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Paris: Fliegen die Autos jetzt komplett raus aus der Innenstadt?

In wenigen Wochen steht die Bürgermeisterwahl in Paris an. Bleibt die amtierende Bürgermeisterin im Amt, dürften die meisten Autos aus der Pariser Innenstadt verschwinden.

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In Deutschland sprechen wir viel über die Verkehrswende. Gerade, wenn man da auf die Bundespolitik blickt, wird man das Gefühl nicht los, dass mehr gesprochen als gehandelt wird. Man möchte ja irgendwie schon, kommt aber nicht so recht in die Gänge. Sieht man zum Beispiel daran, dass die Zahl der tödlichen Unfälle mit Fahrrädern in Berlin sogar noch stark ansteigen, statt gesenkt zu werden.

Berlin ist da auch keine Ausnahme, auch bei mir in Dortmund oder anderen Städten ist es nicht besonders lustig, als Radfahrer in der City unterwegs zu sein. Unsere Innenstädte sind nach wie vor so stark auf Autos ausgerichtet und bei aller Hoffnung glaube ich nicht daran, dass sich das schnell ändert.

In anderen europäischen Ländern läuft das deutlich besser. Schaut beispielsweise nach Dänemark oder in andere skandinavische Länder, schaut beispielsweise in die Niederlande, oder auch nach Spanien, wo in Barcelona mit den Superblocks schon große Areale geschaffen werden, die ohne Autos auskommen.

Diese Superblocks ermöglichen mir jetzt auch eine schöne Überleitung zum eigentlichen Thema, in dem es um Paris geht. Dort ist Anne Hidalgo Bürgermeisterin und bei den im März anstehenden Wahlen macht sie sich berechtigte Hoffnungen, dass sie wiedergewählt wird. Sollte das tatsächlich passieren, dürften in der Folge sehr viele Autos aus der Pariser Innenstadt verschwinden.

Hidalgo hat schon seit Jahren wirklich intensiv die Verkehrswende vorangetrieben und man sieht dort längst erste Erfolge. Dazu zwei Zahlen: Erstmals seit 1940 sinkt die Zahl der Autofahrer in Paris. Außerdem ist die Zahl der Radfahrer in nur einem Jahr um 50 Prozent gestiegen. Die Bürgermeisterin hat ein Ufer der Seine für Autos sperren lassen, ist also tatsächlich mittendrin in der Verkehrswende.

Ich mag mir gar nicht ausmalen, was in Deutschland los wäre, wenn heute in einer Großstadt so energisch das Auto zurückgedrängt würde. In Paris zieht man das aber einfach so durch und das Beste dabei: Den Bürgern gefällt das! Mittlerweile ist die Verkehrswende so weit in der politischen DNA der Stadt verankert, dass es überhaupt keinen politischen Gegenentwurf zu Hidalgos Kurs gibt. Schlimmstenfalls könnte sie ihren Job an einen Politiker verlieren, der die Verkehrswende nicht ganz so konsequent vorantreibt wie sie — wirkliche Kursänderungen würde es aber nicht geben.

Somit sieht es gut aus für die Stadt, dass der Anteil der Autos schon in wenigen Jahren rapide sinken wird. Bis 2024 sollen die Diesel-Fahrzeuge verschwinden, bis 2030 dann der Rest. Hidalgo hat angekündigt, dass auf den Straßen erst Fußgänger und Radfahrer berücksichtigt werden, dann erst das Auto.

Aus ganz vielen Straßen würde das Auto komplett verbannt, dort, wo man noch fahren darf, muss man sich an die anderen Verkehrsteilnehmer anpassen und dann schlimmstenfalls halt langsam hinter Fußgängern hereiern. Somit wird das Auto das langsamste Verkehrsmittel der Stadt.

Obwohl man heute schon sieht, wie viel mehr das Rad in Paris genutzt wird, sind die Radwege noch Flickwerk. In der nächsten Legislaturperiode würde dann versucht, ein komplettes Netz aus Radwegen anzulegen, so dass man sie durchgehend nutzen kann, egal wo man in der Stadt unterwegs ist.

Paris bringt dafür die denkbar besten Voraussetzungen mit für eine europäische Hauptstadt, denn die Stadt selbst ist sehr kompakt, so dass es vom einen Ende bis zum anderen lediglich zehn Kilometer sind. Das ist eine Strecke, die man wahrlich gut mit dem Rad bewältigen kann und das vermutlich auch flotter, als das heutzutage mit den Autos machbar ist.

Waren werden innerhalb dieser verkehrsberuhigten Gebiete entweder mit Lastenfahrrädern oder sehr kleinen Lastkarren transportiert, jeweils elektrisch angetrieben. Apropos elektrisch: In einer City, in der das Auto nicht mehr wirklich erwünscht wird, fahren dann natürlich auch keine E-Autos oder Fahrzeuge mit sonstigen alternativen Antrieben. Schließlich nimmt dann ein E-Auto ja auch ebenso viel Platz ein wie ein Benziner und genau darum geht es in der nächsten Stufe dieser Verkehrswende:

Zunächst einmal steht natürlich im Fokus, dass die Luft besser wird und man was für die Umwelt tut. Im nächsten Schritt kümmert man sich aber eben darum, dass die Lebensqualität steigt. Das erreicht man dadurch, dass man allein die Zahl der öffentlichen Parkplätze um 72 Prozent senkt! Damit wird es dann immer noch genügend private Stellplätze geben, aber ihr könnt euch ja denken, dass diese Autofahrer nicht mehr viel Spaß haben werden, wenn sie sowieso nur äußerst langsam durch die Straßen kommen.

Anstelle der Parkplätze wird es Grünflächen geben, Spielplätze für Kids und sogar Gemüsegärten. Aus fetten Kreuzungen werden wieder — wie früher — Plätze, auf denen sich Menschen wieder außerhalb ihrer Blechkarren begegnen.

Für mich ist dieses Szenario fast zu schön, um wahr zu sein. Für sehr viele Auto-Fans in Deutschland ist das alles, was ich hier beschrieben habe, aber wohl eher eine Dystopie. Im März finden die Wahlen in Paris statt — ich werde ganz sicher genau hinschauen, wie die ausgehen.

Quelle: Stern