor. Künftig soll die Siemens Energy AG eigenständig am Markt tätig sein.

Quelle: WELT/Laura Fritsch

Siemens wird aufgespalten – so sieht die Zukunft der Industrie-Ikone aus

Der Siemens-Konzern hat offenbar die letzten Details zur historischen Trennung vom Energiegeschäft beschlossen. WELT liegt der Entherrschungs- und Abspaltungsvertrag vor, der die Zukunft des deutschen Industrieriesen regelt.

Die Details zum größten Umbau des Siemens-Konzerns in der jüngeren Geschichte mit der Abspaltung des Energiegeschäfts stehen fest. Als Gegenleistung für die Abtrennung der Energieaktivitäten sollen die bisherigen Aktionäre für zwei Siemens-Aktien eine Aktie der neuen Siemens Energy AG erhalten.

Das geht aus dem Entherrschungs- und Abspaltungsvertrag hervor, der WELT vorliegt. Insgesamt sollen so knapp 400.000 Energy-Aktien ausgegeben werden. Siemens will am Dienstag offiziell die Details bekannt geben.

Der Siemens-Konzern will damit möglichst schnell auf Distanz zu Siemens Energy gehen. Als „nicht vollkonsolidierender Ankeraktionär“ will der Konzern zunächst noch 45 Prozent halten, von denen aber 9,9 Prozent auf die Konzern-Pensionsgesellschaft übertragen werden. Die verbleibenden 35,1 Prozent sollen dann binnen zwölf bis 18 Monaten deutlich verringert werden, heißt es in den Unterlagen.

Die Abspaltung des Energiegeschäfts aus dem Siemens-Konzern ist der Höhepunkt des Umbaus unter der Regie von Vorstandschef Joe Kaeser und dem Leitbild „Vision 2020+“. Kaeser, der im Frühjahr 2021 abtritt, will durch die Zerschlagung des ehemaligen Technologie-Konglomerats und den Fokus auf Digitaltechnik den Traditionskonzern für die Zukunft rüsten. Das Energiegeschäft, das etwa 40 Prozent der bisherigen Konzernumsätze ausmacht, war über Jahrzehnte eine Siemens-Herzkammer.

Künftig soll Siemens Energy mit juristischem Sitz in München eigenständig am Markt tätig sein und wird an der Frankfurter Börse notiert. Das Geschäft mit Turbinen für Gas- und Dampfkraftwerke, Hochspannungsnetzen und Windrädern steht allerdings seit einiger Zeit unter erheblichem Margendruck, musste Stellen abbauen und schrieb nach den letzten Siemens-Quartalszahlen Verlust. In die neue Siemens Energy AG wird auch der Siemens-Anteil in Höhe von rund 67 Prozent am spanischen Windenergiekonzern Siemens Gamesa eingebracht.

Abspaltung für Aktionäre keine neue Erfahrung

Die Abspaltung ist rückwirkend zum 1. April 2020 geplant, vorbehaltlich der Zustimmung einer Sonder-Hauptversammlung. Nach den Unterlagen soll Siemens-Vorstandschef Kaeser Vorsitzender des 20-köpfigen Aufsichtsrats des Energiekonzerns werden. Auch Siemens-Finanzchef Ralf Thomas soll in das Kontrollgremium einziehen.

Insgesamt soll die Siemens AG nur drei Sitze im Aufsichtsrat des Energiekonzerns bekommen. Wie bereits mitgeteilt, soll der Ex-Linde-Vorstand Christian Bruch neuer Chef von Siemens Energy werden. Der eigentlich für diesen Posten vorgesehene Siemens-Vorstand Michael Sen hatte offensichtlich im Streit um die Unabhängigkeit und Ressourcen Ende März hingeworfen.

Daher ist bemerkenswert, dass die Juristen in den Verträgen auf die Verselbstständigung von Siemens Energy und deren Eigenständigkeit großen Wert legen. So gibt es eine Beschränkung der Stimmrechte für die Aktien der Siemens AG auf der Hauptversammlung des Energie-Konzerns, weil in der Regel nie alle Aktionäre anwesend sind und sich so eine Mehrheit ergeben könnte.

Für die Siemens-Aktionäre ist es im Übrigen keine neue Erfahrung, dass sie neben Anteilen an dem Traditionskonzern weitere Aktien durch Abspaltungen erhalten – etwa durch den Börsengang der Ex-Siemens-Beteiligung Osram oder der Medizintochter Siemens Healthineers, an der Siemens weiter die Mehrheit hält.