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London Premierminister Boris Johnson PK Corona-Krise (Reuters/10 Downing Street/A. Parsons)

Neues aus der Downing Street: Johnson lockert, Cummings bleibt

Während in Großbritannien über die Verfehlungen von Top-Regierungsberater Cummings diskutiert wird, gibt der Premier Lockerungen der Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus bekannt. Interessantes Timing am Regierungssitz.

In England dürfen zahlreiche Geschäfte Mitte Juni wieder öffnen. Das kündigte Premierminister Boris Johnson in London an (Artikelbild). So dürfen dann unter anderem Bekleidungsgeschäfte, Möbelläden, Fachgeschäfte für Elektronik oder Bücher, Auktionshäuser und Schneidereien ihre Dienste wieder anbieten. Bereits vom 1. Juni an können Märkte im Freien wieder ihre Waren verkaufen. Am 23. März hatte der - zwischenzeitlich selbst schwer an COVID-19 erkrankte - Regierungschef alle Läden, die nicht wie Supermärkte und Pharmazien der Grundversorgung dienen, zur Pandemie-Eindämmung schließen lassen.

Bereits am Wochenende hatte der Premier angekündigt, ab Juni die Schulen für einzelne Jahrgangsstufen zu öffnen. Die Landesteile Schottland, Wales und Nordirland gehen im Kampf gegen das Coronavirus ihren eigenen Weg - und distanzieren sich mehr oder weniger offen von London. Großbritannien ist das Land mit den meisten Opfern in Europa. Bislang wurden 36.914 Todesfälle registriert, wie Johnson am Montagabend bekanntgab. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.

"Der gesunde Menschenverstand"

Die geplante Wiedereröffnung nicht essenzieller Geschäfte - "vom Kaufhaus bis zum kleinen unabhängigen Laden" - hänge jedoch von der Entwicklung der Corona-Infektionszahlen ab, fügte Johnson hinzu. Friseure, Schönheitssalons und Hotels sollen hingegen noch geschlossen bleiben. Der Premier bemühte sich jedoch darum, die positive Seite zu betonen. Angesichts "der Fortschritte, die wir machen" könne Phase zwei der Lockerungen eingeleitet werden. "Ich bin zuversichtlich, dass der gesunde Menschenverstand der britischen Bevölkerung uns durchbringen wird."

Am Tisch im Rosengarten

Zuvor hatte sein wichtigster Berater Dominic Cummings einen Auftritt in der Downing Street hingelegt, den die Deutsche Presse-Agentur "bizarr" nannte. Der von vielen gefürchtete Regierungsberater lehnte es trotz der massiven Kritik an seiner Reise zu Verwandten mitten in der Corona-Krise ab, seinen Posten aufzugeben. "Ich habe nicht angeboten, zurückzutreten. Ich habe das nicht in Erwägung gezogen", sagte Cummings, an einem Tisch im Rosengarten des Regierungssitzes in London sitzend. "Ich bedaure nicht, was ich getan habe."

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Im Garten, weißes Hemd, kein schlechtes Gewissen: Chefberater Dominic Cummings

Der 48-Jährige gilt als hochintelligenter Wahlkampfstratege, aber auch als unberechenbar. Er begann seinen Auftritt mit etwa halbstündiger Verspätung, erschien mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und rief Journalisten ein lockeres "Hi there!" zu. Und dann die Erläuterung: Er habe nur einmal Ende März seine Eltern mit seiner Familie besucht. Britische Zeitungen hatten hingegen berichtet, dass Cummings mehrfach während der Pandemie von London ins rund 430 Kilometer entfernte Durham zu seinen Verwandten gefahren war. Er habe den Umständen entsprechend "vernünftig und angemessen" gehandelt.

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Will nicht zurücktreten: Regierungsberater Cummings

Der Berater hatte als Grund für eine Reise Ende März zu seinen Eltern angegeben, er habe keine andere Möglichkeit gehabt, die Betreuung seines vierjährigen Sohnes sicherzustellen. Er habe für die Betreuung sorgen wollen, weil seine Frau an COVID-19 erkrankt gewesen sei und er selbst mit einer Ansteckung habe rechnen müssen. Er sprach von einer "komplizierten Situation". Johnson habe er erst später darüber informiert. Am 13. April sei die Familie wieder in London gewesen.

ml/wa (dpa, rtr, afp)